Kuwait

Staat Kuwait

Berichtszeitraum 1.1.2024 – 31.12.2024
Englischer Originaltext Kuwait
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Die kuwaitische Regierung griff weiterhin auf Gesetze zur sogenannten Staatssicherheit zurück, um innen strafrechtlich zu verfolgen und zu inhaftieren und unterdrückte damit das Recht auf freie Meinungsäußerung. Unter den verfolgten Kritiker*innen befanden sich auch Abgeordnete des kuwaitischen Parlaments, der Nationalversammlung. Die Behörden stellten den Bidun, einer staatenlosen Bevölkerungsgruppe Kuwaits, nur noch in Ausnahmefällen Reisedokumente aus. Arbeitsmigrant*innen waren weiterhin der Gefahr des Missbrauchs ausgesetzt. Im dritten Jahr in Folge vollstreckten die Behörden Todesurteile.

Hintergrund

Am 15. Februar löste der Emir die im Juni 2023 gewählte Nationalversammlung auf, weil sie sich „beharrlich einer beleidigenden, undisziplinierten Sprache bediente, die nicht mit dem seiner königlichen Hoheit gebührenden Respekt vereinbar war”. Grund dafür waren Äußerungen, die der Abgeordnete Abdul-Karim al-Kandari als Reaktion auf die Kritik des Emirs an der Legislative getätigt hatte. Am 4. April fanden Parlamentswahlen statt. Doch bevor die neu gewählte Nationalversammlung zusammentreten konnte, löste der Emir sie am 10. Mai wieder auf und setzte das Parlament und die Wahlen für vier Jahre aus.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Die Behörden verstärkten ihre Angriffe auf die Meinungsfreiheit erheblich und nahmen Regierungskritiker*innen fest, insbesondere für Kritik am Emir. [1] Sie wandten dafür bestehende Gesetze an, unter anderem den Abschnitt über die nationale Sicherheit im Strafgesetzbuch von 1970 und das Gesetz über Druck und Veröffentlichungen von 2006.

Am 25. Januar verurteilte ein Gericht Anwar Hayati in erster Instanz in Abwesenheit zu vier Jahren Haft, weil er in den Sozialen Medien das Regierungssystem Kuwaits sowie Mitglieder der königlichen Familie kritisiert hatte. Anwar Hayati lebt im europäischen Exil, seit er im September 2023 eine Vorladung zur Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft erhalten hatte.

Am 31. Januar verurteilte ein Berufungsgericht den Bidun-Aktivisten Mohamed al-Bargash zu drei Jahren Haft, weil er in den Sozialen Medien die Politik Kuwaits gegenüber den Bidun kritisiert hatte. Seine Inhaftierung hatte eine abschreckende Wirkung auf andere Aktivist*innen. Er war der prominenteste Aktivist, der in den vergangenen zwei Jahren öffentlich Kritik an der Behandlung der Bidun geäußert hatte.

Am 19. Februar verurteilte ein Gericht den Aktivisten Abdullah Fairouz und den Online-Medienmanager Fuhaid al-Ajami in erster Instanz zu Haftstrafen. Anlass war eine Online-Diskussion, die sie geführt hatten und in der Abdullah Fairouz behauptet hatte, die Regierung unterhalte Handelsbeziehungen zu Israel und verstoße somit gegen kuwaitisches Recht. Im Juni hob ein Berufungsgericht die Verurteilung von Fuhaid al-Ajami auf und er wurde freigelassen. Die dreijährige Haftstrafe von Abdullah Fairouz wurde jedoch aufrechterhalten.

Am 22. Mai verurteilte ein Gericht Mesaed al-Quraifah, Kandidat bei den Parlamentswahlen, in erster Instanz zu vier Jahren Haft, weil er in einer Wahlkampfrede die politische Beteiligung der herrschenden Familie kritisiert hatte. Das Berufungsverfahren lief Ende des Jahres noch. Am 2. Juni begannen die Behörden mit der strafrechtlichen Verfolgung des Parlamentsabgeordneten Mohammad al-Mutair wegen ähnlicher Vorwürfe. Am 20. Juni verurteilte ein Gericht den ehemaligen Parlamentarier und zu dem Zeitpunkt erneut kandidierenden Hamad al-‘Ulyan aufgrund ähnlicher Anschuldigungen zu zwei Jahren Haft. Am 24. Juni verurteilte ein Gericht den ehemaligen Parlamentsabgeordneten Waleed al-Tabtaba’i zu vier Jahren Haft. Er hatte in den Sozialen Medien kritisiert, dass der Emir das Parlament ausgesetzt hatte, obwohl dessen Rolle im politischen Prozess durch die kuwaitische Verfassung garantiert ist. Ein Berufungsgericht bestätigte das Urteil am 19. September, reduzierte die Strafe jedoch auf zwei Jahre. Am 29. Juli verurteilte ein Gericht in erster Instanz den Parlamentarier Anwar al-Fikr zu drei Jahren Haft, weil er die Autorität des Emirs in den Sozialen Medien in Frage gestellt habe. Mohammad al-Mutair, Hamad al-‘Ulyan und Anwar al-Fikr wurden am 2. Juni, 8. Juli beziehungsweise 8. September gegen Kaution freigelassen bis zum Vorliegen der Ergebnisse ihrer Verfahren beziehungsweise Berufungen. Gegen Anwar al-Fikr lief ein zweites Verfahren, das Ende des Jahres noch nicht abgeschlossen war. Ihm wurde vorgeworfen, in einer Wahlkampfrede die Autorität des Emirs untergraben zu haben.

