Burkina Faso
Berichtszeitraum | 1.1.2024 – 31.12.2024 |
Englischer Originaltext | Burkina Faso |
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Burkina Faso
Es gab willkürliche Verhaftungen von Personen, denen die Verschwörung gegen den Staat vorgeworfen wurde. Aktivist*innen, Journalist*innen und Richter*innen wurden Opfer des Verschwindenlassens. Der anhaltende bewaffnete Konflikt führte zu Hunderten von Toten unter der Zivilbevölkerung und zur Blockade mehrerer Städte. Medienorganisationen wurden vorübergehend geschlossen. Die Regierung plante, einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Beziehungen im Rahmen des geänderten Personenstands– und Familiengesetzes zu kriminalisieren.
Hintergrund
Im Januar gab Burkina Faso in einer gemeinsamen Erklärung mit Mali und Niger seine Absicht bekannt, aus der ECOWAS auszutreten. Im Juli wurde eine Konföderation der Sahel-Staaten angekündigt, in der diese drei Länder zusammengeschlossen würden.
Im Mai wurde der politische Übergang, der im Januar 2022 begann und im Juli enden sollte, um weitere fünf Jahre verlängert.
Der Konflikt zwischen den Regierungstruppen und den bewaffneten Gruppen, der Gruppe zur Unterstützung des Islam und der Muslime (GSIM) und des Islamischen Staates in der Sahelzone, wütete weiter. Die burkinischen Behörden gaben an, im August 69 % des Landes zurückerobert zu haben.
Im Mai gab es aufgrund des Konflikts mehr als 2 Millionen Binnenflüchtlinge. Im November fror die Regierung das Vermögen von mehr als 100 Personen ein, darunter im Exil lebender Oppositioneller und Kritiker, die sie der Beteiligung am Terrorismus beschuldigte.
Willkürliche Inhaftierungen
Im Januar wurde Evrard Somda, ehemaliger Oberbefehlshaber der Nationalen Gendarmerie, der Beteiligung an einem Putschversuch beschuldigt und verhaftet. Er blieb bis Ende des Jahres in Isolationshaft.
Der Rechtsanwalt Guy-Hervé Kam wurde ebenfalls im Januar wegen des Vorwurfs der Beteiligung an einem Putschversuch verhaftet und in Isolationshaft gehalten. Mehrere gerichtliche Anordnungen, zu seiner Freilassung wurden nicht umgesetzt. Als er schließlich am 29. Mai freigelassen wurde, wurde er von den staatlichen Sicherheitskräften erneut verhaftet und einem Militärrichter vorgeführt, der ihn der Verschwörung gegen die Staatssicherheit beschuldigte und ihn in Untersuchungshaft nahm. Am 10. Juli wurde er freigelassen und unter gerichtliche Kontrolle gestellt. Im August wurde er nach einer weiteren Vorladung vor ein Militärgericht erneut festgenommen und inhaftiert.
Emmanuel Zoungrana, ein ehemaliger Militärkommandant, der im Januar 2022 der „Verschwörung gegen die Staatssicherheit“ beschuldigt worden war, wurde im Mai erneut verhaftet, obwohl ein Gericht seine vorläufige Freilassung angeordnet hatte.[1]
Verschwindenlassen
Im Februar ließ man Bassirou Badjo und Rasmane Zinaba, zwei Mitglieder der Bürgerbewegung Balai Citoyen, verschwinden, bevor sie zwangsweise an die Front eingezogen wurden, obwohl ein Gerichtsurteil vom November 2023 die Aussetzung ihrer Einberufung gefordert hatte.
Im Juni wurden Atiana Serge Oulon, Herausgeber der zweiwöchentlich erscheinenden investigativen Zeitung L’Évènement, sowie der Journalist Alain Traoré und die Fernsehmoderatoren Kalifara Séré und Adama Bayala verhaftet und verschwinden gelassen, angeblich von Sicherheitsdiensten. Im Oktober gab die Regierung bekannt, dass Atiana Serge Oulon, Kalifara Séré und Adama Bayala zum Militärdienst eingezogen worden waren, machte jedoch keine Angaben zum Verbleib von Alain Traoré.
Im Juni wurde der ehemalige Militärkommandant Yves Didier Bamouni von Unbekannten entführt. Sein Aufenthaltsort wurde bis zum Jahresende nicht bekannt gegeben.
Im August wurden sieben Richter verhaftet und verschwinden gelassen, nachdem sie von den Behörden einen Einberufungsbefehl erhalten hatten, um an der Front eingesetzt zu werden. Wenige Tage vor ihrer Verhaftung entschied ein Gericht in Bobo-Dioulasso, dass einige der Einberufungsbefehle rechtswidrig waren und eine Verletzung ihrer Menschenrechte darstellten. Einige der einberufenen Richter hatten gegen angebliche Straftaten von Anhängern der Behörden ermittelt.
