Belarus

Republik Belarus

Berichtszeitraum 1.1.2024 – 31.12.2024
Englischer Originaltext Belarus
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Die Behörden gingen weiterhin gegen alle Formen öffentlicher Kritik vor und missbrauchten das Justizsystem, um friedliche Andersdenkende zu bestrafen. Die Unterdrückung unabhängiger Medien und zivilgesellschaftlicher Organisationen eskalierte. Folter und andere Misshandlungen waren tief verwurzelt und es herrschte Straflosigkeit. Das Verschwindenlassen von Gefangenen war weit verbreitet. Die LGBTI-Gemeinschaft war weiterhin Schikanen ausgesetzt. Flüchtlinge und Migrant*innen wurden über die Grenzen zur EU gedrängt. Die Maßnahmen zum Klimaschutz waren weiterhin unzureichend.

Hintergrund

Angesichts der internationalen Isolation setzte Belarus seine wirtschaftliche, politische, diplomatische und militärische Zusammenarbeit mit Russland fort. Die Rhetorik über externe Bedrohungen durch die EU-Nachbarn und die Ukraine hielt an, und die belarussischen Streitkräfte führten Aktivitäten durch, die als Vorbereitung auf eine militärische Konfrontation wahrgenommen werden sollten.

Im Oktober stellte die UN-Sonderberichterstatterin für die Menschenrechtslage in Belarus fest, dass die Zusammenarbeit des Landes mit dem UN-Menschenrechtssystem „einen historischen Tiefpunkt“ erreicht habe.

Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit

Das Recht auf freie Meinungsäußerung wurde weiterhin stark beschnitten. Die offizielle Liste von Veröffentlichungen in Online-, Druck- und Rundfunk-Medien, die laut Behörden „extremistische Inhalte“ aufwiesen, wuchs weiter. Jeden Monat wurden Hunderte von Personen willkürlich in die „Liste der an extremistischen Aktivitäten beteiligten Personen“ aufgenommen, die im Dezember 4.707 Personen umfasste. Ende des Jahres befanden sich 45 Medienschaffende aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit im Gefängnis.

Die Unterdrückung zivilgesellschaftlicher Organisationen, einschließlich unabhängiger NGO`s, Gewerkschaften und ethnischer und religiöser Gemeinschaften, eskalierte. Mindestens 329 Organisationen wurden im Jahr 2024 aufgelöst oder befanden sich im Auflösungsprozess.

Die Menschenrechtsverteidigerin und Symbolfigur der Protestbewegung aus dem Jahr 2020, die 73-jährige Nina Bahinskaya, wurde im Oktober willkürlich festgenommen, weil sie mit dem Plakat einer willkürlich verbotenen politischen Partei demonstrierte. Die Polizei hielt sie drei Stunden lang in Handschellen fest und ließ sie dann bis zur Gerichtsverhandlung wieder frei.

Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit

Religiöse Organisationen und Geistliche, die nicht der Linie der Regierung folgten, wurden beschuldigt, extremistisches Material zu erstellen oder zu verbreiten. Das führte zu Verboten und Sperrungen von Online-Materialien und Profilen in sozialen Netzwerken, willkürlichen Verhaftungen und Festnahmen.

Im Mai wurde der römisch-katholische Priester Andrej Yukhnevich festgenommen, weil er auf seinem Social-Media-Konto eine ukrainische Flagge gezeigt hatte. Daraufhin wurde er des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen beschuldigt und in Untersuchungshaft genommen.

Willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen

Die Behörden ließen Dutzende von Gefangenen, die wegen politisch motivierter Anschuldigungen verurteilt worden waren, unter der Bedingung des Stillschweigens frei, nachdem sie gezwungen worden waren, um Begnadigung zu bitten. Ihre Namen wurden nicht veröffentlicht.

Verhaftungen und strafrechtliche Verfolgung von Andersdenkenden waren jedoch nach wie vor weit verbreitet und betrafen insbesondere Teilnehmer*innen und Unterstützer*innen der friedlichen Massenproteste im Jahr 2020. Deren Familienangehörige wurden ebenfalls schikaniert. Im Januar führte die Polizei Hausdurchsuchungen bei etwa 160 Personen durch, bei denen es sich hauptsächlich um Verwandte von zu Unrecht inhaftierten Demonstrierenden handelte. Einige wurden kurzzeitig festgenommen und verhört.

Im Dezember waren nach Angaben des Menschenrechtszentrums Viasna 1.265 Personen aufgrund politisch motivierter Anschuldigungen inhaftiert, und rund 3.000 waren nach vollständiger Verbüßung ihrer Strafe freigelassen worden. Nach Angaben von Viasna wurden 2024 mindestens 55 Personen inhaftiert, nachdem sie aus dem Exil nach Belarus zurückgekehrt waren. Einige wurden im Rahmen von Verwaltungsverfahren bestraft. 17 Personen wurden strafrechtlich verfolgt, unter anderem wegen Spenden an Opfer von Menschenrechtsverletzungen.

