Hellenische Republik
Berichtszeitraum | 1.1.2024 – 31.12.2024 |
Englischer Originaltext | Greece |
Weitere Online-Dokumente von Amnesty International Deutschland | Griechenland |
Ein Berufungsgericht bestätigte die Verurteilung zweier Männer wegen des Todes des LGBTI-Aktivisten Zak Kostopoulos. Berichte über Misshandlungen von Migrant*innen und Geflüchteten an den Grenzen setzten sich fort, und Asylbewerber*innen im Aufnahmezentrum von Samos wurden unter unrechtmäßigen Haftbedingungen festgehalten. Menschenrechtsverteidiger*innen wurden wegen ihrer Arbeit mit Geflüchteten und Migrant*innen weiterhin kriminalisiert. Es gab weiterhin Vorwürfe über unnötige und übermäßige Gewaltanwendung bei der Polizeiarbeit im Zusammenhang mit Demonstrationen. Besorgnis erregte eine Untersuchung, bei der keine Verbindungen zwischen dem unrechtmäßigen Einsatz von Spionageprogrammen und staatlichen Ministerien oder Behörden festgestellt wurden. Ein Meilenstein war die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe in Griechenland. Beschäftigte des Gesundheitswesens berichteten weiterhin über anhaltende und erhebliche Lücken im griechischen Gesundheitssystem.
Recht auf Leben
Im Juli bestätigte ein Berufungsgericht in der Hauptstadt Athen die Verurteilung zwei Männer wegen tödlicher Körperverletzung im Zusammenhang mit dem Tod des LGBTI-Aktivisten Zak Kostopoulos im September 2018.
Im August erhob ein Staatsanwalt in Chania Anklage gegen vier Polizeibeamte wegen vorsätzlicher Tötung mit möglicher Heimtücke im Zusammenhang mit dem Fall von Kostas Manioudakis, der im September 2023 bei einer Durchsuchungsaktion im Dorf Vryses auf Kreta ums Leben kam.
Im September starb der Arbeitsmigrant Kamran Ashiq in Polizeigewahrsam. In den Medien veröffentlichte Bilder seiner Leiche zeigten Verletzungen, die darauf hindeuteten, dass er geschlagen worden war. Im Dezember gab der nationale Beschwerdemechanismus der Polizei bekannt, dass eine eigene Untersuchung des Falles eingeleitet wurde.
Rechte von Geflüchteten und Migrant*innen
Es gab weiterhin tödliche Schiffswracks, ebenso wie Berichte über Menschenrechtsverletzungen, einschließlich summarischer unrechtmäßiger Rückführungen durch griechische Strafverfolgungsbeamte, gegen rassifizierte Asylbewerber*innen und Migrant*innen an den Grenzen.
Im Januar entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem Fall aus dem Jahr 2014 – in dem die Küstenwache während eines Abfangens auf See Schüsse auf ein Boot abgab und dabei einen syrischen Mann traf, der später starb. Das Gericht, urteilte, dass Griechenland gegen das Recht auf Leben verstießt, sowohl was die Untersuchung des Vorfalls als auch die Anwendung tödlicher Gewalt betrifft.
Trotz des Urteils gab der Schusswaffengebrauch der Beamten bei Grenzkontrollen weiterhin Anlass zur Besorgnis. Im Juli starb ein Mann, nachdem die Küstenwache bei einer Verfolgungsaktion vor Symi Schüsse auf ein Boot abgegeben hatte.
