Republik Kasachstan
Berichtszeitraum | 1.1.2024 – 31.12.2024 |
Englischer Originaltext | Kazakhstan |
Weitere Online-Dokumente von Amnesty International Deutschland | Kasachstan |
Die Rechte auf freie Meinungsäußerung, friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit wurden weiterhin unangemessen eingeschränkt. Zivilgesellschaftlich engagierte Personen, Oppositionelle, Menschenrechtsverteidiger*innen, Journalist*innen und Blogger*innen, die den Behörden kritisch gegenüberstehen, waren Einschüchterungen, Schikanen, Verhaftungen und strafrechtlicher Verfolgung aufgrund politisch motivierter Anschuldigungen ausgesetzt. Für die meisten schweren Menschenrechtsverletzungen, die während der Proteste im Januar 2022 begangen wurden, wurde noch immer keine Rechenschaft abgelegt. Gewalt gegen Frauen und Mädchen war weiterhin weit verbreitet, obwohl die Gesetzgebung die strafrechtliche Ahndung häuslicher Gewalt wieder eingeführt hat. Die Behörden diskriminierten weiterhin LGBTI-Personen. Aktivist*innen aus Usbekistan drohte die gewaltsame Rückführung. Die Klimapolitik blieb hinter den nationalen Verpflichtungen zurück.
Freiheit der Meinungsäußerung
In Kasachstan wurden im Laufe des Jahres mindestens 24 Personen aufgrund politisch motivierter Anschuldigungen inhaftiert, darunter Menschenrechtsverteidiger*innen, Aktivist*innen, Blogger*innen und Journalist*innen.
Die Behörden schränkten den Zugang der Medien zu den von den Überschwemmungen im April betroffenen Gebieten ein und verfolgten Journalist*innen und Blogger*innen, die kritisch über den Umgang der Regierung mit der Katastrophe berichtet hatten. Der in Uralsk lebende Journalist Raul Uporov wurde wegen “Rowdytums” zu einer Geldstrafe verurteilt, nachdem er die Einschränkungen der Medienberichterstattung über die Überschwemmungen scharf kritisiert hatte.
Im Mai verurteilte ein Gericht die Journalistin Jamilya Maricheva des ProTenge Projektes wegen “Verbreitung von Falschinformationen” zu einer Geldstrafe. Sie hatte auf ihrem Telegram-Kanal einen Kommentar zur Unterstützung der Journalist*innen von Radio Azzattyk gepostet, denen die Behörden die Akkreditierung verweigert hatten.
Ein im Juni verabschiedetes Mediengesetz enthielt neue Bestimmungen über die obligatorische staatliche Registrierung von Online-Medien.
Die Gründe für die Verweigerung der Akkreditierung ausländischer Medien und ihrer Journalist*innen nach den im August veröffentlichten neuen Vorschriften waren allgemein formuliert und besagten, dass das Außenministerium Anträge auf Akkreditierung “in Übereinstimmung mit der Gesetzgebung der Republik Kasachstan” ablehnen kann. Ausländischen Journalist*innen war es nicht gestattet, ohne Akkreditierung zu arbeiten.
Im Oktober klagte eine Gruppe von Journalist*innen vor Gericht gegen neue Vorschriften für die obligatorische Akkreditierung inländischer Medien bei staatlichen Einrichtungen. Die Vorschriften schränkten die Journalisten darauf ein, nur Informationen des Medienunternehmens zu veröffentlichen oder zu zitieren, bei dem sie akkreditiert waren. Das Verfahren war Ende des Jahres noch nicht abgeschlossen.
Vereinigungsfreiheit
Die Mitgliedschaft an als “extremistisch” eingestuften Organisationen wird weiterhin mit bis zu sechs Jahren Haft bestraft.
Dutzende von Personen wurden strafrechtlich verfolgt und verurteilt, weil sie Anhänger*innen von nicht registrierten friedlichen Oppositionsparteien oder -bewegungen waren, die angeblich mit der Bewegung Democratic Choice of Kazakhstan (DVK) in Verbindung stehen, die 2018 von einem Gericht in der Hauptstadt Astana willkürlich als “extremistisch” eingestuft wurde.
