Burundi
Berichtszeitraum | 1.1.2024 – 31.12.2024 |
Englischer Originaltext | Burundi |
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Republik Burundi
Journalist*innen und andere, die sich gegen Vertreter der Staatsgewalt äußerten, wurden willkürlich festgenommen, inhaftiert und tätlich angegriffen. Bestimmte Straftatbestände für Medien wurden entkriminalisiert. Die Regierung mischte sich weiterhin in die internen Angelegenheiten der politischen Opposition ein. Die Verhaftungen und das Verschwindenlassen von Oppositionellen hielten an. Die medizinische Versorgung der Inhaftierten war unzureichend. Das Mandat der Wahrheits- und Versöhnungskommission wurde auf Landstreitigkeiten ausgeweitet. Die Diskriminierung von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans– und intergeschlechtlichen Menschen (LGBTI+) und unverheirateten Frauen hielt an. Die Krise der Lebenshaltungskosten verschärfte sich durch steigende Kraftstoff- und Lebensmittelpreise. Aufgrund klimabedingter extremer Witterungsbedingungen wurden mehr als 86.000 Menschen innerhalb des Landes vertrieben, und mehr als 289.500 Burundier befanden sich als Flüchtlinge in den Nachbarländern.
Hintergrund
Im Vorfeld der Parlaments- und Kommunalwahlen im Jahr 2025 wurde im Juni ein neues Wahlgesetz verabschiedet, mit dem die Kautionen, die Kandidat*innen für ihre Kandidatur zahlen müssen, deutlich erhöht wurden.
Im September fand die erste nationale Volkszählung seit 2008 statt, bei der Daten zu Bevölkerung, Wohnen, Landwirtschaft und Viehbestand erhoben wurden.
Die Spannungen mit Ruanda hielten an. Im Januar schloss Burundi die Grenze zu Ruanda als Reaktion auf Angriffe der bewaffneten Gruppe „Widerstand für die Rechtsstaatlichkeit in Burundi“ (RED-Tabara), die von der UN-Expertengruppe für die Demokratische Republik Kongo beschuldigt wurde, Ruanda zu unterstützen. Die burundischen Streitkräfte setzten ihren Einsatz in der östlichen Region der Demokratischen Republik Kongo (DRK) im Rahmen eines im Februar zwischen Burundi und der DRK unterzeichneten bilateralen Abkommens fort, nachdem die Regionaltruppe der Ostafrikanischen Gemeinschaft im Dezember 2023 abgezogen worden war.
Im Juni empfahl der Unterausschuss für Akkreditierung der Globalen Allianz der nationalen Menschenrechtsinstitutionen, die Nationale Unabhängige Menschenrechtskommission Burundis wegen mangelnder Unabhängigkeit und Wirksamkeit herabzustufen. Im Oktober erneuerte der UN-Menschenrechtsrat das Mandat des Sonderberichterstatters für Burundi.
Recht auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit
Am 13. Februar bestätigte die Kassationskammer des Obersten Gerichtshofs die Verurteilung der Journalistin Floriane Irangabiye, die auf ihrer Kritik an der Regierung beruhte. Am 14. August wurde sie vom Präsidenten begnadigt. Sie wurde am 16. August freigelassen.[1]
Die Journalistin Sandra Muhoza wurde am 12. April verhaftet und später wegen „Gefährdung der inneren Staatssicherheit“ und „ethnischer Abneigung“ angeklagt, weil sie sich in einer WhatsApp-Gruppe geäußert hatte.[2] Ihr für den 5. September anberaumter Prozess wurde verschoben, weil angeblich kein Treibstoff für den Transport der Gefangenen zum Gericht vorhanden war. In einer Anhörung am 12. November beantragte die Staatsanwaltschaft eine 12-jährige Haftstrafe. Am 16. Dezember wurde sie zu einer Haftstrafe von 21 Monaten verurteilt.
Mehrere Journalist*innen, die für die Zeitung Iwacu (eines der letzten verbliebenen unabhängigen Medienhäuser) und andere private Medienorganisationen arbeiten, waren körperlichen Angriffen, Verhaftungen und Inhaftierungen ausgesetzt. Am 6. Juni erhielt Iwacu eine Verwarnung vom Nationalen Kommunikationsrat, einer offiziellen Einrichtung, wegen „schwerwiegenden beruflichen Fehlverhaltens“. Darin wurden mehrere von Iwacu veröffentlichte Artikel angeführt, ohne dass spezifische Bedenken geäußert wurden. In der Nacht des 25. Juni warfen Unbekannte mehrere Stunden lang Steine auf das Gelände von Iwacus Büro in Bujumbura.[3]
Das Mediengesetz wurde zum vierten Mal seit 2013 überarbeitet, wobei eine teilweise Entkriminalisierung von Pressedelikten eingeführt wurde. Nach dem neuen Gesetz, das der Präsident im Juli verkündete, wurde die Strafe für jede*n, die*der Informationen veröffentlicht oder sendet, die die Straftatbestände „Beleidigung“, „schädliche Unterstellung“, „Verachtung“, „Verbreitung falscher Nachrichten“, „öffentliche Empörung gegen die guten Sitten“, „verleumderische Denunziation“, „Verletzung der Privatsphäre“, „Angriff auf die Unschuldsvermutung“ und „Enthüllung der Identität eines Opfers sexueller Gewalt“ erfüllen, auf eine Geldstrafe anstelle einer Haftstrafe reduziert.
