Belgien

Königreich Belgien

Berichtszeitraum 1.1.2024 – 31.12.2024
Englischer Originaltext Belgium
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Neue Straftatbestände drohten das Recht auf freie Meinungsäußerung zu untergraben. Waffenlieferungen nach Israel wurden gestoppt, aber die Repressionen gegen pro-palästinensische Demonstranten nahmen zu. Asylsuchende wurden obdachlos und afghanischen Asylsuchenden wurde der Schutz verweigert. Die Haftbedingungen in den Gefängnissen waren nach wie vor katastrophal, obwohl einige Fortschritte bei der Einführung einer Überwachung erzielt wurden. Die Vorkehrungen für die Betreuung von Überlebenden sexualisierte Gewalt wurden verstärkt, und die Politik des Landes in Bezug auf Menschen mit Behinderungen wurde international überprüft. Der Staat wurde zur Zahlung von Reparationen für Verbrechen gegen die Menschlichkeit während der Kolonialzeit verurteilt.

Freiheit der Meinungsäußerung

Im Februar verabschiedete das Parlament ein neues Strafgesetzbuch. Es stellt einige Handlungen unter Strafe, darunter böswillige Angriffe auf die Staatsgewalt, Verherrlichung des Terrorismus und Majestätsbeleidigung (den Tatbestand der Missachtung des Souveräns), die das Recht auf freie Meinungsäußerung untergraben können.

Freiheit der friedlichen Versammlung

Die Gemeinden verlangten weiterhin eine vorherige Genehmigung für öffentliche Versammlungen, was eine unverhältnismäßige Einschränkung des Rechtes auf Protest darstellt. [1]

Im September warnten zivilgesellschaftliche Organisationen vor der zunehmenden Repression gegen pro-palästinensische Demonstranten und wiesen auf die Anwendung von Verwaltungssanktionen gegen friedliche Demonstranten hin, die sich nicht an die rechtswidrigen kommunalen Genehmigungsregelungen hielten. Rund 70 Personen, die an der Besetzung eines Universitätsgebäudes in der Hauptstadt Brüssel teilgenommen oder damit sympathisiert hatten, wurden im Rahmen einer strafrechtlichen Untersuchung wegen Mitgliedschaft in einer Gruppe, die “zu „Rassen“trennung und Rassismus aufruft”, vorgeladen. [2]

Rechte von Flüchtlingen und Migranten

Die Behörden ließen weiterhin Tausende von Asylsuchende obdachlos und mittellos, indem sie ihnen den Zugang zu Unterkünften verweigerten.

Trotz der Schwere der Menschenrechtskrise in Afghanistan verweigert das Büro des Generalkommissars für Flüchtlinge und Staatenlose der Mehrheit der afghanischen Asylsuchenden weiterhin internationalen Schutz. Aus den im Dezember veröffentlichten Statistiken geht hervor, dass nur 39 % der Antragsstellenden Schutz erhalten haben. Die meisten afghanischen Staatsangehörigen, denen kein internationaler Schutz gewährt wurde, konnten nicht nach Afghanistan zurückkehren und waren aufgrund ihres irregulären Aufenthaltsstatus dem Missbrauch schutzlos ausgeliefert.

Sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt

Am 18. April verabschiedete das Parlament ein Gesetz über Betreuungszentren für Überlebende sexualisierter Gewalt, das eine Rechtsgrundlage für solche Zentren schafft, die Finanzierung sichert und die Zusammenarbeit zwischen Krankenhäusern, Polizei und Staatsanwaltschaft gewährleistet.

Gefangenenrechte

Das im Februar verabschiedete neue Strafgesetzbuch sieht vor, dass Freiheitsstrafen nur als letztes Mittel eingesetzt werden dürfen.

Die Überbelegung der baufälligen Gefängnisse hielt an, und der Zugang zu grundlegender Versorgung, darunter medizinischer Versorgung und sanitären Einrichtungen, war unzureichend.

Im April wurde eine föderaler Präventionseinrichtung gegen Folter und andere Misshandlungen geschaffen, der die Ratifizierung des Fakultativprotokolls zum UN-Übereinkommen gegen Folter einen Schritt näherbringt.

Rechte von Menschen mit Behinderungen

Im September empfahl der Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen Belgien unter anderem, eine wirksame Strategie zur Deinstitutionalisierung zu entwickeln und umzusetzen, sicherzustellen, dass die Mobilitätspolitik den besonderen Bedürfnissen von Menschen mit Behinderungen, einschließlich älterer Menschen, gerecht wird, und zu gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen über ein ausreichendes Einkommen verfügen, um ein Leben in Würde führen zu können.[3]

Unverantwortliche Waffentransfers

Im Februar setzte die wallonische Regionalregierung nach einem Offenen Brief durch Organisationen der Zivilgesellschaft die Erteilung von Ausfuhrgenehmigungen für militärisches Material nach Israel aus. Im Dezember berichteten die Medien, dass die wallonische Regionalregierung trotz erheblicher Menschenrechtsbedenken wieder Ausfuhrgenehmigungen für militärisches Material in die Vereinigten Arabischen Emirate erteilt hat.

Sexuelle und reproduktive Rechte

Die politischen Parteien blockierten weiterhin eine Abstimmung im Parlament über einen Vorschlag, der darauf abzielt, den Zugang zu Schwangerschaftssabbrüche zu verbessern und die Gesetze stärker an die WHO-Leitlinien Leitlinie zur Versorgung mit Schwangerschaftsabbrüchen von 2022 anzupassen.

Recht auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung

Am 2. Dezember erkannte das Brüsseler Berufungsgericht die Verantwortung des belgischen Staates für das Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Entführung und systematischen „Rassen“trennung von Métis-Kindern (Kinder mit sowohl afrikanischer als auch europäischer Abstammung) während der belgischen Kolonialherrschaft in der Demokratischen Republik Kongo an. Das Gericht ordnete die Zahlung von Reparationen an die fünf Kläger an.

Recht auf eine gesunde Umwelt

Im Mai ergab eine nicht erschöpfende Bestandsaufnahme der Bundesregierung, dass der Staat im Jahr 2021 15,5 Milliarden Euro für die Förderung fossiler Brennstoffe ausgibt; die tatsächliche Zahl liegt noch höher.

[1] Europe: Under Protected and Over Restricted: The State of The Right to Protest in 21 European Countries,8 July

[2] ONG et syndicats s’inquiètent des mesures répressives qui visent le mouvement propalestinien en Belgique

[3] Belgium: Submission to The UN Committee on The Rights of Persons with Disabilities: 31st Session, 12 August-5 September 2024, 12 July

17. Juni 2025