Einige Aktivist*innen, die wegen Extremismus verurteilt worden waren, wurden von der Regierung auf die “Liste der Organisationen und Personen, die mit der Finanzierung von Terrorismus und Extremismus in Verbindung gebracht werden” gesetzt, so dass ihre Bankkarten und der Zugang zu ihren Bankkonten gesperrt wurden.
Im August wurde der Journalist und politische Aktivist Duman Mukhamedkarim wegen Finanzierung und Beteiligung an einer verbotenen “extremistischen” Organisation zu einer siebenjährigen Haftstrafe verurteilt. Die Anklage bezog sich auf seine angebliche Unterstützung der DVK-Bewegung. Im November bestätigte ein Berufungsgericht das Urteil und verbot ihm darüber hinaus, drei Jahre lang an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen und Interviews zu geben. Seine juristische Vertretung plante, die Entscheidung anzufechten.
Versammlungsfreiheit
Die Gesetzgebung schränkte friedliche Versammlungen in unangemessener Weise ein, indem sie eine vorherige Genehmigung vorschrieb, die Versammlungsorte begrenzte und Geld- oder Haftstrafen für spätere “Verstöße” vorsah. Die 12monatige Verjährungsfrist für solche “Verstöße” ermöglichte es den Behörden, Demonstrierende noch lange nach der Veranstaltung inhaftieren zu lassen, oft, um sie an der Teilnahme an künftigen Protesten zu hindern.
Die örtlichen Behörden in der Stadt Almaty haben willkürlich einen für den 8. März geplanten feministischen Marsch verboten.
Im Oktober nahm die Polizei 12 Aktivist*innen fest, die eine friedliche Protestkundgebung gegen den Bau eines Kernkraftwerks geplant hatten, und beschuldigte sie der Vorbereitung von Unruhen.
Straffreiheit
Die Behörden haben es versäumt, die Vorwürfe der unrechtmäßigen Gewaltanwendung, der Folter und anderer schwerer Menschenrechtsverletzungen, die von den Sicherheitskräften während der Proteste im Januar 2022 begangen wurden, umfassend und unverzüglich zu untersuchen und die Verantwortlichen vor Gericht zu stellen.
Von den Hunderten von Strafverfahren wegen Folter und Misshandlung, die nach den Ereignissen im Januar 2022 eingeleitet wurden, waren nach offiziellen Angaben im Januar nur 34 Personen verurteilt worden, während die Verfahren gegen fast 50 weitere Beamt*innen noch liefen. Viele Fälle wurden eingestellt.
In einigen Fällen wurde jedoch in der Berufung eine härtere Strafe verhängt. Im März wurde das Urteil gegen einen Vertragssoldaten, der im November 2023 vom Militärgericht der Garnison Almaty freigesprochen worden war, in der Berufung aufgehoben und er wurde zu einer Haftstrafe verurteilt. Er war ursprünglich wegen Amtsmissbrauchs angeklagt worden, weil er im Januar 2022 ein vierjähriges Mädchen erschossen hatte, als es mit seinen Geschwistern mit dem Auto unterwegs war, um Lebensmittel einzukaufen.
Geschlechtsspezifische Gewalt
Im April führte das Parlament erneut strafrechtliche Sanktionen für häusliche Gewalt ein und verbesserte den Schutz Betroffener häuslicher Gewalt. Dennoch fehlten umfassende Maßnahmen zur Verhinderung und Beseitigung häuslicher Gewalt, und Gewalt gegen Frauen und Mädchen war weiterhin weit verbreitet.
Im Laufe des Jahres wurden 32 Männer wegen Vergewaltigung und/oder Mord an Frauen und Kindern verurteilt. Im Jahr 2023 schätzte die Generalstaatsanwaltschaft, dass etwa 80 Frauen pro Jahr durch häusliche Gewalt starben.
Die Verurteilung des ehemaligen Wirtschaftsministers Kuandyk Bishimbayev im Mai zu 24 Jahren Haft, weil er seine Frau zu Tode geprügelt hatte, hat die Öffentlichkeit auf die hohe Rate häuslicher Gewalt im Land aufmerksam gemacht.
Im Mai äußerten die UN-Sonderberichterstatterin für Menschenrechtsverteidiger*innen und andere UN-Sachverständige ihre ernste Besorgnis über die strafrechtliche Verfolgung der im Exil lebenden Frauenrechtsaktivistin Dina Smailova, die “offenbar als Vergeltung für ihre Arbeit als Menschenrechtsverteidigerin und die Wahrnehmung ihrer Rechte auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit” erfolgte.