Recht auf Wohnen

Im September kündigten das Verteidigungs- und das Innenministerium in einer gemeinsamen Erklärung an, dass Personen ohne kuwaitische Staatsangehörigkeit das Recht auf eine staatliche Wohnung nach Beendigung des Militärdienstes entzogen würde. Dies kommt einer diskriminierenden Wohnungspolitik gleich, denn damit verlieren viele Bidun, die in großer Zahl im kuwaitischen Militär dienen, ihre Wohnungen, während kuwaitische Staatsangehörige bei Ausscheiden aus dem Militärdienst diese Vergünstigung behalten.

Recht auf Freizügigkeit

Im Juli gab Innen- und Verteidigungsminister Fahd Yusuf al-Sabah die Ungültigkeit aller für Bidun ausgestellten Reisedokumente bekannt. Da der Staat sich nach wie vor weigerte, sie als kuwaitische Staatsangehörige anzuerkennen, hatten die Bidun weiterhin keinen Anspruch auf reguläre kuwaitische Pässe. Gemäß Artikel 17 des Passgesetzes konnten sie ein spezielles Reisedokument (den sogenannten Pass nach Artikel 17) beantragen. Die Ausstellung unterlag jedoch der Willkür der Beamt*innen, was Missbrauch und Bestechung ermöglichte. Mit der Erklärung des Ministers im Juli wurde das Recht der Bidun zu reisen faktisch abgeschafft. Die Regierung gab bekannt, dass die Ausstellung von Reisepässen nach Artikel 17 eingefroren wurde. Ausgenommen waren davon lediglich „humanitäre Fälle (medizinische Behandlung und Ausbildung)”, für die Bidun vorbehaltlich einer Einzelfallprüfung einen Antrag oder Verlängerungsantrag stellen. Am 28. November verabschiedete die Regierung ein neues Aufenthaltsgesetz für ausländische Staatsangehörige in Kuwait (Amiri-Dekret 114/2024). Es beinhaltet aufenthaltsrechtliche Klarstellungen und verlängert in einigen Fällen die zulässige Aufenthaltsdauer. Das Gesetz gilt jedoch nicht für Bidun.

Recht auf eine gesunde Umwelt

Die ungewöhnlich extreme Hitze hielt an. Ende Mai wurden Rekordtemperaturen gemessen, die vier bis fünf Grad Celsius über den bisherigen Durchschnittswerten lagen. Der Meteorologe des staatlichen Fernsehens, Isa Ramadan, räumte ein, dass dies teilweise auf den vom Menschen verursachten Klimawandel zurückzuführen sei. Dennoch kündigte der Geschäftsführer der staatlichen Kuwait Petroleum Corporation im März an, dass die Regierung beabsichtige, die Ölförderkapazität bis 2035 von drei auf vier Millionen Barrel pro Tag zu erhöhen. Weitere Steigerungen kündigte Kuwait an, als im Juli neue Reserven im Ölfeld Al-Nokhatha entdeckt wurden.

Recht auf friedliche Versammlung

Wie bereits in den Jahren zuvor wurden Prozessionen im Freien anlässlich der schiitischen Ashura-Feierlichkeiten verboten.

Im zweiten Jahr in Folge gab es keine öffentlichen Proteste größeren Ausmaßes, nachdem die Behörden im Jahr 2022 mit strafrechtlichen Ermittlungen auf die selten vorkommenden Demonstrationen kuwaitischer Bidun reagiert hatten.

Rechte von Migrant*innen

Arbeitsmigrant*innen waren rechtlich nicht geschützt und aufgrund des Kafala-Sponsorensystems weiterhin der Gefahr des Missbrauchs ausgesetzt.

Am 12. Juni wurden mindestens 49 indische Arbeitsmigrant*innen getötet und 50 weitere verletzt, als in einem überbelegten Wohnkomplex ein Feuer ausbrach. Der Vorfall löste Besorgnis über die Lebensbedingungen sowie die Gesundheit und Sicherheit von Arbeitsmigrant*innen in Kuwait aus.

Am 1. Juli gab der Innen- und Verteidigungsminister bekannt, dass die Sicherheitskräfte eine landesweite Kampagne gestartet hätten, um Personen aufzuspüren, die gegen das Aufenthaltsgesetz verstießen. Die betroffenen Personen sollten festgenommen und abgeschoben werden. Die Sicherheitsbehörden warnten, dass auch die Beherbergung von ausländischen Staatsangehörigen ohne gültiges Visum strafrechtlich verfolgt werden könne. Die von der Regierung kontrollierte kuwaitische Presse berichtete, dass in den ersten 24 Stunden der Kampagne mehr als 700 Migrant*innen festgenommen worden seien, nachdem die Sicherheitskräfte die Ein- und Ausgänge der Stadtviertel abgesperrt hatten und durch die Straßen patrouilliert waren, um Migrant*innen anzuhalten und ihre Papiere zu überprüfen. Obwohl fast alle Arbeitsmigrant*innen bei der Beantragung von Visumsverlängerungen vollständig von ihren Arbeitgeber*innen abhängig waren, führten die Behörden die Abschiebungen durch, ohne dass gewährleistet war, dass die Betroffenen die Rechtmäßigkeit der Entscheidung anfechten konnten. Zahlreiche Migrant*innen wurden monatelang inhaftiert und warteten auf ihre Abschiebung, ohne Rechtsmittel einlegen zu können.

Todesstrafe

Kuwait verhängte weiterhin neue Todesurteile – auch für Drogendelikte, die nicht als “schwerste Verbrechen” nach dem Völkerrecht gelten. Im dritten Jahr in Folge wurden Todesurteile vollstreckt.

[1] Kuwait: Bisheriges Jahr geprägt von zunehmender Repression, 27. Juni

17. Juni 2025