Republik Guatemala
Berichtszeitraum | 1.1.2024 – 31.12.2024 |
Englischer Originaltext | Guatemala |
Weitere Online-Dokumente von Amnesty International Deutschland | Guatemala |
Menschenrechtsverteidiger*innen, Journalist*innen und politische Gegner*innen wurden schikaniert und kriminalisiert. Unbegründete Strafverfolgungen wiesen auf fehlende Unabhängigkeit der Justiz hin. Es gab Anzeichen für Fortschritte in der Haltung des Staates gegenüber der Indigenen Bevölkerung, aber Land- und Menschenrechtsverteidiger*innen wurden weiterhin kriminalisiert. Die Verfolgung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die während des internen bewaffneten Konflikts von 1960 bis 1996 begangen wurden, verzögerte sich. Die Regierung unternahm Schritte zur Anerkennung von Menschenrechtsverletzungen an Frauen, zur Regulierung des Gesundheitswesens und zur Verbesserung der Wasserqualität. Die gleichgeschlechtliche Ehe blieb verboten.
Freiheit der Meinungsäußerung und Vereinigungsfreiheit
Die politisch motivierte Verfolgung von Menschenrechtsverteidiger*innen, Staatsanwält*innen, Richter*innen, Journalist*innen und politischen Gegner*innen, die gegen Straflosigkeit und Korruption gekämpft hatten, sowie ihrer jeweiligen Anwält*innen wurde fortgesetzt. Unbegründete Strafverfahren führten zu zahlreichen Verstößen gegen das Recht auf ein ordnungsgemäßes Verfahren, wobei Frauen häufig aufgrund ihrer Geschlechtszugehörigkeit kriminalisiert wurden.[1]
Im Januar wurde die gewaltlose politische Gefangene und ehemalige Staatsanwältin Virginia Laparra nach fast zwei Jahren willkürlicher Inhaftierung endlich freigelassen. Im Juli erklärte ein Gericht sie in einem zweiten unbegründeten Strafverfahren für schuldig, was sie dazu zwang, ins Exil zu gehen. Im März stellte die UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen fest, dass die Inhaftierung des Journalisten Jose Rubén Zamora willkürlich war, und empfahl seine Freilassung. Im Oktober wurde er nach mehr als 800 Tagen Untersuchungshaft aus dem Gefängnis entlassen und unter Hausarrest gestellt. Die Verfahren gegen führende Mitglieder der suspendierten politischen Partei Movimiento Semilla wurden fortgesetzt. Ende des Jahres befand sich der ehemalige Staatsanwalt Stuardo Campo weiterhin in Untersuchungshaft.
Recht auf ein faires Verfahren
Die Staatsanwaltschaft und ein erheblicher Teil der Richterschaft führten häufig unbegründete Strafverfolgungen durch. Bei einem Besuch in Guatemala im Juli wies die Interamerikanische Menschenrechtskommission darauf hin, dass unbegründete Strafverfolgung ein Zeichen für fehlende Unabhängigkeit der Justiz sei.
Im Oktober ernannte der Kongress mehr als 300 neue Richter*innen für die Berufungskammern und den Obersten Gerichtshof, von denen laut Medienberichten mehrere in Korruption und die Kriminalisierung kritischer Stimmen verwickelt sein sollen. Internationale Expert*innen wiesen darauf hin, dass das Verfahren nicht den internationalen Standards für die Ernennung dieser Positionen entsprach und den Interessen mächtiger Interessengruppen unterworfen war.
Menschenrechtsverteidiger*innen
Die lokale Organisation UNDEFEGUA (Unidad de Protección a defensoras y defensores de Derechos Humanos de Guatemala) registrierte zwischen Januar und Oktober mindestens 2.763 Angriffe auf Menschenrechtsverteidiger*innen.
