Staat Katar
Berichtszeitraum | 1.1.2024 – 31.12.2024 |
Englischer Originaltext | Qatar |
Weitere Online-Dokumente von Amnesty International Deutschland | Katar |
Arbeitsmigrant*innen, darunter auch Hausangestellte, litten weiterhin unter Menschenrechtsverletzungen wie Lohndiebstahl, harten Arbeitsbedingungen und mangelndem Zugang zu Rechtsmitteln. Katar und die FIFA haben es erneut versäumt, für die große Zahl von Migrant*innen, deren Rechte während der Arbeit an den Projekten der Fußballweltmeisterschaft 2022 missachtet wurden, Wiedergutmachung zu leisten. Das Recht auf freie Meinungsäußerung wurde weiterhin beschnitten. Frauen und lesbische, schwule, bisexuelle, trans und intergeschlechtliche Menschen (LGBTI+) wurden per Gesetz und in der Praxis weiterhin diskriminiert. Katars Ziel, die Emissionen zu reduzieren, wurde durch den Plan zur erheblichen Ausweitung der Flüssiggasproduktion untergraben.
Hintergrund
Im November führte ein Verfassungsreferendum zur Änderung mehrerer Bestimmungen zur Aufhebung des Rechts des Volkes, die Mitglieder des Schura-Rates (Konsultativrat) zu wählen.
Rechte der Arbeitsmigrant*innen
Arbeitsmigrant*innen waren weiterhin schwerwiegenden Missständen ausgesetzt, darunter Lohndiebstahl, Beschränkungen beim Arbeitsplatzwechsel und unzureichende Beschwerde- und Rechtsschutzmechanismen. Siebzehn Männer aus Ostafrika, die exorbitante Anwerbungsgebühren gezahlt hatten, um sich einen Arbeitsplatz in Katar zu sichern, wurden bei ihrer Ankunft in Katar von ihren Sponsoren im Stich gelassen, so dass sie weder Lebensmittel noch Geld noch katarische Ausweispapiere hatten. Nach mehreren Monaten wurden sie in eine von der Regierung betriebene Unterkunft eingewiesen, wo ihre Pässe beschlagnahmt, sie über ihre Verbindungen zu verschiedenen Organisationen befragt und ihre Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt wurde. Schließlich durften sie in ihr Heimatland zurückkehren, erhielten aber keine Entschädigung für die erlittenen Misshandlungen.
Zugewanderte Hausangestellte sind weiterhin mit harten Arbeitsbedingungen konfrontiert. Im Juni schlug der Schura-Rat von Katar vor, dass Hausangestellte die vorherige Erlaubnis ihres Arbeitgebers zur Ausreise aus Katar einholen müssen, womit die 2020 abgeschafften Ausreisegenehmigungen wieder eingeführt würden. Der Vorschlag sieht auch Strafen für Arbeitnehmer*innen vor, die als “untergetaucht” gemeldet werden, sowie für diejenigen, die ihnen Unterschlupf gewähren. Sollte er angenommen werden, würde dies Hausangestellte in prekären Situationen weiter gefährden.
Die Behörden haben es versäumt, die Arbeitnehmer*innen angemessen vor extremer Hitze zu schützen. Das Arbeitsministerium meldete mehr als 350 Verstöße gegen das Verbot der mittäglichen Arbeit im Freien zwischen dem 1. Juni und dem 15. September, machte jedoch keine Angaben zu den Strafen.
Recht auf Rechtsschutzmaßnahmen
Katar und die FIFA haben es versäumt, die längst überfälligen Rechtsschutzmaßnahmen, einschließlich Entschädigungen, für die zahlreichen Arbeitnehmer*innen zu gewährleisten, deren Rechte während der Arbeit an Projekten im Zusammenhang mit der FIFA-Fußballweltmeisterschaft 2022 für Männer ein Jahrzehnt lang missachtet wurden.
Ein unabhängiger Bericht, der die Verantwortung der FIFA für die Behebung einer Reihe von Missständen anerkennt, denen Hunderttausende von Arbeitsmigrant*innen in Katar ausgesetzt sind, wurde vom FIFA-Rat im März genehmigt, aber erst im November veröffentlicht. Die zentrale Empfehlung, die Opfer zu entschädigen, wurde von der FIFA abgelehnt. [1] Wenige Tage zuvor hatte die FIFA angekündigt, dass sie in Partnerschaft mit Katar einen “Legacy Fund” in Höhe von 50 Millionen US-Dollar für die Weltmeisterschaft 2022 auflegen würde. Der Fonds umfasst Beiträge an die WHO, die Welthandelsorganisation und das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR, schließt aber jegliche Entschädigung für betroffene Arbeitnehmer aus. [2]
Die katarischen Behörden versäumten es weiterhin, den Tod von Arbeitsmigrant*innen wirksam zu untersuchen und Arbeitgeber oder Behörden zur Rechenschaft zu ziehen, so dass nicht festgestellt werden konnte, ob die Todesfälle mit der Arbeit zusammenhingen, und den Familien die Möglichkeit genommen wurde, eine Entschädigung zu erhalten.
Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit
Die Behörden schränkten weiterhin das Recht auf freie Meinungsäußerung ein, unter anderem durch willkürliche Festnahmen von Personen, die sich für mehr Rechte und Freiheiten einsetzten.
Im Juli forderte die UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen (WGAD) die sofortige Freilassung und Entschädigung von Abdullah Ibhais, einem ehemaligen Medienmanager für die Fußballweltmeisterschaft 2022 in Katar. Er wurde 2019 verhaftet und wegen eines erfundenen Bestechungsvorwurfs zu drei Jahren Haft verurteilt, nachdem er Besorgnis über die Arbeitsbedingungen von Arbeitsmigrant*innen auf den Baustellen der WM geäußert hatte. Die WGAD befand sein Verfahren als grob unfair und verwies auf erzwungene “Geständnisse” und die Verweigerung eines Rechtsbeistands. Auf diese Feststellungen haben die Behörden nicht reagiert. [3]
Im Dezember berichteten Aktivist*innen, dass ein katarischer Rechtsanwalt, der seit 2022 eine lebenslange Haftstrafe verbüßt hatte, freigelassen wurde. Sein Bruder, der ebenfalls Anwalt ist, befindet sich nach wie vor in willkürlicher Haft und verbüßt eine lebenslange Haftstrafe, nachdem er 2022 wegen der Anfechtung von Gesetzen, die vom Emir ratifiziert wurden, und der Organisation nicht genehmigter öffentlicher Versammlungen verurteilt wurde.
Rechte von Frauen und Mädchen
Frauen wurden per Gesetz und in der Praxis weiterhin diskriminiert. Im Rahmen des Vormundschaftssystems benötigten Frauen die Erlaubnis eines männlichen Vormunds, um zu heiraten, mit einem staatlichen Stipendium im Ausland zu studieren, in vielen staatlichen Berufen zu arbeiten, ins Ausland zu reisen, wenn sie unter 25 Jahre alt waren, und Zugang zur reproduktiven Gesundheitsversorgung zu erhalten.
Frauen sind nach wie vor rechtlich unzureichend gegen häusliche Gewalt geschützt.
Rechte von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans– und intergeschlechtlichen Menschen (LGBTI+)
LGBTI-Personen wurden durch die Gesetzgebung weiterhin diskriminiert. Die Behörden nahmen Personen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder des Ausdrucks ihrer Geschlechtlichkeit fest.
Im Februar verhafteten Sicherheitskräfte in Zivil Manuel Guerrero Aviña, einen britisch-mexikanischen Staatsbürger, kurz nachdem er zugestimmt hatte, einen anderen Mann über die LGBTI-Dating-App Grindr zu treffen. Seine Familie glaubte, dass er von den Strafverfolgungsbehörden in eine Falle gelockt worden war. Die Behörden hielten ihn mehr als sechs Wochen lang ohne Anklage fest, verhörten ihn ohne Anwalt und zwangen ihn, ein sogenanntes “Geständnis” in arabischer Sprache zu unterschreiben, das er nicht verstand. Die Behörden klagten ihn daraufhin wegen Drogendelikten an und verurteilten ihn zu einer sechsmonatigen Haftstrafe auf Bewährung. [4] Er kehrte im Juni in das Vereinigte Königreich zurück, nachdem er eine Abschiebungsanordnung erhalten hatte.
Recht auf eine gesunde Umwelt
Im Januar kündigte Katar seine Dritte Nationale Entwicklungsstrategie an, in der es sich verpflichtete, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 25 % “im Vergleich zum üblichen Stand” zu senken. Im Februar kündigte Katar jedoch Pläne an, seine Flüssiggasproduktion um 85 % zu steigern.
Katar schloss sich auf der COP29 anderen Ländern mit höherem Einkommen an, um bis 2035 jährlich 300 Mrd. USD bereitzustellen, um Ländern mit niedrigerem Einkommen bei der Bekämpfung des Klimawandels zu helfen.
[1] Global: FIFA must publish its review into compensation for workers harmed delivering the World Cup in Qatar, 9 May
[2] Qatar: FIFA’s Qatar World Cup Legacy Fund ignores exploited workers”, 27 November
[3] UN body calls for release of Qatar whistleblower”, 24 July
[4] Qatar: Quash conviction of British-Mexican national sentenced to six-month suspended prison term in grossly unfair trial, 5 June