Im Dezember wurde die vorläufige nationale Untersuchung des Vorgehens der Behörden bei dem Schiffsunglück von Pylos im Juni 2023, bei dem über 600 Menschen ums Leben kamen, eingestellt. Überlebende hatten behauptet, die griechische Küstenwache sei für den Vorfall verantwortlich. Nichtregierungsorganisationen, die Überlebende und Opferfamilien vertreten, kritisierten, dass die Staatsanwaltschaft, die für die Koordinierung der Such- und Rettungsaktion zuständigen Behörden und ihre Vorgesetzten nicht vorgeladen habe, um schriftliche Erklärungen abzugeben. Im Mai wurden neun Überlebende in einem abgetrennten Verfahren freigesprochen, welches jedoch Bedenken hinsichtlich eines fairen Verfahrens aufkommen ließ. Die Vorwürfe schlossen die Verursachung des Schiffsunglücks ein.
Asylbewerber*innen, die in dem von der EU finanzierten EU-finanziertes Closed Controlled Access Centre (CCAC) auf der Insel Samos lebten, zumeist rassifizierte Personen, wurden routinemäßig „Freiheitsbeschränkungen“ unterworfen, die einer rechtwidrigen Inhaftierung gleichkamen. Außerdem gab es im CCAC Mängel bei der Bereitstellung grundlegender Dienstleistungen wie fließendem Wasser und medizinischer Versorgung. Die Personen, denen dort die Freiheit entzogen wurde, waren möglicherweise unmenschlichen und erniedrigenden Haftbedingungen ausgesetzt, insbesondere in Zeiten der Überbelegung.[1]
Im Juli wurden ähnliche Bedenken in Bezug auf andere CCACs vom Antifolterausschuss des Europarats (CPT), basierend auf einem Besuch im Jahr 2023, öffentlich gemacht.
Das auf Samos und anderen CCACs eingeführte Eindämmungssystem wirkte sich unverhältnismäßig stark auf rassifizierte Menschen aus und förderte die rassifizierte Ausgrenzung von Migrant*innen und Geflüchteten.
Im Oktober entschied der Gerichtshof der Europäischen Union in einem Fall, der die Rückübernahme von Asylbewerbern*innen aus Griechenland in die Türkei im Rahmen des Rückübernahmeabkommens zwischen der EU und der Türkei von 2014 betraf, welches die Türkei seit März 2020 ausgesetzt hatte. Das Gericht stellte fest, dass Asylanträge nicht als unzulässig abgelehnt werden können, wenn der nach der Regel des „sicheren Drittstaats“ zuständige Rückkehrstaat die Rückübernahme nicht gewährleistet.
Negative Entwicklungen gab es beim Zugang von Asylbewerbern*innen und Geflüchteten zu sozialer und wirtschaftlicher Unterstützung. Das Programm Helios, das von der Internationalen Organisation für Migration mit finanzieller Unterstützung der griechischen Behörden durchgeführt wurde, wurde am 30. November eingestellt. Es hatte Personen, die internationalen Schutz und vorübergehenden EU-Schutz genießen, Unterkunft und andere Unterstützung geboten. Die NGO Refugee Support Aegean berichtete, dass die Behörden seit Mai die Zahlung der den Asylbewerber*innen gesetzlich zustehenden finanziellen Unterstützung eingestellt hätten.
Menschenrechtsverteidiger*innen
Im Januar wurden 16 Mitarbeiter*innen von Hilfsorganisationen, die an Such- und Rettungsaktionen für Geflüchtete und Migrant*innen beteiligt waren, von einem Gericht auf Lesbos vom Vorwurf von Vergehen, einschließlich Spionage, freigesprochen.
Besorgniserregend waren die laufenden Strafverfahren gegen Panayote Dimitras, Sprecher der NGO Greek Helsinki Monitor, und Tommy Olsen, Leiter der NGO Aegean Boat Report, im Zusammenhang mit ihrer Arbeit zur Unterstützung von Flüchtlingen und Migranten an den griechischen Grenzen. Panayote Dimitras wurde im Rahmen dieser Ermittlungen weiterhin mit restriktiven Maßnahmen belegt, einschließlich eines Ausreiseverbots für Griechenland. Im Mai stellten die Behörden einen nationalen Haftbefehl gegen Tommy Olsen aus.
