Brasilien

Föderative Republik Brasilien

Berichtszeitraum 1.1.2024 – 31.12.2024
Englischer Originaltext Brazil
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Die Armut ging zurück, blieb aber für mehr als ein Viertel der Bevölkerung bestehen. Die Kindersterblichkeitsrate sank, von den Todesfällen bei Müttern waren überproportional viele Schwarze Frauen betroffen. Die Todesfälle durch Dengue-Fieber und Tuberkulose nahmen zu. Die Arbeitslosigkeit ging zurück; Zwangsräumungen und Obdachlosigkeit waren weiterhin ein Problem; das Bildungsbudget wurde gekürzt. Die alarmierende Polizeigewalt hielt unter dem Schlagwort “Krieg gegen die Drogen” an. Kinder waren weiterhin dem Risiko eines gewaltsamen Todes ausgesetzt, insbesondere Schwarze Jugendliche. Die Straflosigkeit für Menschenrechtsverletzungen, die von staatlichen Akteur*innen begangen wurden, hielt an. Brasilien blieb eines der gefährlichsten Länder für Landrechtsverteidiger*innen, insbesondere für Indigene und Quilombola-Verteidiger*innen. Die Prozesse wegen der Ermordung verschiedener Menschenrechtsverteidiger*innen liefen noch. Die Abholzung der Wälder und die Waldbrände gingen angesichts der unzureichenden Reaktion der Regierung unvermindert weiter. Von den Überschwemmungen in Rio Grande do Sul waren besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen betroffen. Angriffe auf Indigene und Quilombola-Gemeinschaften waren nach wie vor häufig, was vor allem auf eine ineffiziente Politik der Landabgrenzung zurückzuführen war. Die geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen und lesbische, schwule, bisexuelle, trans und intergeschlechtliche Menschen nahm zu, einschließlich Femizide und geschlechtsspezifische politische Gewalt. Vorgeschlagene Gesetze gefährdeten den Zugang zu Abtreibungen.

Hintergrund

Im Juni hat das Oberste Bundesgericht (STF – Supremo Tribunal Federal) den Besitz von Marihuana für den persönlichen Gebrauch bis zu einer bestimmten Menge entkriminalisiert. Dies war ein wichtiger, wenn auch begrenzter Schritt zur Entkriminalisierung von Drogen und zur Abschwächung der unverhältnismäßigen Auswirkungen des Drogenhandels auf gefährdete Gruppen.

Der Bericht “Gewaltatlas 2024” dokumentiert 46.328 gewaltsame Todesfälle im Jahr 2023, die meisten davon durch Schusswaffen. Von 2012 bis 2023 wurde alle 12 Minuten ein Schwarzer Mensch getötet.

Einem Bericht des Nationalen Menschenrechtsrats aus dem Jahr 2024 zufolge ist die Zahl der Neonazi-Gruppen im Land zwischen 2019 und 2021 um erschütternde 270 Prozent gestiegen.

Die von der Vorgängerregierung abgeschaffte Erinnerungs- und Wahrheitspolitik wurde teilweise wieder aufgenommen, darunter die Sonderkommission für politische Todesfälle und Verschwindenlassen.

Der Staatshaushalt 2024 wies begrenzte Investitionen in bestimmte sozialpolitische Maßnahmen auf, insbesondere in die Maßnahmen des Ministeriums für Rassengleichheit, die auf die Beseitigung rassistischer Ungleichheiten abzielen.

Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte

Die Getúlio-Vargas-Stiftung veröffentlichte im Juni Daten, aus denen hervorging, dass die Armut zwar zurückgegangen ist, aber im Jahr 2023 immer noch 28 Prozent der Bevölkerung von Armut betroffen waren. Die jüngsten Daten der Nationalen Beobachtungsstelle für Ungleichheiten zeigten, dass Schwarze, insbesondere Frauen, im Jahr 2022 deutlich weniger verdienten als Weiße.

Recht auf Gesundheit

Aus den im Jahr 2024 veröffentlichten offiziellen Daten geht hervor, dass im Jahr 2023 3.280 Frauen bei der Geburt starben, 66 Prozent davon waren Schwarze. Die Säuglingssterblichkeit 2023  mit 32.006 Todesfällen, von denen die meisten Schwarze Kinder waren, war auf dem niedrigsten Stand seit 28 Jahren.

