Jordanien

Haschemitisches Königreich Jordanien

Berichtszeitraum 1.1.2024 – 31.12.2024
Englischer Originaltext Jordan
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Die jordanischen Behörden verstärkten ihr hartes Vorgehen gegen das Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Tausende Personen wurden inhaftiert oder verfolgt, weil sie die Behörden kritisiert, sich pro-palästinensisch geäußert oder an friedlichen Protesten teilgenommen hatten. Hunderte befanden sich ohne Anklage oder Zugang zu einem ordnungsgemäßen Verfahren in Verwaltungshaft. Politische Parteien wurden aufgelöst. Frauen und Mädchen erfuhren weiterhin in Gesetz und Praxis Diskriminierung. Die Lebensbedingungen von Geflüchteten und Asylsuchenden verschlechterten sich, unter anderem aufgrund von Mittelkürzungen. Jordanien war weiterhin durch den Klimawandel gefährdet, der seine Wasserressourcen bedrohte.

Hintergrund

Im Januar unterzog sich Jordanien zum vierten Mal dem Universellen Periodischen Überprüfungsverfahren (Universal Periodic Review – UPR). Die jordanische Regierung nahm lediglich Empfehlungen zur Kenntnis, gesetzliche Bestimmungen zu streichen, die völkerrechtlich geschützte Formen der Meinungsäußerung kriminalisieren. Sie lehnte Änderungen am Gesetz über Verbrechensverhütung von 1954 ab. Dieses nutzten Gouverneur*innen weiterhin, um Personen ohne Anklage oder Gerichtsverfahren in Verwaltungshaft zu nehmen. Sie verpflichtete sich auch nicht dazu, das Staatsangehörigkeitsgesetz zu ändern, um Frauen das Recht zu gewähren, gleichberechtigt mit Männern ihre Staatsangehörigkeit an ihre Kinder weiterzugeben. Empfehlungen zur Abschaffung der Todesstrafe und zur Ratifizierung des Fakultativprotokolls zum Übereinkommen gegen Folter lehnte die Regierung ab.

Im September fanden zum ersten Mal Parlamentswahlen nach dem Wahlgesetz von 2022 statt. Die Oppositionsparteien gewannen rund ein Fünftel der Sitze. Stammes- und regierungsnahe Fraktionen dominierten weiterhin die Abgeordnetenversammlung.

Rund 2 Millionen palästinensische Flüchtlinge und mehr als 750.000 Flüchtlinge aus anderen Ländern, darunter Syrien, lebten weiterhin in Jordanien.

Die Arbeitslosenquote blieb hoch, insbesondere unter Frauen und jungen Menschen.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Die jordanischen Behörden klagten Hunderte Personen auf Grundlage des repressiven Gesetzes über Internetkriminalität von 2023 an, weil sie in den Sozialen Medien Kritik an den Behörden geäußert hatten – einschließlich des Friedensabkommens der jordanischen Regierung mit Israel –, sich propalästinensisch geäußert oder zu friedlichen Protesten und öffentlichen Streiks aufgerufen hatten. [1]

Im Juni verurteilte ein Strafgericht die Journalistin Hiba Abu Taha zu einer einjährigen Haftstrafe, weil sie die Soziale Medien genutzt habe, um „falsche Nachrichten zu verbreiten oder eine Regierungsbehörde oder offizielle Stelle zu beleidigen oder zu verleumden” sowie zu “Unfrieden oder Aufruhr anzustiften oder den gesellschaftlichen Frieden zu bedrohen oder zu Hass oder Gewalt anzustiften”. Die Anklagen gehen auf einen von ihr verfassten Artikel zurück, der in den Sozialen Medien geteilt wurde und in dem sie das Abfangen iranischer, auf Israel gerichteter Raketen durch Jordanien im April kritisierte. Nach Angaben des Anwalts von Hiba Abu Taha bestätigte das Berufungsgericht die Verurteilung und das Strafmaß am selben Tag. Eine öffentliche Anhörung fand nicht statt, was nach Meinung ihres Anwalts darauf hindeutet, dass die Entscheidung des Gerichts bereits gefallen war. Die einjährige Haftstrafe war die längste Strafe auf Grundlage des jordanischen Gesetzes über Internetkriminalität von 2023, die Amnesty International bisher dokumentiert hat.

Im Juli verurteilte ein Strafgericht den Anwalt und Aktivisten Moutaz Awwad wegen “Aufwiegelung oder Anstiftung zum Unfrieden” gemäß Artikel 17 des Gesetzes über Internetkriminalität von 2023 und verhängte eine Geldstrafe in Höhe von 5.000 JOD (etwa 6.200 Euro) gegen ihn. Moutaz Awwad hatte Beiträge auf X, ehemals Twitter, veröffentlicht, in denen er die Politik der arabischen Länder gegenüber Israel kritisierte und eine propalästinensische Haltung zum Ausdruck brachte.