Im August kritisierte eine NGO weitere gerichtliche Schikanen gegen Panayote Dimitras, gegen den zusammen mit seiner Frau Nafsika Papanikolatou wegen angeblicher Untreue und Geldwäsche ermittelt wird.
Im November wurde Besorgnis über den Prozess gegen die Menschenrechtsverteidigerin Alexia Tsouni geäußert, die unter anderem wegen „Falschaussage“ und Verleumdung angeklagt wurde, offenbar als Reaktion auf ihre Arbeit gegen Rassismus und ihre Aktivitäten zur Unterstützung von Flüchtlingen.
Recht auf friedliche Versammlung
Es wurde weiterhin berichtet, dass die Polizei unnötige und übermäßige Gewalt, unter anderem durch den Missbrauch weniger tödlicher Waffen, gegen Demonstrant*innen und Journalist*innen einsetzt.
Im Dezember wurden die Menschenrechtsanwältin Anny Paparousou und eine Gruppe friedlicher Demonstrant*innen vor einer Demonstration auf eine Polizeistation gebracht, wo sie einer Personenkontrolle unterzogen wurden. Diese Maßnahme war offensichtlich rechtswidrig und zielte in erster Linie darauf ab, die Demonstrant*innen an der Teilnahme an der Demonstration zu hindern.
Im Oktober sprach ein Gericht dem Fotojournalisten Orestis Panagiotou eine Entschädigung für die schweren Verletzungen zu, die er erlitten hatte, nachdem er bei der Berichterstattung über eine Demonstration in Athen im Jahr 2021 direkt und aus nächster Nähe von einem Wasserwerfer getroffen worden war. Im November verhängte ein Athener Gericht eine achtmonatige Haftstrafe auf Bewährung gegen einen Polizeibeamten, der sich der fahrlässigen Körperverletzung von Orestis Panagiotou schuldig gemacht hatte.
Meinungsfreiheit
Griechenland musste noch einen wirksamen Rechtsrahmen einführen, um gegen strategische Klagen gegen öffentliche Beteiligung (SLAPP-Klagen) vorzugehen.
Im September verhandelte ein Athener Gericht über die Berufung der Journalistin Stavroula Poulimeni und der Medienkooperative Alterthess gegen ein Urteil aus dem Jahr 2021. Das Urteil gab einer Klage teilweise statt, welche sich auf einen Bericht im Zusammenhang mit Umweltschäden bezog. Diese Klage zeigt Merkmale einer „SLAPP“ Klage.
Im Oktober wies ein Athener Gericht eine 2022 erhobene Verleumdungsklage von Grigoris Dimitriadis, dem ehemaligen Stabschef des Premierministers ab. Er klagte gegen drei Journalist*innen, darunter Thanasis Koukakis und die Medienunternehmen Newspaper of Editors und Reporters United, im Zusammenhang mit einem investigativen Artikel über den griechischen Überwachungsskandal. Nichtregierungsorganisationen für Pressefreiheit bezeichneten die Klage als SLAPP.
Recht auf Privatsphäre
Im Januar stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte fest, dass Griechenland das Recht auf ein Privatleben verletzt hat, als die Behörden 2012 die Identität und die medizinischen Daten von Frauen, bei denen HIV diagnostiziert wurde, offengelegt hatten.
Im Juli äußerten Oppositionsparteien, die Zivilgesellschaft und Anwält*innen, die Opfer rechtswidriger Überwachung vertreten, ernsthafte Bedenken, nachdem eine Untersuchung der Staatsanwaltschaft des Obersten Gerichtshofs zu dem Schluss gekommen war, dass es keine Verbindungen zwischen dem rechtswidrigen Einsatz von Predator-Spähsoftware und staatlichen Ministerien oder Behörden gibt.