Nach Angaben des Gesundheitsministeriums stieg die Zahl der Dengue-Fieber-Fälle im Jahr 2024 auf 6,6 Millionen an, wobei 6.041 Menschen starben, gegenüber 1,6 Millionen Fällen und 1.179 Todesfällen im Jahr 2023. Dasselbe Ministerium meldete, dass 2023 die Sterblichkeitsrate bei Tuberkulose das zweite Jahr in Folge gestiegen war.

Jüngste Studien zeigen, dass die Zahl der Selbstmorde zwischen 2011 und 2022 um 43 Prozent gestiegen ist, obwohl die Zahl der Selbstmorde weltweit um 36 Prozent zurückgegangen ist. Die höchste Selbstmordrate nach Ethnie war bei den Indigenen Völkern mit 16,6 pro 100.000 zu verzeichnen.

Recht auf Wohnung und Arbeit

Das brasilianische Institut für Geografie und Statistik meldete einen Rückgang der Arbeitslosigkeit auf 7 Millionen Arbeitslose und 3,1 Millionen “entmutigte Arbeitnehmer” (Arbeitslose, die die Hoffnung verloren haben, einen Arbeitsplatz zu finden) bis zum dritten Quartal 2024. Das Institut für Forschung über angewandte Wirtschaft berichtete, dass die Beschäftigung 48,3 Millionen informelle Arbeitsplätze umfasst.

Die zivilgesellschaftliche Koalition Zero Eviction (“Despejo Zero” – „Null Räumung“) behauptete, zwischen Oktober 2022 und Juni 2024 habe es 1,5 Millionen Zwangsräumungen gegeben. Hierzu waren keine öffentlichen Daten verfügbar.

Die neuesten Daten aus der einheitlichen Registerdatenbank der Bundesregierung geben die Zahl der Obdachlosen für das Jahr 2024 mit 309.023 an. Das Ministerium für Menschenrechte und Staatsbürgerschaft verfügte erst ab 2023 über aufgeschlüsselte Daten zur Ethnie, 68 Prozent der Obdachlosen waren Schwarze. Es gab 6.268 Fälle von Gewalt gegen diese Bevölkerungsgruppe, meist körperliche Gewalt.

Recht auf Bildung

Das Land stand vor großen Herausforderungen im Bildungsbereich. Im September wurde der Haushalt des Bildungsministeriums für den Rest des Jahres um 1,3 Milliarden BRL (rund 230 Millionen USD, ca. 203 Millionen Euro) gekürzt.

Die Polizeieinsätze hatten erhebliche Auswirkungen auf das Bildungswesen. Redes da Maré, eine in einer Favela in Rio de Janeiro ansässige Organisation, berichtete, dass bis August 38 Polizeieinsätze in der Gegend von Maré stattgefunden hatten, wodurch 34 von 200 Tagen des Schuljahres in diesem Gebiet gestört wurden.

Nach einem Anstieg der Gewalt an Schulen mit 16 Vorfällen im Jahr 2023 und sieben Angriffen bis Oktober 2024 kündigte die Regierung neue Sicherheitsmaßnahmen an und führte im April das System zur Überwachung und Prävention von Gewalt an Schulen ein.

Freiheit der Meinungsäußerung, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit

Die 2024 von der brasilianischen Vereinigung für Investigativen Journalismus veröffentlichten Daten berichten von 330 Angriffen auf Journalist*innen im Jahr 2023, darunter Stigmatisierung, körperliche Angriffe sowie Zivil- und Strafprozesse. Die Mehrheit der Angreifer*innen waren staatliche Akteur*innen, die 55,7 Prozent der Fälle ausmachten.