Ebenfalls im Juli verhafteten Sicherheitskräfte den prominenten Journalisten Ahmad Hassan al-Zoubi. Die Behörden setzten damit ein Gerichtsurteil von Juli 2023 um, in dem er wegen der “Provokation von Unfrieden” auf Grundlage des früheren Gesetzes über Internetkriminalität von 2015 zu einem Jahr Gefängnis verurteilt worden war, weil er in einem Facebook-Post die Reaktion der Behörden auf die Streiks im Transportwesen kritisiert hatte. [2]

Die Behörden verletzten routinemäßig das Recht auf ein faires Verfahren für Inhaftierte, die wegen der Ausübung ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung festgenommen wurden. Die Behörden legten unter anderem keinen Haftbefehl vor, informierten nicht über die Gründe für die Vorladung oder die Anschuldigungen, verhörten Inhaftierte ohne Anwalt und wendeten während des Verhörs und/oder des Gerichtsverfahrens psychische Nötigung und Einschüchterungstaktiken an.

Im Februar erhob ein Staatsanwalt am Staatssicherheitsgericht, einem Militärgericht, Anklage gegen den politischen Aktivisten Ayman Sanduka wegen “Anstiftung zum Widerstand gegen das politische Regime” gemäß Artikel 149 des Strafgesetzbuchs. Die Anklage bezog sich auf einen offenen Brief an König Abdullah II., den Ayman Sanduka im Oktober 2023 auf Facebook veröffentlicht hatte und in dem er die diplomatischen Beziehungen Jordaniens zu Israel kritisierte. Ende des Jahres 2024 lief das Verfahren vor dem Staatssicherheitsgericht noch. [3]

Recht auf friedliche Versammlung

Zwischen Oktober 2023 und Oktober 2024 nahmen die Behörden Tausende Demonstrierende und Zuschauende nach Protesten zur Unterstützung der palästinensischen Bevölkerung in Gaza vor der israelischen Botschaft in der Hauptstadt Amman fest. Viele von ihnen befanden sich Ende des Jahres 2024 noch immer in Haft. [4]

Im März lösten jordanische Sicherheitskräfte friedliche Demonstrationen vor der israelischen Botschaft gewaltsam auf und setzten dabei Tränengas, Schlagstöcke und Schläge ein. Propalästinensische Demonstrierende berichteten über Einschränkungen für Transparente mit bestimmten Slogans und die Teilnahme von Personen unter 18 Jahren. Die Behörden untersagten auch die Fortsetzung der Proteste nach Mitternacht.

Vereinigungsfreiheit

Die jordanischen Behörden lösten 19 politische Parteien auf, weil sie “die Registrierungsbedingungen nicht erfüllten”. Nach dem Gesetz über politische Parteien von 2022 gehören zu diesen Bedingungen mindestens 1.000 Gründungsmitglieder, die nie wegen Straftaten gegen “Ehre, Moral und Sicherheit” verurteilt wurden.

Im April bestätigte das Oberste Verwaltungsgericht einen Beschluss zur Auflösung der Partnerschafts- und Rettungspartei, weil sie „keine allgemeine Konferenz abgehalten hatte, die den im Gesetz über politische Parteien festgelegten Bedingungen entsprach“. Ein Rechtsanwalt und Mitglied der Partei berichtete Amnesty International, dass die Partnerschafts- und Rettungspartei von den Behörden schikaniert und eingeschüchtert wurde.

Willkürliche Inhaftierung

Lokale Gouverneur*innen wendeten weiterhin das Gesetz über Verbrechensverhütung von 1954 an, um Personen, die als “Gefahr für das Volk” angesehen wurden, in Verwaltungshaft zu nehmen, ohne Anklage oder die Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit ihrer Inhaftierung vor der zuständigen Justizbehörde anzufechten. Dazu gehörten Aktivist*innen sowie Frauen, die in Gefahr waren, Opfer von sogenannten Ehrverbrechen zu werden, und die oft unter dem Vorwand inhaftiert wurden, sie vor möglicher Gewalt oder Repressalien zu schützen.

Zahlreiche Personen wurden im Zusammenhang mit propalästinensischen Protesten oder Solidaritätsbekundigungen auf Anordnung des Gouverneurs von Amman in Verwaltungshaft gehalten. Darunter befanden sich auch Personen, deren Freilassung der Staatsanwalt angeordnet hatte.

So wurde beispielsweise im März der Aktivist Majd al-Farraj während einer Demonstration festgenommen und 40 Tage lang in Verwaltungshaft gehalten. Ebenso nahmen Sicherheitsbeamte im April den Online-Aktivisten Samer al-Qassem wegen eines TikTok-Videos über palästinensische Flüchtlinge fest. Während die Strafverfolgungsbehörden Samer al-Qassem im Mai gegen Kaution freiließen, beantragte der Gouverneur von Amman seine Verwaltungshaft für einen weiteren Monat. Im Juni verurteilte ihn ein Strafgericht auf Grundlage des Gesetzes über Internetkriminalität von 2023 zu einer dreimonatigen Haftstrafe und einer Geldstrafe, weil er die “Sozialen Medien zur Aufwiegelung und Bedrohung des sozialen Friedens” genutzt habe.

