Kambodscha

Königreich Kambodscha

Berichtszeitraum 1.1.2024 – 31.12.2024
Englischer Originaltext Cambodia
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Die Menschenrechtsverletzungen gingen unvermindert weiter. In Angkor waren Tausende von Familien weiterhin von Zwangsräumungen bedroht. Tausende, die bereits vertrieben worden waren, litten unter problematischen Wohnsituationen, kämpften mit Schulden und waren ohne Arbeit. Rechtsmittel wurden ihnen verweigert. Mindestens 97 Menschen, darunter Kinder, wurden verhaftet, weil sie ihre Meinung friedlich geäußert hatten. Anschließend wurden sie wegen “Aufwiegelung” und “Verschwörung” angeklagt. Dies zeigt das Ausmaß der Beschädigung der Zivilgesellschaft. Ein international bekannter Journalist wurde verhaftet, nachdem er ausführlich über Wirtschaftsbetrug, der strafrechtlich nicht verfolgt wurde und weiterhin florierte, berichtet hatte.

Hintergrund

Hun Manet, der Premierminister und Vorsitzende der Regierungspartei und der Kambodschanischen Volkspartei, setzte die Politik seines Vorgängers und Vaters Hun Sen fort.

Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte

Die Bewohner**innen Angkors, das zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört, waren weiterhin von Zwangsräumungen bedroht. Zahlreiche frühere Zwangsräumungen verstießen gegen internationale Menschenrechtsnormen. Die Behörden versäumten es, die Betroffenen angemessen zu informieren oder sie vor den Räumungen in sinnvoller Weise zu konsultieren. Viele Menschen wurden von den Behörden eingeschüchtert und bedroht, damit sie die Zwangsräumungen nicht in Frage stellten. Dies führte dazu, dass sie an Orte umgesiedelt wurden, an denen es keinen Wohnraum, kein sauberes Wasser, keine sanitären Einrichtungen und keinen Möglicheit der Sicherung des Lebensunterhalts gab.

Die UNESCO ersuchte Kambodscha darum, einen Bericht vorzulegen, der sich mit “möglicherweise erfolgten Zwangsumsiedlungen” befasst und “eine Antwort auf die Anschuldigungen von Amnesty International” enthalten würde. Im Februar veröffentlichte die Regierung einen  Bericht zum Erhaltungszustand des Weltkulturerbes (State of Conservation report) der keine nachprüfbaren Informationen darüber enthielt, wie die Familien für die Umsiedlung ausgewählt wurden. Es wurde ohne Belege behauptet, dass nur “illegale Siedler*innen” umgesiedelt worden seien. Der Bericht enthielt auch keine funktionierenden Links zu früheren Untersuchungen, Karten oder Landvermessungen, die deutlich gemacht hätten. wie die Regierung ihre Einschätzung der “Illegalität” von Haushalten in Angkor vornahm.

Im Umsiedlungsgebiet Run Ta Ek für vertriebene Familien fehlte es weiterhin an grundlegender Infrastruktur wie Straßen und Kanalisation. In vielen Häuser gab es kein Leitungswasser. Viele Bewohner*innen hatten hohe Schulden bei skrupellosen   Mikrofinanzinstituten und berichteten, dass sie ihre Sozialhilfe-Ausweise und Grundbesitz-Nachweise als Sicherheiten für die Kredite verwendeten.

In einem Beschluss, den das Welterbe-Kommittee fasste, fehlte die Aufforderung an die Regierung, sich ausdrücklich dazu zu verpflichten, in Angkor keine Zwangsräumungen vorzunehmen; es gab lediglich die Aufforderung, eine Beobachtungsmission einzurichten.[1]

Meinungs- und Versammlungsfreiheit

Willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen

Zwischen Juli und Oktober wurden von den Behörden mindestens 94 Personen, darunter mehrere Kinder, willkürlich verhaftet, weil sie öffentlichKritik am “Kambodscha-Laos-Vietnam- Entwicklungsdreieck” (Cambodia-Laos-Vietnam Development Triangle Area CLV) geäußert hatten. Der CLV ist ein Entwicklungsplan, den die Regierungen von Kambodscha, Laos und Vietnam 2004 verabschiedeten , um die Zusammenarbeit beim Handel und bei der Migration zu erleichtern. Mindestens 59 der Festgenommenen, darunter Umwelt-, Menschenrechts- und andere Aktivist*innen, wurden unrechtmäßig inhaftiert und aufgrund ihrer friedlichen Meinungsäußerungen angeklagt. Die Behörden klagten mindestens 21 Personen wegen Aufwiegelung zu Straftaten an – eine Beschuldigung, die häufig zu Unrecht gegen Menschenrechtsaktivist*innen vorgebracht wird. Der UN-Sonderberichterstatter für die Menschenrechtslage in Kambodscha hatte zuvor seine Besorgnis über die missbräuchliche Verwendung solcher Anklagen zum Ausdruck gebracht. Mindestens 33 Personen wurden wegen Verschwörung gegen den Staat angeklagt, darunter vier Mitglieder der Khmer Student Intelligent League Association. Für die “Aufwiegelung zu Straftaten” sind bis zu zwei Jahren Gefängnis vorgesehen, für “Verschwörung” bis zu 10 Jahren.