Gewalt gegen Frauen und Mädchen
Im April wurde Kyriaki Griva von ihrem ehemaligen Partner vor einer Athener Polizeistation ermordet, wo sie Schutz gesucht hatte. Die Behandlung ihrer Anzeige durch die Polizei löste einen Aufschrei aus und führte zu Ermittlungen gegen vier Polizeibeamte wegen des Vergehens der „Gefährdung des Lebens einer Person“.
Im November forderte der UN-Menschenrechtsausschuss Griechenland auf, eine Änderung des Gesetzes von 2021 über das gemeinsame Sorgerecht in Betracht zu ziehen, um den Schutz aller Opfer häuslicher Gewalt zu gewährleisten und Femizid ausdrücklich unter Strafe zu stellen.
Rechte von LGBTI-Personen
Im Februar legalisierte das Parlament die gleichgeschlechtliche Ehe, doch da einige weitere Lücken im Rechtsrahmen nicht geschlossen wurden, sind LGBTI-Personen, einschließlich Transgender-Personen und deren Kinder, weiterhin dem Risiko der Diskriminierung ausgesetzt.
Nach Angaben der Griechischen Vereinigung zur Unterstützung von Transgender-Personen (Greek Transgender Support Association) sind Transgender -Personen in ihrem Leben mit zahlreichen Hindernissen konfrontiert, da das Gesundheitssystem immer noch eine medizinische Klassifizierungsliste verwendet, die den Trans-Status als „Geschlechtsidentitätsstörung“bezeichnet.
In einem im April veröffentlichten Bericht dokumentierte das Netzwerk zur Erfassung von Vorfällen rassistischer Gewalt im Jahr 2023 158 Vorfälle, von denen 61 LGBTI-Personen betrafen.
Rechte von Kriegsdienstverweiger*innen
Die zivile Alternative zur Wehrpflicht blieb weiterhin strafend und diskriminierend. Nach einem bahnbrechenden Urteil des UN-Menschenrechtsausschusses aus dem Jahr 2021, in dem im Fall des Kriegsdienstverweigerers Lazaros Petromelidis mehrfache Verstöße gegen den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte festgestellt wurden, hat Griechenland noch immer keine vollständige Wiedergutmachung geleistet oder Reformen durchgeführt, „um die wirksame Gewährleistung des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung sicherzustellen“.
Recht auf eine gesunde Umwelt
Experten für den Climate Change Performance Index, kritisierten, dass Griechenlands erheblicher Ausbau der Gasinfrastruktur die Abhängigkeit des Landes von fossilen Brennstoffen erhöht.
Eine extreme Hitzewelle, die von Wissenschaftlern auf die Auswirkungen des Klimawandels zurückgeführt wird, führte zu hitzebedingten Todesfällen. Im August prognostizierte eine europaweite Studie, dass die Zahl der hitzebedingten Todesfälle in Europa in diesem Jahrhundert zunehmen wird und dass bei Annahme einer globalen Erwärmung um 3°C (3°C Szenario) die Zahl der hitzebedingten Todesfälle in Griechenland von heute 1.730 auf 4.767 pro Jahr ansteigen würde.
Große Waldbrände in der Region Attika im August und in der Gemeinde Xylokastro im September verbrannten Tausende von Hektar Land und viele Häuser und führten zu drei Todesfällen. Im Juni stellte eine Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) fest, dass der Klimawandel die Gefahr von Waldbränden in Griechenland zunehmend vergrößert.
Recht auf Gesundheit
Gesundheitspersonal und Expert*innen berichteten weiterhin über anhaltende und erhebliche Lücken im griechischen Gesundheitssystem. Dazu gehören Personalmangel, lange Arbeitszeiten, Schwierigkeiten bei der Inanspruchnahme von Urlaub und Kliniken, die aufgrund von Personal- und/oder Ausrüstungsmangel von der Schließung bedroht sind oder
[1] Greece: Samos: “We Feel in Prison on the Island”: Unlawful Detention and Sub-Standard Conditions in an EU-Funded Refugee Centre, 30 July