Die Regierung mischte sich weiterhin in die internen Angelegenheiten der Oppositionspartei Nationaler Kongress für Freiheit (Congrès national pour la liberté, CNL) ein. Im März verweigerte der Innenminister dem CNL-Vorsitzenden Agathon Rwasa die Genehmigung zur Abhaltung eines außerordentlichen Kongresses. Im selben Monat erkannte der Minister den Bericht und die Ergebnisse eines außerordentlichen Kongresses von CNL-Mitgliedern, die gegen Agathon Rwasa opponierten, förmlich und schnell an. Auf diesem Kongress wurde Agathon Rwasa als Parteivorsitzender abgelöst. Der Nachfolger von Agathon Rwasa, Nestor Girukwishaka, galt als der Regierungspartei Nationaler Rat für die Verteidigung der Demokratie – Kräfte für die Verteidigung der Demokratie (Conseil national pour la défense de la démocratie – Forces de défense de la démocratie, CNDD-FDD) nahestehend.
Willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen
Es wurde regelmäßig über Verhaftungen von Mitgliedern der Oppositionsparteien berichtet, darunter Mitglieder der Bewegung für Solidarität und Demokratie, der Front für Demokratie in Burundi und der CNL. Im März wurden Mitglieder der CNL , die Agathon Rwasa die Treue hielten, auf dem Weg zum und außerhalb des Kongresses, auf dem er abgelöst wurde, verhaftet (siehe oben).
Die Gewerkschafterin Émilienne Sibomana wurde am 21. November aus dem Gefängnis entlassen, mehr als vier Monate nachdem sie am 28. Juni vom Berufungsgericht in Gitega vom Vorwurf der „verleumderischen Denunziation“ freigesprochen worden war. Sie war im Januar 2023 verhaftet worden, einen Tag nachdem sie einen Schuldirektor während einer öffentlichen Sitzung, bei der der Bildungsminister anwesend war, des sexuellen Missbrauchs beschuldigt hatte.
Verschwindenlassen von Personen
Das Forum für Bewusstsein und Entwicklung, eine burundische NGO, dokumentierte zwischen Januar und Juni 34 Fälle von Verschwindenlassen, hauptsächlich von Mitgliedern politischer Oppositionsparteien. Bis Ende Juni gab es keine Neuigkeiten über das Schicksal oder den Verbleib von 24 von ihnen.
Unmenschliche Haftbedingungen
Den Gefangenen wurde der Zugang zu angemessener medizinischer Versorgung und Familienbesuchen verwehrt. Die Gefängnisse waren chronisch überbelegt.
Christophe Sahabo, der im April 2022 im Streit um die Leitung des Kira-Krankenhauses verhaftet wurde, befand sich weiterhin in Haft, wobei sich sein Gerichtsverfahren erheblich verzögerte. Während einer Anhörung vor dem Obersten Gericht von Muha in Bujumbura am 10. September übergab er sich und brach zusammen, woraufhin er in ein Krankenhaus gebracht wurde, wo er untersucht und behandelt wurde. Trotz der Empfehlung, ihn mehrere Tage lang unter ärztlicher Beobachtung zu halten, wurde er am 12. September in das 160 km vom Krankenhaus entfernte Ruyigi-Gefängnis zurückverlegt. Seinen Familienangehörigen wurde am 14. September der Zugang zu ihm im Gefängnis verweigert. Zwei unabhängige Ärzte überprüften die medizinischen Aufzeichnungen und Testergebnisse von Christophe Sahabo und bestätigten, dass sein Zustand potenziell lebensbedrohlich sei und dringend medizinische Hilfe benötige .[4]
Recht auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung
Im Mai wurde das Mandat der Wahrheits- und Versöhnungskommission (Commision Vérité et Réconciliation, CVR) um weitere vier Jahre verlängert. Im Rahmen einer erheblichen Ausweitung ihres Aufgabenbereichs übernahm sie die Verantwortung für Fälle, die von der Nationalen Kommission für Land und andere Besitztümer (Commission nationale des terres et autres biens, CNTB) ungelöst blieben, als deren Mandat 2022 endete, sowie für neue Fälle von Landstreitigkeiten. Zwischen 2006 und 2022 war die CNTB mit der Lösung von Landstreitigkeiten im Zusammenhang mit zurückkehrenden Geflüchteten und Binnenvertriebenen beauftragt, die während vergangener Gewaltperioden geflohen waren. Das CVR-Gesetz sieht vor, dass gegen seine Entscheidungen kein Rechtsmittel eingelegt werden kann.