Exzessive Gewaltanwendung

Die alarmierende Polizeigewalt hielt unter dem Schlagwort “Krieg gegen die Drogen” an. Nach Angaben des brasilianischen Forums für Öffentliche Sicherheit aus dem Jahr 2024 stieg die Zahl der von der Polizei begangenen Tötungsdelikte zwischen 2013 und 2023 um 188,9 Prozent, wobei im Jahr 2023 6.393 Menschen starben. Die meisten Opfer waren Schwarze und Jugendliche, die 82,7 Prozent bzw. 71,7 Prozent der Fälle ausmachten. Rassismus war auch bei der Gewalt gegen die Polizei zu beobachten, wobei 69,7 Prozent der Todesfälle durch tödliche Gewalt auf Schwarze Polizist*innen entfielen.

Dieses Ausmaß an Gewalt beeinträchtigte die psychische Gesundheit der Polizeibeamt*innen. Das brasilianische Forum für Öffentliche Sicherheit berichtete, dass die Selbstmordrate unter Polizeibeamt*innen von 2022 bis 2023 um 26,2 Prozent gestiegen ist und insgesamt 118 Fälle umfasst.

Die Armee war im Bundesstaat Rio de Janeiro weiterhin im Einsatz, wie schon seit 2010. Das Ministerium für Justiz und Öffentliche Sicherheit skizzierte Programme zur Stärkung der externen Kontrolle und Aufsicht über die Polizei.

Rechte der Kinder

Der Kongress diskutierte Vorschläge zur Herabsetzung des Mindestalters für die Strafmündigkeit und zur Verlängerung der Strafdauer für Kinder.

Kürzlich veröffentlichte Daten von UNICEF zeigen, dass zwischen 2021 und 2023 mindestens 15.101 Kinder Opfer eines gewaltsamen Todes wurden. Davon waren 82,9 Prozent Schwarze Kinder und Jugendliche. Das Sterberisiko für Schwarze Jugendliche war im gleichen Zeitraum 4,4-mal höher als das von weißen Jugendlichen. Im Jahr 2023 wurden 900 Kinder und Jugendliche von der Polizei getötet.

Im Bundesstaat Rio de Janeiro wurde die Bewegungsfreiheit Schwarzer Jugendlicher durch die Operation Summer (Sommer) weiter eingeschränkt, die im September begann und bis März 2025 andauern sollte, obwohl sie durch ein Gerichtsurteil ausgesetzt wurde. Die Operation erlaubte es Polizeibeamt*innen, Kinder und Jugendliche in bestimmten Gebieten, ohne klar definierte Kriterien, zu durchsuchen und sie an Sozialdienste zu verweisen.

Im April wurde ein wichtiger Schritt zur Verbesserung des Schutzes der Rechte von Kindern und Jugendlichen unternommen. Eine vom Nationalen Rat für die Rechte von Kindern und Jugendlichen verabschiedete Entschließung verbietet die Unterbringung dieser Gruppe in “therapeutischen Gemeinschaften” (Einrichtungen, die Menschen mit Drogenabhängigkeit aufnehmen). Diese Einrichtungen sind für mehrere Menschenrechtsverletzungen bekannt.

Straffreiheit

Die Rechenschaftspflicht für Menschenrechtsverletzungen, die von staatlichem Akteur*innen begangen wurden, blieb unzureichend. Ein Jahrzehnt, nachdem der 19-jährige Johnatha de Oliveira bei einem Polizeieinsatz in der Favela Manguinhos in Rio de Janeiro erschossen worden war, wurde der Polizeibeamte, der verdächtigt wurde, für seinen Tod verantwortlich zu sein, vor ein Geschworenengericht gestellt. Die Geschworenen entschieden, dass er nicht beabsichtigt hatte, Johnatha zu töten, und der Fall wurde zur Überprüfung durch ein Militärgericht zurückgestuft.1 Das Urteil wurde in der Berufung aufgehoben. Es wurde vereinbart, dass ein neuer Prozess stattfinden würde.

Ein Gericht sprach drei Polizeibeamt*innen vom Vorwurf des Mordes an João Pedro Matos frei, einem 11-jährigen Jungen, der im Mai 2020 während eines Polizeieinsatzes in der Favela Complexo do Salgueiro in Rio de Janeiro in seinem Haus getötet wurde. 2

Im Fall von Davi Fiuza, der 2014 in São Cristóvão, einem Viertel in der Stadt Salvador im Bundesstaat Bahia, gewaltsam verschwunden war, wurden fünf der 17 angeklagten Militärpoliziste*innen wegen Entführung und Verschwindenlassen angeklagt. Im Oktober bestätigte der Oberste Gerichtshof die Zuständigkeit der Geschworenen, obwohl die Angeklagten beantragt hatten, vor ein Militärgericht gestellt zu werden. Der Fall wurde noch nicht verhandelt.