Der ehemalige Premierminister und jetzige Senatspräsident Hun Sen sprach in einer Rede am 12. August öffentlich Drohungen gegen Kritiker*innen des CLV aus,darunter gegen Hay Vanna, einen in Japan lebenden Oppositionsaktivisten. Am 16. August verhafteten die kambodschanischen Behörden Hay Vannith, den Bruder Vannas, einen Beamten des Gesundheitsministeriums. Sie gaben bis zum 20. August keine Auskunft über seinen Verbleib, was den Verdacht weckte, dass sein Verschwinden auf den Einsatz von Gewalt zurückzuführen war. Seine Familie erfuhr erst am 21. August von seiner Inhaftierung, als auf der Facebook-Seite des Regierungssprechers die Audio-Aufnahme eines angeblichen Geständnisses Hay Vanniths veröffentlicht wurde, worin er sich des geplanten Umsturzes der Regierung bezichtigte.

Am 20. September gab Hun Sen bekannt, dass Kambodscha aus dem CLV austreten werde. Dennoch wurden viele Anklagen gegen diejenigen, denen Straftaten im Zusammenhang mit dem CLV vorgeworfen wurden, bis Jahresende nicht fallen gelassen.[2]

39 politische Aktivist*innen oder Mitglieder von Oppositionsparteien blieben inhaftiert; viele von ihnen waren aufgrund falscher Anschuldigungen in Haft oder waren in unfairen Prozessen wegen Aufwiegelung, Verschwörung oder Beleidigung des Königs verurteilt worden. Die meisten hatten mehrere Monate in Untersuchungshaft verbracht. Der gewaltlose politische Gefangene und Vorsitzende der ehemals größten Oppositionspartei, Kem Sokha, wurde wegen Konspiration mit einer ausländischen Macht angeklagt und zu 27 Jahren Gefängnis verurteilt.

Umweltschützer*innen und das Recht auf eine gesunde Umwelt

Am 5. Juni weigerten sich fünf Umweltaktivist*innen der Bewegung “Mutter Natur”, den Gerichtssaal zu betreten, weil die Behörden mehrere Medienvertreter*innen und Unterstützer*innen willkürlich daran hinderten, ihre öffentliche Anhörung mitzuverfolgen. Die Anhörung wurde trotz der Abwesenheit aller angeklagten Aktivist*innen fortgesetzt.[3]

Am 2. Juli wurden zehn Aktivist*innen, die mit der Bewegung „Mutter Natur“ nverbunden waren , wegen Verschwörung und Majestätsbeleidigung verurteilt. Die Anklage bezog sich auf die öffentlichen Aktionen der Bewegung seit 2012.

Journalist*innen

Die Militärpolizei verhaftete am 30. September den preisgekrönten Journalisten Mech Dara. Am 1. Oktober wurde er wegen Aufwiegelung zu Straftaten gemäß Artikel 494 und 495 des kambodschanischen Strafgesetzbuchs angeklagt. Mech Dara wurde durch seine journalistische Arbeit für zahlreiche führende kambodschanische Nachrichtensender bekannt, die inzwischen von der Regierung oder ihren Bündnispartnern geschlossen wurden; hierdurch wurden alle unabhängigen Medien im Land zum Schweigen gebracht. Mech Dara hatte Preise für seine investigative Berichterstattung über Korruption und Kambodschas illegale Firmengelände betrügerische Firmen  erhalten: es gab regelmäßig Berichte über Menschenhandel und Folter an diesen Orten. [4]

Menschenhandel und Zwangsarbeit

Menschenhandel, Zwangsarbeit, Sklaverei, Folter und Kinderarbeit waren weiterhin im ganzen Land verbreitet, insbesondere an Orten, an denen Online-Kryptowährungs-, Glücksspiel- und Spielbetrug praktiziert wurden.[5]

 

[1]Cambodia: World Heritage Committee must ensure UNESCO decision addresses Angkor forced evictions”, 19. Juli

[2]Cambodia: Arrests target critics of regional development zone”, 28. August

[3] “Cambodia: Conviction of youth activists a further blow to Cambodia’s environmental movement”, 2. Juli

[4] “Cambodia: Charges against journalist highlight clampdown on press freedom”, 2. Oktober

[5]Cambodia: Review of the Universal Periodic Review at 57th session of the UN Human Rights Council”, 1. Oktober

 

17. Juni 2025