Das vom Innenministerium einberufene Gremium, das für die Analyse der Risiken für Menschenrechtsverteidiger*innen zuständig ist, wurde reaktiviert. Ende des Jahres stand die Verabschiedung der offiziellen Richtlinien zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern*innen noch aus und der Staat hatte das Escazú-Abkommen noch nicht ratifiziert.
Rechte Indigener Völker
Zum ersten Mal seit vielen Jahren nahm die Regierung einen direkten Dialog mit mehreren Indigenen Vertretungen auf und verpflichtete sich, eine umfassende Entwicklungsagenda zu fördern, die ihren Bedürfnissen Rechnung trägt. In vielen Teilen des Landes sahen sich Indigene Anführer*innen jedoch mit Kriminalisierung konfrontiert, weil sie das Territorium und die Rechte der Indigenen Völker verteidigten. Dutzende von bäuerlichen (campesino) und Indigenen Gemeinschaften waren von Zwangsräumungen im Zusammenhang mit Konflikten um Landbesitz bedroht.
Straffreiheit
Verzögerungen und Unregelmäßigkeiten behinderten die Suche nach Gerechtigkeit für Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen, die während des internen bewaffneten Konflikts von 1960 bis 1996 begangen wurden, darunter auch der Fall des ‘Diario militar’[2]. Ein Gericht hob das Urteil im Fall CREOMPAZ (ehemaliges Militärgefängnis) auf und ließ die angeklagten pensionierten Militäroffiziere frei. Im November, mitten im Völkermordprozess gegen den ehemaligen General Benedicto Lucas, entließ der Generalstaatsanwalt ungerechtfertigterweise die mit dem Fall betrauten Ankläger*innen der Ombudsbehörde für Menschenrechte. Tage später annullierte ein höheres Gericht den Prozess.
Geschlechtsspezifische Gewalt
Die Regierung erkannte die Verantwortung des Staates für die Feminizide an María Isabel Véliz Franco und Claudina Velásquez in den frühen 2000er Jahren an, wie der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte 2014 und 2015 entschied. Die Regierung verpflichtete sich auch, den Tod von 41 Mädchen zu entschädigen, die bei einem Brand in einem staatlichen Heim, Hogar Seguro Virgen de la Asunción, im Jahr 2017 eingeschlossen gewesen waren. Die Strafverfahren gegen mögliche Täter waren noch nicht abgeschlossen.
Das Gesetz zur umfassenden Sexualerziehung war Ende des Jahres noch nicht verabschiedet worden.
Die nichtstaatliche Organisation Asociación LAMBDA registrierte von Januar bis November mindestens 35 Morde an lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen (LGBTI+)-Personen. Die gleichgeschlechtliche Ehe blieb verboten.
Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte
Offiziellen Angaben zufolge ist die Unterernährung von Kindern nach wie vor sehr hoch. Die Regierung leitete Dutzende von Verfahren gegen die vorherige Regierung ein, der sie Missbrauch öffentlicher Mittel für staatliche Dienstleistungen, einschließlich Gesundheit und Bildung, vorwarf. Sie kündigte Maßnahmen zur Regulierung des Kaufs medizinischer Ressourcen und zur Vermeidung von Engpässen an, die den Zugang zu einer hochwertigen Gesundheitsversorgung untergraben haben.
Recht auf eine gesunde Umwelt
Im März veröffentlichte die Regierung einen nationalen Aktionsplan zu Gender[3] und Klimawandel. Im September schuf die Regierung das “Wasserkabinett”, um angesichts der Sorge um den Zugang zu sauberem Wasser die Bewirtschaftung der Wasserressourcen zu koordinieren.
[1] “The Entire System Against Us, Criminalization of Women Justice Operators and Human Rights Defenders in Guatemala”, 23. Mai 2024
[2] Ein Dokument, das die Namen von 183 Personen enthält, die die Sicherheitskräfte des guatemaltekischen Staates zwischen August 1983 und März 1985 verschwinden ließen
[3] Gender Politik bezieht sich auf die Stärkung der Rechte der Frau