Côte d’Ivoire
Berichtszeitraum | 1.1.2024 – 31.12.2024 |
Englischer Originaltext | Côte d’Ivoire |
Weitere Online-Dokumente von Amnesty International Deutschland | Côte d’Ivoire |
Republik Côte d´Ivoire
Die Rechte auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung wurden in Gesetz und Praxis beschnitten. Eine neue Verordnung bedrohte das Recht auf Vereinigungsfreiheit und untergrub die Möglichkeiten für Organisationen der Zivilgesellschaft. Durch ein Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuchs wurden die Strafen für Folter verschärft. Tausende von Familien waren von Zwangsräumungen in Abidjan betroffen. Gesetzliche Bestimmungen verstießen gegen die Rechte der Frauen. Der anhaltende Einsatz von Kinderarbeit gab Anlass zur Sorge. Die Regierung erhielt ein Darlehen des Internationalen Währungsfonds zur Vorbereitung der Energiewende.
Hintergrund
Im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen 2025 nahmen die politischen Spannungen zu. Im August wurde Kando Soumahoro, ein Führer der Bewegung „Solidarität der Generationen und Völker“ (GPS), zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt, von der ein Jahr zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Verurteilung stand im Zusammenhang mit seiner Mitgliedschaft in der GPS, die von dem im Exil lebenden ehemaligen Premierminister Guillaume Soro gegründet und 2021 aufgelöst worden war.
Starke Regenfälle im Juni führten zu Überschwemmungen und Erdrutschen. Nach Angaben des Nationalen Amts für Katastrophenschutz starben in Abidjan mindestens 24 Menschen.
Im August waren über 56.000 Asylbewerber*innen registriert, die vor dem Konflikt in Burkina Faso geflohen waren.
Recht auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung
Die gesetzlichen Bestimmungen verstießen weiterhin gegen internationale Menschenrechtsstandards, indem sie Gefängnisstrafen für Handlungen verhängten, die eigentlich entkriminalisiert werden sollten. Artikel 183 des Strafgesetzbuchs sah „eine ein- bis dreijährige Haftstrafe“ für die Veröffentlichung, Verbreitung, Weitergabe oder Wiedergabe von „gefälschten Nachrichten jeglicher Art … vor, wenn dies zu einem Verstoß gegen die Gesetze, zu einer Schädigung der öffentlichen Moral oder zu einer Beeinträchtigung des Ansehens der Institutionen oder ihrer Tätigkeit führt oder führen könnte“. Die Artikel 197 bis 199 sehen eine Gefängnisstrafe für jeden vor, der an einer nicht angemeldeten Demonstration teilnimmt oder eine solche organisiert.
Im September ging die Polizei gewaltsam gegen eine zuvor von den Behörden verbotene Demonstration in Abidjan vor und verhaftete etwa 20 Personen. Die Bewegung „Acting for the People“ (Handeln für das Volk) hatte den Protest gegen die hohen Lebenshaltungskosten und Zwangsräumungen organisiert.
Vereinigungsfreiheit
Am 12. Juni verabschiedete die Regierung eine Verordnung zur Regelung der Aktivitäten zivilgesellschaftlicher Organisationen mit dem erklärten Ziel, sicherzustellen, dass diese die Anforderungen zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität erfüllen. Die Organisationen waren verpflichtet, jährlich Tätigkeitsberichte und auf Anfrage Berichte über laufende Projekte vorzulegen. Die Verordnung erlaubte es den Behörden auch, eine Organisation per Dekret aufzulösen, ohne dass ein Rechtsmittel dagegen eingelegt werden konnte. Das Gesetz wurde von einigen ivorischen NGOs verurteilt, die befürchteten, dass die Behörden das Gesetz nutzen würden, um sich in ihre Finanzen einzumischen und ihre Aktivitäten zu kontrollieren.
Folter und andere Misshandlungen
In seinen abschließenden Beobachtungen, die im August veröffentlicht wurden, begrüßte der UN-Ausschuss gegen Folter die Verabschiedung des Gesetzes Nr. 2024-358 vom 11. Juni 2024 des Strafgesetzbuches. Es verschärft die Strafen für Folterhandlungen, die von Amtsträger*innen oder Personen begangen werden, die auf deren Veranlassung oder mit deren Zustimmung handeln. Der Ausschuss war jedoch besorgt über eine Bestimmung der Strafprozessordnung, die Richter*innen die Möglichkeit geben könnte, durch Zwang oder Folter erlangte Beweise zuzulassen.
Recht auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung
Im März erklärte der Staatsrat, dass er nicht zuständig sei, über einen Antrag von Menschenrechtsorganisationen aus dem Jahr 2019 zu entscheiden, die die Aufhebung eines Amnestiegesetzes aus dem Jahr 2018 forderten. Das Gesetz kam Hunderten von Personen zugute, die wegen Straftaten während der Gewalt nach den Wahlen 2011 angeklagt oder verurteilt worden waren.
Zwangsräumungen
Im Januar wurden in Abidjan groß angelegte Abrissaktionen in überschwemmungsgefährdeten Vierteln und die Vertreibung der Bewohner*innen eingeleitet. Das Boribana-Viertel wurde im Januar abgerissen, gefolgt von Gesco und Banco 1 im Februar und Abattoir im Juni – als Teil eines Plans des Autonomen Bezirks Abidjan, 176 Standorte abzureißen. Tausende von betroffenen Familien wurden weder zu den Bedingungen ihrer Räumung konsultiert, noch wurden sie vor den Abrissen angemessen informiert. Die meisten Haushalte und Eigentümer*innen wurden weder vorher entschädigt noch umgesiedelt. [1] Am 21. November beschlossen die Behörden, die Räumungsmaßnahmen auszusetzen, und verpflichteten sich, Maßnahmen zur Umquartierung und Entschädigung der Betroffenen zu ergreifen.
Rechte von Frauen und Mädchen
Die gesetzlichen Bestimmungen verstießen nach wie vor gegen die Rechte der Frauen, wie z. B. Artikel 403 des Strafgesetzbuchs, der Männern, die ihre Frauen vergewaltigen, Straffreiheit gewährt, da er besagt, dass die Zustimmung vermutet werden kann, solange nicht das Gegenteil bewiesen ist.
Im Juni nahm die Nationalversammlung eine Änderung des Strafgesetzbuches an, die eine Abtreibung in Fällen von Inzest erlaubt, die zuvor nur bei Vergewaltigung oder bei Gefahr für das Leben der Mutter möglich war.
Rechte der Kinder
In seinem Bericht vom Juli brachte der UN-Sonderberichterstatter über zeitgenössische Formen der Sklaverei seine Besorgnis über den anhaltenden Einsatz von Kinderarbeit zum Ausdruck, insbesondere im handwerklichen Goldbergbau, in der Landwirtschaft und in der Hausarbeit.
Recht auf eine gesunde Umwelt
Im Februar vereinbarte der Internationale Währungsfonds ein Darlehen in Höhe von 1,3 Mrd. USD (ca. 1,1 Mrd. Euro), um Côte d‘Ivoire bei der Verbesserung der Klimaresilienz und der Umstellung auf erneuerbare Energien zu unterstützen. Die Finanzierung zielte darauf ab, die Steuerung der Klimapolitik zu verbessern, einen Rahmen für grüne und nachhaltige Finanzierung zu schaffen und die Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Allerdings erhöhte sich dadurch die Schuldenlast des Landes.
[1] “Côte d’Ivoire: Thousands of families still awaiting support measures after forced evictions in Abidjan”, 14 August ↑