Rechte von LGBTI-Personen
LGBTI-Personen waren Schikanen und Diskriminierung durch die Behörden sowie durch regierungsnahe und andere Gruppen ausgesetzt, oft unter dem Vorwand, “traditionelle Werte” zu bewahren.
Eine Petition, in der ein Gesetz zur Kriminalisierung von “LGBTI-Propaganda” gefordert wurde, löste einen nationalen und internationalen Aufschrei aus, und die Anhörung zu dem vorgeschlagenen Gesetz wurde auf 2025 verschoben. UN-Sachverständige stellten fest, dass “die Petition selbst auf Vorurteilen beruht und jede daraus resultierende Gesetzgebung unweigerlich und rechtswidrig die Menschenrechte mit Füßen treten würde”.
Im Februar sperrte die Regierung eine Website, die junge Menschen über LGBTI-Themen informieren sollte, und begründete dies mit dem Schutz der nationalen Traditionen und der Rechte von Kindern.
Am 9. Oktober ersuchte ein Mitglied der regierenden Amanat-Partei die Generalstaatsanwaltschaft, Feminita, eine führende LGBTI-NRO, als “extremistische” Organisation zu bezeichnen. Am selben Tag versuchten Mitglieder der Elternvereinigung Union of Parents, eine Sitzung von Feminita zu stören, indem sie versuchten, in die Räumlichkeiten einzudringen, die Teilnehmer zu beleidigen und sie zu filmen. Die zu der Veranstaltung gerufenen Polizeibeamten fotografierten die Ausweise der Versammlungsteilnehmer*innen, ergriffen aber keine Maßnahmen gegen die Demonstrierenden. Feminita erstattete Anzeige bei der Polizei, aber der Stand der Ermittlungen war zum Jahresende nicht bekannt.
Rechte von Geflüchteten und Migranten
Aktivist*innen aus der autonomen usbekischen Republik Karakalpakstan, die sich in Kasachstan aufhalten, drohte die gewaltsame Rückkehr nach Usbekistan. Dort drohten ihnen Folter und lange Haftstrafen aufgrund politisch motivierter Anschuldigungen, weil sie sich gegen Menschenrechtsverletzungen in Karakalpakstan eingesetzt hatten. Drei Aktivisten, Akylbek Muratbai, Rasul Zhumaniyazov und Rinat Utambetov, wurden zwischen Februar und April verhaftet und in Untersuchungshaft genommen, nachdem Usbekistan ein Auslieferungsersuchen gestellt hatte, weil sie fälschlicherweise beschuldigt wurden, Informationen zu verbreiten, die eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellen. Akylbek Muratbai, der seit 10 Jahren legal in Kasachstan lebte, beantragte die Anerkennung als Flüchtling, doch die Flüchtlingskommission lehnte seinen Antrag ab. Eine Berufung gegen diese Entscheidung war Ende des Jahres anhängig.
Recht auf eine gesunde Umwelt
Der Climate Change Performance Index stufte Kasachstan als “very low performer” ein und kritisierte das Fehlen eines transparenten Bilanzierungssystems für Treibhausgasemissionen sowie das Versäumnis, Aktionspläne für den Kohleausstieg, die Klimaanpassung und einen ökologischen Wandel zu erstellen. Kasachstan gehört nach wie vor zu den 30 größten Treibhausgasemittenten der Welt.
Unterdessen wurde Kasachstan von Umweltkatastrophen heimgesucht, die durch den Klimawandel noch verschlimmert wurden. So kam es im April zu den schlimmsten Überschwemmungen seit Jahrzehnten, woraufhin in 10 der 17 Regionen des Landes der Notstand ausgerufen wurde. Zehntausende von Menschen wurden aus ihren Häusern evakuiert, mehrere starben. Die Überschwemmungen verschärften die bereits bestehenden Probleme bei der Wasserversorgung, insbesondere die Ungleichheit beim Zugang zu sauberem Trinkwasser, von der vor allem ländliche Gebiete betroffen waren. Das Hochwasser schwemmte auch Vieh und Milzbrandgräber weg, was das Risiko weiter erhöhte, dass die begrenzten Wasservorräte für Trink- und Bewässerungszwecke kontaminiert werden könnten und die Ernährungssicherheit gefährdet ist.