Rechtswidrige Angriffe und Tötungen
Übergriffe durch bewaffnete Gruppen
Am 25. Februar griff eine bewaffnete Gruppe eine katholische Kirche in Essakane in der Sahelzone an und tötete 15 Gläubige, wie Medien und lokale Quellen berichteten. Am selben Tag griff eine bewaffnete Gruppe eine Moschee in Natiaboani in der Region Est an und tötete mindestens 14 Gläubige.
Im August wurden Berichten zufolge rund 200 Menschen, darunter auch Zivilist*innen, von der GSIM in Barsalogho beim Ausheben von Gräben getötet.
Am 25. August griff die GSIM eine Kirche in Kounla in der Region Boucle du Mouhoun an und tötete 26 Zivilist*innen.
Übergriffe der Regierungstruppen
Im Februar tötete das burkinische Militär nach Angaben von Human Rights Watch bei einer Operation in den Dörfern Soro und Nodin unrechtmäßig mindestens 223 Zivilist*innen, darunter mindestens 56 Kinder. Das Oberste Gericht von Ouahigouya kündigte eine Untersuchung der Tötungen an.
Im Mai berichtete die französische Zeitung Libération, dass Militärangehörige in Marmiga und mehreren Dörfern in der Nähe von Mansila während einer Versorgungsaktion für belagerte Städte im Osten Hunderte von Zivilist*innen getötet hatten.
Informationsfreiheit
Im April sperrte der Oberste Kommunikationsrat (CSC) die Sender TV5 Monde, BBC und Voice of America sowie den Zugang zu den Websites von neun internationalen Medienorganisationen für zwei Wochen als Vergeltung für deren Berichterstattung über die Massaker von Nodin und Soro.
Im Juni setzte die CSC alle Ausgaben der burkinischen Nachrichtenorganisation L’Évènement für einen Monat aus und prangerte „Verstöße gegen das Gesetz und die journalistische Ethik“ an. Diese hatte einen Artikel veröffentlicht, in dem die Veruntreuung von Geldern für die Freiwilligen zur Verteidigung des Vaterlandes, eine Hilfstruppe der Armee, angeprangert wurde. Die Entscheidung wurde am 12. Juli von einem Verwaltungsgericht aufgehoben. Im August kündigte L’Évènement die Einstellung ihrer Aktivitäten an.
TV5 Monde wurde im Juni nach einem Interview mit Newton Ahmed Barry, einer im Exil lebenden Persönlichkeit des öffentlichen Lebens und Kritiker des Militärregimes, von der CSC erneut für sechs Monate gesperrt.
Im Dezember wurde die Tageszeitung L’Observateur Paalga von der CSC vorgeladen, nachdem sie einen Artikel über die malische Armee veröffentlicht hatte.
Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte
Die anhaltende Belagerung mehrerer Städte und Ortschaften durch bewaffnete Gruppen beeinträchtigte weiterhin den Zugang der Bevölkerung zu landwirtschaftlichen Flächen, was zu einem Anstieg der Lebenshaltungskosten und zur Zwangsumsiedlung von Zivilisten führte. Bis November hatte der von der OCHA geleitete Plan für humanitäre Hilfe nur 40 % der von der Regierung und den Gebern zugesagten Mittel erhalten, u. a. für Gesundheitsversorgung, Bildung und Unterkünfte.
Recht auf Bildung
Nach Angaben des Bildungsministeriums mussten aufgrund des Konflikts bis März 5.319 Schulen geschlossen werden, wovon 818.149 Schulkinder betroffen waren. Nach Angaben von UNICEF wurden jedoch im Laufe des Jahres 1.304 Schulen wiedereröffnet und 440.945 binnenvertriebene Kinder eingeschult.
Frauen– und Mädchenrechte
Im Vorentwurf des neuen Personen- und Familiengesetzes wurde das gesetzliche Heiratsalter von Männern und Frauen im Einklang mit dem internationalen Recht auf 18 Jahre angehoben. Der Entwurf des Gesetzes sieht vor, dass das Mindestalter mit richterlicher Genehmigung auf 16 Jahre herabgesetzt werden kann, was dem UN-Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) und dem Übereinkommen über die Rechte des Kindes – die beide von Burkina Faso ratifiziert wurden – zuwiderläuft und Kinderehen begünstigen könnte. Der Entwurf des Gesetzes, der dem Parlament im Juli übermittelt wurde, muss noch abgestimmt und in Kraft gesetzt werden.
Rechte von LGBTI+
Der Entwurf des Personenstands- und Familiengesetzes würde einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Beziehungen sowie diejenigen, die sie verteidigen oder fördern, kriminalisieren, falls er verabschiedet wird.
Todesstrafe
Im November kündigte die Regierung ihre Absicht an, die Todesstrafe wieder einzuführen.
[1] “Burkina Faso: Authorities must immediately release Guy Hervé Kam and Lt-Colonel Zoungrana”, 31 May