Folter und andere Misshandlungen

Folter und andere Misshandlungen waren weiterhin an der Tagesordnung, und die Täter blieben straffrei. Personen, die wegen politisch motivierter Anschuldigungen verurteilt wurden, wurden in der Haft noch härter behandelt und ihre Gefängnisuniformen waren mit gelben Abzeichen gekennzeichnet. Mehreren dieser hochrangigen Gefangenen wurde der Kontakt zur Außenwelt verwehrt. Sie wurden häufig für längere Zeit in Strafzellen untergebracht und erhielten keine angemessene medizinische Versorgung.

Fünf Betroffene politisch motivierter Strafverfolgung starben in Haft. Zwei von ihnen, Vadzim Khrasko und Igor Lednik, hatten Vorerkrankungen, die den Behörden bekannt waren.

Verschwindenlassen

Während des gesamten Jahres gab es keinen Kontakt mit der Außenwelt von Syarhei Tsikhanouski, Ihar Losik, Maksim Znak, Mikalai Statkevich, Viktar Babaryka und anderen inhaftierten hochrangigen Aktivist*innen, Journalist*innen und Politiker*innen sowie keine direkten Informationen über sie. Der UN-Sonderberichterstatterin für Belarus zufolge könnten solche langen Isolationszeiten einem Verschwindenlassen gleichkommen.

Über 600 Tage lang gab es keinen Kontakt zu der inhaftierten Anführerin der Proteste von 2020, Maryia Kalesnikava, bis ihrem Vater im November nach internationalen Druck ein Treffen mit ihr gewährt wurde.

Unfaire Gerichtsverfahren

Die Behörden missbrauchten das Justizsystem weiterhin zur Unterdrückung friedlicher Andersdenkender und nahmen unter anderem politische Gegner*innen, Menschenrechtsverteidiger*innen, Aktivist*innen und Rechtsanwält*innen ins Visier. Prozesse in Abwesenheit waren an der Tagesordnung. Im Juli wurden 20 im Exil lebende politische Analyst*innen und Journalist*innen, die mit der Oppositionsführerin Sviatlana Tsikhanouskaya in Verbindung stehen, wegen Verbrechen gegen den Staat und „Extremismus“ zu Haftstrafen zwischen 10 und 11,5 Jahren verurteilt.

Rechte von LGBTI+-Personen

Im Februar legte der Generalstaatsanwalt dem Parlament einen Gesetzentwurf vor, in dem vorgeschlagen wird, „Propaganda für nicht-traditionelle Familienbeziehungen“, einschließlich „Propaganda für abnormale Beziehungen, Pädophilie und freiwilliger Verzicht auf Kinder“, als Ordnungswidrigkeit einzustufen.

Im April aktualisierte das Kulturministerium die offizielle Definition von Pornografie, indem es „nicht-traditionelle sexuelle Beziehungen und/oder sexuelles Verhalten“ hinzufügte und damit klarstellte, dass dies unter anderem auch einvernehmliche gleichgeschlechtliche und bisexuelle Beziehungen umfasst.

Die LGBTI-Gemeinschaft war weiterhin Schikanen ausgesetzt, einschließlich willkürlicher Verhaftungen. NGOs und Medien berichteten, dass allein im August und September mindestens 30 lesbische, schwule, bisexuelle, trans und intergeschlechtliche Menschen (LGBTI+) festgenommen wurden. Die Verhaftungen erfolgten zumeist wegen angeblichem „geringfügigen Rowdytums“ und des Abonnements von „extremistischem“ Material, aber auch wegen „Herstellung und Verbreitung von pornografischem Material“ (was bei wiederholten Vorfällen als Straftat behandelt wird).

Kinderrechte

Die Menschenrechtsorganisationen ZMINA, Freedom House, BYPOL und Viasna berichteten über 2.219 Fälle, in denen ukrainische Kinder gewaltsam nach Belarus verbracht wurden, wo sie lokalen Bildungseinrichtungen zugewiesen und Indoktrination und Propaganda ausgesetzt wurden.

Rechte von Flüchtlingen und Migrant*innen

Die Behörden drängten weiterhin Flüchtlinge und Migrant*innen über die Grenzen von Belarus zur EU. Nach Angaben der Nichtregierungsorganisation Human Constanta starben in den drei Jahren bis März 2024 mindestens 116 Migrant*innen und Flüchtlinge in den Grenzgebieten zwischen Belarus und der EU infolge widriger Bedingungen und mutmaßlicher gewaltsamer Zwangsrückführungen.

Todesstrafe

Es wurden keine neuen Hinrichtungen verzeichnet. Ein deutscher Staatsangehöriger, Rico Krieger, wurde im Juli wegen mehrerer Straftaten, darunter Spionage und Söldnertätigkeit, zum Tode verurteilt. Er wurde später begnadigt und am 1. August im Rahmen eines zwischen Russland und mehreren westlichen Ländern vereinbarten Gefangenenaustauschs freigelassen.

Recht auf eine gesunde Umwelt

Der Climate Change Performance Index stufte Belarus auf Platz 47 („unter den insgesamt schlecht abschneidenden Ländern”) herab und bewertete das Land als „sehr schlecht in den Kategorien erneuerbare Energien und Klimapolitik”.

17. Juni 2025