Diskriminierung
Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidigung haben im Fall von 24 Personen, die im Februar 2023 in der Hauptstadt Gitega bei einem Workshop zur wirtschaftlichen Eingliederung festgenommen wurden, Berufung eingelegt. Sie und zwei weitere Personen, die später zu dem Fall hinzukamen, waren wegen „Homosexualität“ und „Anstiftung zur Ausschweifung“ angeklagt worden. Im Januar sprach das Berufungsgericht von Gitega alle 26 Angeklagten vom Vorwurf der „Homosexualität“ frei. Fünf Personen wurden der „Anstiftung zur Ausschweifung“ für schuldig befunden und zu einem Jahr Gefängnis und einer Geldstrafe verurteilt. Sie wurden im Februar freigelassen.
Hochrangige Beamte verwendeten weiterhin gewalttätige und hetzerische Rhetorik gegen lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen (LGBTI+). Während einer Rede zum Internationalen Frauentag im März erklärte Präsident Ndayishimiye in Kirundi: „Ich habe es gesagt und ich wiederhole es: Homosexuelle sollten öffentlich gesteinigt werden.“
In mehreren Provinzen führten Beamte eine Kampagne gegen das „Konkubinat“ durch (das Zusammenleben einer verheirateten Person mit einer Person, die nicht ihr Ehepartner ist, was nach burundischem Recht illegal ist). In der Folge wurden zwischen Januar und Juni in der Provinz Ngozi 900 Frauen und 3 600 Kinder aus ihren Häusern vertrieben. Ebenfalls in der Provinz Ngozi setzte der Gouverneur 1.300 nicht im Standesamt registrierten Paaren eine Frist bis zum 30. Juni, um ihre Ehen zu legalisieren.
Wirtschaftliche und soziale Rechte
Die angespannte wirtschaftliche Lage Burundis verschlechterte sich, und die Regierung versäumte wirksam zu reagieren. Hohe Inflationsraten und eine Knappheit an harter Währung trugen zu einer schweren Treibstoffknappheit bei, so dass Pendler Mühe hatten, zur Arbeit zu kommen. Die Lebensmittelpreise stiegen steil an – der Preis für Zucker zum Beispiel stieg Mitte September um 150 %. Im Juli lag der Preis für Kartoffeln 45 % über dem Fünfjahresdurchschnitt.
Wie in früheren Wahlzyklen gab es ab August zahlreiche Berichte darüber, dass Einzelpersonen und Unternehmen gezwungen wurden, Beiträge an die Regierungspartei CNDD-FDD zu zahlen, und dass denjenigen, die sich weigerten, der Zugang zu Dienstleistungen verweigert wurde.
Recht auf eine gesunde Umwelt
Im Dezember waren noch 86.159 Menschen auf der Flucht, 93 % von ihnen aufgrund von extremen Wetterereignissen, die zum Teil auf den Klimawandel zurückzuführen sind. Dazu zählten sintflutartige Regenfälle, Erdrutsche und Überschwemmungen von Flüssen und des Tanganjikasees, von denen insgesamt mindestens 298 000 Menschen betroffen waren. Im Rahmen der World Weather Attribution-Initiative wurde Burundi aufgefordert, seine bestehenden Maßnahmen zur Katastrophenvorsorge und Frühwarnsysteme zu verbessern, um die Auswirkungen solcher Ereignisse zu verringern. Mit Unterstützung des UNDP startete die Regierung im September ein mit 10 Mio. USD dotiertes Projekt zur Verbesserung der Klimaresilienz in einigen der am stärksten betroffenen Gebiete in und um Bujumbura.
Rechte von Geflüchteten und Migrant*innen
Am 31. Dezember lebten 289.621 burundische Geflüchtete in den Nachbarländern; 20.081 Geflüchtete kehrten 2024 aus Ländern der Region, vor allem aus Tansania, nach Burundi zurück. Die Rückkehrer*innen machten 7 % der Binnengeflüchteten in Burundi aus. In den Grenzprovinzen Kirundo und Cankuzo stieg dieser Anteil auf 35 % bzw. 21 %.
Die Behörden Tansanias vermittelten gemischte Botschaften über die Zukunft der burundischen Geflüchteten im Lande. Im März hielt der tansanische Regionalkommissar für Kigoma eine Massenversammlung mit Geflüchteten ab und forderte die burundischen Geflüchteten erneut auf, sich freiwillig für die Rückführung registrieren zu lassen. Er fügte hinzu, dass der Flüchtlingsstatus im Januar 2025 aufgehoben und das Lager Nduta zum 31. Dezember 2024 geschlossen würde. Das Innenministerium Tansanias versicherte daraufhin dem UNHCR, dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, dass die dortigen Lager geöffnet bleiben und niemand zur Rückkehr gezwungen wird.
[1] Burundi: Rhetoric versus reality: Repression of civil society continues under President Ndayishimiye’s government
[2] Burundi: At a critical juncture for Burundi, the Special Rapporteur’s mandate remains vital
[3] Burundi: End intimidation of media as 2025 elections approach
[4] Burundi: Jailed doctor needs urgent medical care: Dr Christophe Sahabo