Menschenrechtsverteidiger*innen

Global Witness bezeichnete Brasilien als das zweit gefährlichste Land für Verteidiger*innen von Land- und Territorialrechten im Jahr 2023, insbesondere für Indigene Völker. Trotz eines gesetzlichen Mandats aus dem Jahr 2007 war ein nationaler Plan für Menschenrechtsverteidiger*innen noch immer nicht fertig.

Von 2020 bis Mai 2024 gingen beim Nationalen Ombudsmann für Menschenrechte 2.332 Beschwerden über Verstöße gegen Menschenrechtsverteidiger*innen ein. Das Programm zum Schutz von Menschenrechtsverteidiger*innen war in weniger als der Hälfte (zehn) der Bundesstaaten des Landes tätig. Im Jahr 2024 wurden 1.134 Fälle überwacht, von denen mehr als die Hälfte Indigene und Quilombola-Personen betraf (traditionelle Völker, die Nachkommen von Afrikaner*innen sind, die der Sklaverei entkommen sind). Die meisten Drohungen gingen von Landbesitzer*innen, Unternehmen und Vertreter*innen der öffentlichen Sicherheit aus.

Im Oktober wurden zwei Männer für die Ermordung der Stadträtin und Menschenrechts-verteidigerin Marielle Franco und ihres Fahrers Anderson Gomes im März 2018 verurteilt. Die STF (Supremo Tribunal Federal) akzeptierte die Anklage gegen die Personen, die beschuldigt werden, das Verbrechen in Auftrag gegeben zu haben. Darunter befinden sich ein Kongressabgeordneter und der ehemalige Leiter der Zivilpolizei von Rio de Janeiro, die festgenommen wurden. Der Ethikausschuss des Repräsentantenhauses stimmte für den Entzug des Mandats des beschuldigten Abgeordneten. Medienberichten zufolge leitete die STF im Juni eine Untersuchung wegen Behinderung der Justiz ein, die sich gegen einen ehemaligen Leiter der staatlichen Zivilpolizei von Rio de Janeiro, einen ehemaligen Leiter einer Mordkommission und einen Polizeikommissar richtete, der für die Durchführung von Ermittlungen zu dem Verbrechen zuständig war.

Eine Anklage gegen die mutmaßlichen Täter des Mordes an den Umweltaktivisten Bruno Pereira und Dom Phillips im Jahr 2022 war noch nicht rechtskräftig. Ermittlungen gegen die Verantwortlichen, die ihre Ermordung angeordnet hatten, liefen noch.

Die Morde an dem Quilombola-Führer Flávio Gabriel Pacífico dos Santo (“Binho do Quilombo”) im Jahr 2017 und an seiner Mutter Mãe Bernardete Pacífico im Jahr 2023 wurden aufgeklärt. Die mutmaßlichen Mörder von Binho wurden verhaftet und eine Anklage wegen Mordes an Mãe Bernardete Pacífico wurde vor Gericht eingereicht.

Recht auf eine gesunde Umwelt

Nach Angaben des Nationalen Instituts für Weltraumforschung waren in Brasilien im Jahr 2024 54,5 Prozent der Waldbrände in Südamerika zu verzeichnen, und die Entwaldung im Cerrado und im Amazonasgebiet erreichte eine Fläche von 8 237,9 km², vor allem in ländlichen Gebieten. Bergbauaktivitäten betrafen 66,2 km² und griffen in Schutzgebiete und Indigenes Land ein. Das Umweltministerium war nicht in der Lage, Amnesty International eine Liste der für die Umweltschäden verantwortlichen Bergbauunternehmen vorzulegen.

Die Reaktion der Regierung auf die Waldbrände und die Abholzung der Wälder im Laufe des Jahres verzögerte sich, wobei wichtige Initiativen erst im Juni begannen und sich im September intensivierten.