Tausenden Personen drohte Haft wegen Schulden nach dem Vollstreckungsgesetz, dem wichtigsten Rechtsinstrument. Das Gesetz ermöglicht die völkerrechtswidrige Inhaftierung von Personen, die ihre Schulden nicht zurückzahlen.

Rechte von Frauen und Mädchen

Frauen und Mädchen wurden in Gesetz und Praxis weiterhin diskriminiert, insbesondere durch Personenstandsgesetze und den fehlenden Schutz vor häuslicher Gewalt. Um zu heiraten, benötigten Frauen unter 40 Jahren die Zustimmung eines männlichen Vormunds, in der Regel ihres Vaters oder eines anderen männlichen Verwandten. Frauen hatten nach wie vor nicht das Recht, ihre Staatsangehörigkeit in gleicher Weise wie Männer an ihren Ehepartner und ihre Kinder weiterzugeben.

Die Wahrscheinlichkeit für Frauen, arbeitslos zu sein, war 2024 um 40 Prozent höher als für Männer. Grund dafür sind kulturelle und gesellschaftliche Normen, die den Zugang von Frauen zum Arbeitsmarkt beschränken, sowie Hindernisse wie lange Arbeitszeiten und eingeschränkter Zugang zu Kinderbetreuung. Laut dem jährlichen Global Gender Gap Report des Weltwirtschaftsforums ging der Anteil der Frauen in den Lokalverwaltungen im Vergleich zu 2023 um 6,9 Prozent zurück.

Rechte von Geflüchteten und Migrant*innen

Laut dem UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) haben sich die Bedingungen für Geflüchtete und Asylsuchende unter anderem aufgrund fehlender internationaler Hilfe verschlechtert. Beispielsweise war der Zugang von Geflüchteten zu ihren wirtschaftlichen und sozialen Rechten – darunter den Rechten auf Nahrung, Wasser, Gesundheitsversorgung, Unterkunft, Bildung und Arbeit – stark eingeschränkt. Die Armutsquote unter in Camps lebenden registrierten Flüchtlingen stieg erheblich: 67 Prozent wurden als arm eingestuft, gegenüber 45 Prozent im Jahr 2021. Etwa 40 Prozent der Flüchtlinge in den Camps sind nach Angaben des UNHCR durch das Klima stark gefährdet, da die Unterkünfte aufgrund ihrer unzureichenden Qualität häufig undicht sind und die Gefahr von Überschwemmungen groß ist.

Im April verhafteten die jordanischen Behörden die syrischen Flüchtlinge Atiya Mohammad Abu Salem und Wael al-Ashi während einer umfassenden Niederschlagung von propalästinensischen Protesten. Das Innenministerium erließ in der Folge Abschiebungsbefehle für die beiden. [5] Sie wurden weder einer Justizbehörde übergeben noch einer Straftat angeklagt. [6] Im Mai ließen die Behörden Atiya Mohammad Abu Salem frei und schoben Wael al-Ashi Berichten zufolge in die Vereinigten Arabischen Emirate ab, wo seine Familie wohnte.

Nicht-syrische Flüchtlinge und Asylsuchende hatten weiterhin keinen Zugang zum Arbeitsmarkt, es sei denn, sie verzichteten auf ihren Antrag auf internationalen Schutz und/oder Asyl beim UNHCR und entschieden sich für den Status von Arbeitsmigrant*innen.

Recht auf eine gesunde Umwelt

Jordanien zählte nach wie vor zu den wasserärmsten Ländern der Welt und deckte nur etwa zwei Drittel des Wasserbedarfs seiner Bevölkerung. Ein deutlicher Rückgang der Niederschläge, der durch den Klimawandel noch verschärft wurde, reduzierte die Wasserressourcen Jordaniens noch weiter.

Für seine aus dem Jahr 2021 stammenden nationalen Klimaschutzbeitäge (Nationally Determined Contributions – NDC) gemäß dem Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen nahm Jordanien keine Aktualisierung vor.

[1] “Jordan: New Cybercrimes Law stifling freedom of expression one year on”, 13 August

[2] “Jordan: Authorities must release journalist Ahmad Hassan al-Zoubi imprisoned over social media post”, 5 July

[3] “Jordan: Political activist facing trial before military court for Facebook post: Ayman Sanduka”, 22 March

[4] “Jordan: Stop cracking down on pro-Gaza protests and release those charged for exercising their freedoms of assembly and expression”, 11 April

[5] Jordan: Syrian refugee at risk of deportation: Atiya Mohammad Abu Salem”, 18 April

[6] “Jordan: Authorities must stop forcible deportation of two detained refugees to Syria”, 17 May

17. Juni 2025