Im Laufe des Jahres waren 58 Prozent Brasiliens mit der schlimmsten Dürre seit 75 Jahren konfrontiert, wobei ein Drittel der Bevölkerung unter den schweren Bedingungen zu leiden hatte.

Von den Überschwemmungen im Bundesstaat Rio Grande do Sul waren 2,3 Millionen Menschen betroffen, 600.000 wurden vertrieben und in 27 Städten wurde der Notstand ausgerufen. Offiziellen Angaben zufolge gab es 806 Verletzte, 183 Tote und 28 Vermisste infolge des Hochwassers. Besonders betroffen waren gefährdete Bevölkerungsgruppen, darunter 16.691 Indigene Menschen. Bis August meldete die Gesundheitsbehörde des Bundesstaates 788 bestätigte Fälle von Leptospirose und 2.844 Fälle, die noch untersucht werden. Infolge kam es zu 26 Todesfällen sowie 10 Ausbrüchen von akuten Durchfallerkrankungen.

Rechte Indigener Völker

Die im Juli vom Missionary Indigenous Council veröffentlichten Daten zeigen, dass im Jahr 2023 mindestens 208 Indigene Menschen ermordet wurden. Darüber hinaus starben 1.040 Indigene Kinder im Alter von bis zu vier Jahren an meist vermeidbaren Ursachen, und es wurden 180 Selbstmorde gemeldet.

Das Ministerium für Indigene Völker berichtete, dass bis zum zweiten Halbjahr 2024 652 Fälle von Landkonflikten geprüft wurden. Im August kam es vermehrt zu gewaltsamen Übergriffen gegen die Gemeinschaft der Guarani Kaiowá im Bundesstaat Mato Grosso do Sul und die Ava-Guarani im Bundesstaat Paraná. Im September wurde Neri Guarani Kaiowá, ein 23-jähriger Indigener, bei einem Einsatz auf dem Land der Nhanderu Marangatu-Indigenen auf der Barra Farm in der Stadt Antonio João im Bundesstaat Mato Grosso do Sul von Polizeibeamt*innen getötet.

Diese Konflikte waren größtenteils auf die fehlende Abgrenzung von Land zurückzuführen, wobei der Abgrenzungsprozess für 601 Indigene Ländereien abgeschlossen war und für 731 im Jahr 2024 noch ausstand. Das Gesetz 14.701, das Ende 2023 verabschiedet wurde, besagt, dass nur die Ländereien abgegrenzt werden können, die zum Zeitpunkt der Verkündung der Bundesverfassung von 1988 besetzt waren, was die Rechte der Indigenen untergräbt. Trotz früherer Gerichtsurteile, die dies für verfassungswidrig erklärten, wurde von der STF ein Schlichtungsmechanismus zwischen Landwirt*innen, staatlichen Behörden und Indigenen Gruppen eingerichtet. Die Indigenen Völker verließen diese Treffen mit der Begründung, dass ihnen keine sinnvolle Beteiligung gestattet wurde.

Nach Angaben des Ministeriums für Indigene Völker war im Jahr 2024 für 537.941 Indigene Menschen die Ernährung nicht gesichert, eine der negativen Auswirkungen der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen durch Nicht-Indigene.

Quilombolas

Quilombolas litten weiterhin unter Gewalt und fehlendem staatlichen Schutz. Laut einem aktuellen Bericht der National Coordination of the Articulation of Black Rural Quilombola Communities  (CONAQ – Nationale Koordinierung der Vernetzung Schwarzer ländlicher Quilombola-Gemeinschaften) und der NGO Terra de Direitos (Land der Rechte) wurden zwischen 2018 und 2022 mindestens 32 Quilombola in elf Bundesstaaten getötet, wobei die Hauptursachen Landkonflikte und geschlechtsspezifische Gewalt waren. Nach Angaben des Ministeriums für Rassengleichheit kam es im Januar und Februar in 126 Quilombola-Gemeinden zu Konflikten. Die Palmares Cultural Foundation berichtete, dass das Land von 3.051 Quilombola-Gemeinden zertifiziert worden sei, wobei 262 im Jahr 2024 noch in Bearbeitung seien. Nach Angaben des brasilianischen Instituts für Geografie und Statistik lebten nur 12,6 Prozent der Gesamtbevölkerung der Quilombola in offiziell abgegrenzten Gebieten (eine Anerkennungsstufe vor der Titulierung) und 4,3 Prozent in Gebieten mit Landtitel.

Rassismus war weit verbreitet, was sich darin zeigte, dass das Ministerium für Menschenrechte einen Anstieg der Menschenrechtsverletzungen gegen afro-brasilianische Religionsgemeinschaften um 80 Prozent meldete. In der ersten Hälfte des Jahres 2024 wurden vom Ministerium für Rassengleichheit 342 Verstöße dokumentiert.

Sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt

Daten des brasilianischen Amts für öffentliche Sicherheit zeigen eine Zunahme der Gewalt gegen Frauen. Aus einem im Juli veröffentlichten Bericht geht hervor, dass im Jahr 2023 in Brasilien 1.467 Femizide registriert wurden, was einem Anstieg von 0,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. 63 Prozent davon betrafen Schwarze Frauen und 64 Prozent fanden zu Hause statt. Es gab 258.941 Berichte über körperliche Angriffe, was einem Anstieg von 9,8 Prozent entspricht. Die Zahl der Fälle von psychischer Gewalt, Drohungen und Stalking stieg auf 894.511 an. Insgesamt wurden 540.255 Notfallschutzmaßnahmen gewährt, 26,7 Prozent mehr als im Vorjahr. Auch die sexuelle Gewalt hat zugenommen: 83.988 Vergewaltigungen, ein Anstieg von 6,5 Prozent, davon 88 Prozent gegen Frauen und Mädchen, 52 Prozent gegen Schwarze und 76 Prozent gegen Kinder unter 13 Jahren. Trotz dieser Zahlen ergab die National Gender Violence Map, dass 61 Prozent der Vorfälle nicht gemeldet werden.

Lesbische, schwule, bisexuelle, trans und intergeschlechtliche Menschen waren schweren Bedrohungen ausgesetzt, und im vergangenen Jahr wurden der Menschenrechtshotline 7.673 Menschenrechtsverletzungen gemeldet. In einem 2024 veröffentlichten Bericht berichtete die Menschenrechtsgruppe Grupo Gay da Bahia von 257 gewaltsamen Todesfällen im Jahr 2023, von denen hauptsächlich junge Schwarze Transgender-Personen betroffen waren. Mindestens 5.537 lesbische, schwule, bisexuelle, trans und intergeschlechtliche Menschen wurden zwischen 2000 und 2023 gewaltsam getötet. Transgender Europe bestätigte in einem 2024 veröffentlichten Bericht, dass Brasilien zwischen Oktober 2022 und September 2023 weltweit die meisten Morde an Transgendern zu verzeichnen hatte.

In einem Jahr, in dem im ganzen Land Bürgermeister und Stadträte gewählt wurden, war geschlechtsspezifische politische Gewalt weiterhin ein Problem. Offizielle Daten zeigen 455 gemeldete Übergriffe. Die Bundesstaatsanwaltschaft beobachtete in den Jahren 2023 und 2024 aktiv 91 Fälle von geschlechtsspezifischer politischer Gewalt.

Sexuelle und reproduktive Rechte

Der Gesetzentwurf 1904/24 bedrohte die Rechte von Personen, die eine Abtreibung vornehmen lassen. Er schlug vor, Abtreibungen nach der 22. Schwangerschaftswoche als Mord zu betrachten und das Strafmaß für alle Beteiligten auf 20 Jahre Haft zu erhöhen, selbst bei Schwangerschaften, die auf eine Vergewaltigung zurückzuführen sind. Dieser Gesetzentwurf und andere ähnliche Vorschläge wurden im Parlament noch diskutiert. Das Frauenministerium berichtete, dass das Abtreibungsverbot Frauen, die in Armut leben, in unverhältnismäßiger Weise betrifft.

“10 years of fighting for justice for Johnatha”, 6 March (Portuguese only) 

“João Pedro case: There is no self-defence when an unarmed child is killed inside their home by police action”, 10 July (Portuguese only) 

17. Juni 2025