Mali

Republik Mali

Berichtszeitraum 1.1.2024 – 31.12.2024
Englischer Originaltext Mali
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Die Behörden unterdrückten das Recht auf freie Meinungsäußerung verstärkt durch willkürliche Verhaftungen und Verschwindenlassen. Das Recht auf Vereinigungsfreiheit wurde regelmäßig verletzt. Regierungskräfte und bewaffnete Kräfte töteten Hunderte von Zivilpersonen. Straflosigkeit für Verbrechen unter dem Völkerrecht war weit verbreitet. Mehr als 1.600 Schulen blieben aufgrund des bewaffneten Konflikts geschlossen. Neue Gesetze verletzten die Rechte von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans und intergeschlechtlichen Menschen (LGBTI+).

Hintergrund

Mali, Niger und Burkina Faso traten im Januar aus der ECOWAS aus und bildeten im Juli eine Konföderation. Im März verlängerte die Militärregierung die politische Übergangszeit, die auf den Militärputsch von 2020 gefolgt war.

Das Friedensabkommen zwischen der Regierung und den Separatistengruppen im Norden des Landes aus dem Jahr 2015 brach zusammen und die Kämpfe im Norden gingen weiter. Bewaffnete islamistische Gruppen griffen weiterhin militärische Stellungen und lokale Gemeinschaften an, während ausländische russische Militärangehörige an der Seite der Regierungstruppen kämpften. Nach Angaben der Vereinten Nationen waren bis zum 31. Juli fast 331.000 Menschen zu Binnenvertriebenen geworden. Nach Angaben des UN-Amts für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) benötigten 32 % der Bevölkerung humanitäre Hilfe.

Nach Angaben des Interministeriellen Ausschusses für Krisen- und Katastrophenmanagement waren 264.646 Menschen von Überschwemmungen betroffen, die bis Oktober mindestens 177 Todesopfer forderten.

Willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen

Personen, die ihr Recht auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungsfreiheit und friedliche Versammlung wahrnahmen, wurden häufig willkürlich festgenommen und inhaftiert.

Im März wurde Alpha Yaya Sangaré, ein Oberstleutnant der Nationalen Gendarmerie, nach der Veröffentlichung eines Buches verhaftet, in dem die Armee beschuldigt wurde, Menschenrechtsverletzungen an Zivilpersonen begangen zu haben. Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe wurden nicht veröffentlicht. Ebenfalls im März wurde der Wirtschaftswissenschaftler Etienne Fakaba Sissoko im Zusammenhang mit seinem Buch verhaftet, in dem er den Einsatz von „Propaganda“ durch die Regierung anprangerte.[1] Im Mai wurde er wegen Verleumdung, Schädigung des Ansehens des Staates und Verbreitung von Falschmeldungen zu drei Jahren Haft (davon eines zur Bewährung ausgesetzt) und einer Geldstrafe verurteilt. Im November verlor er sein Berufungsverfahren gegen die Verurteilung.

Am 27. Mai wurde der 80-jährige Boubacar Karamoko Traoré im Büro des Premierministers verhaftet und wegen „Verunglimpfung des Staates, Missachtung des Gerichts und Verbreitung irreführender Aussagen, die die öffentliche Ordnung stören könnten“ angeklagt. Karamoko Traoré war Interimspräsident des strategischen Ausschusses der Bewegung 5. Juni  Versammlung patriotischer Kräfte, die eine Schlüsselrolle bei den Protesten nach den Wahlen 2020 spielte. Er hatte ein Memorandum unterzeichnet, in dem er die harte Führungstaktik des Militärs seit 2020 und die Entscheidung, die Wahlen zu verschieben, verurteilte. Er wurde zu einer einjährigen Haftstrafe verurteilt, die im September in der Berufung auf drei Monate reduziert wurde.

Am 20. Juni verhaftete die Gendarmerie 11 Politiker*innen, die in der Hauptstadt Bamako in der Wohnung des stellvertretenden Vorsitzenden der Partei Alliance pour la démocratie au Mali  Parti africain pour la solidarité et la justice eine Versammlung abhielten. Am 24. Juni wurden 10 von ihnen in Untersuchungshaft genommen, nachdem sie einem Ermittlungsrichter zur Anhörung vorgeführt worden waren. Am 5. Juli wurde Mohamed Aly Bathily ebenfalls im Zusammenhang mit der Versammlung verhaftet. Er wurde zusammen mit den 10 anderen wegen „Störung der öffentlichen Ordnung und Verschwörung gegen den Staat“ angeklagt. Am 9. September ordnete der Ermittlungsrichter ihre vorläufige Freilassung an. Dagegen legte der Staatsanwalt Einspruch ein, und sie blieben bis zu ihrer Freilassung im Dezember im Gefängnis von Dioila.

Am 12. Juli wurde Youssouf Daba Diawara, der ehemalige Koordinator der inzwischen aufgelösten Organisation Coordination des mouvements, associations et sympathisants de l’imam Mahmoud Dicko (CMAS), von nicht identifizierten bewaffneten Männern aus seinem Auto zur kriminalpolizeilichen Abteilung der Gendarmerie gebracht. Am 15. Juli wurde er von einem Richter wegen „Widerstands gegen die Staatsgewalt“ angeklagt, weil er im Juni an einer nicht genehmigten Demonstration teilgenommen hatte. Er wurde am 3. Oktober vorläufig freigelassen. [2]

Verschwindenlassen

Das Schicksal und der Verbleib mehrerer Personen, die von der Nationalen Agentur für Staatssicherheit (Geheimdienst) verhaftet wurden, blieben lange Zeit unbekannt.

Im März wurde Hamadoun Dicko, Mitglied der zivilgesellschaftlichen Gruppe Tabital Pulaaku Mali, nach dreimonatiger Inhaftierung an einem unbekannten Ort freigelassen. Ebenfalls im März wurden rund 20 führende Vertreter der inzwischen aufgelösten Vereinigung Association des élèves et étudiants du Mali (AEEM) ohne Anklage bis Ende Juni an einem unbekannten Ort festgehalten. Der Internetaktivist Yeri Bocoum war im Juni fast einen Monat lang „verschwunden“, nachdem er über die von der Organisation Synergie d’Actions pur le Mali organisierten Proteste berichtet hatte. Im August wurde der ehemalige Parlamentsabgeordnete Idrissa Sankaré entführt und 24 Tage lang festgehalten.

Vereinigungsfreiheit

Die Regierung löste mehrere zivilgesellschaftliche Vereinigungen auf, darunter Observatoire pour les élections et la bonne gouvernance, Kaoural Renouveau, CMAS, AEEM und die Synergie d’Actions pour le Mali. Zwischen dem 10. April und dem 10. Juli setzte die Regierung alle Aktivitäten der politischen Parteien aus. Ebenfalls im April verboten die Behörden die Medienberichterstattung über Aktivitäten von politischen Parteien und „politischen Vereinigungen“.

Rechtswidrige Tötungen

Die Konfliktparteien töteten Hunderte von Zivilpersonen rechtwidrig; einige Tötungen könnten als Verbrechen unter dem Völkerrecht gelten.

Bewaffnete Gruppen

Am 3. Januar wurden 24 Dorfbewohner von Boura, in der Region Sikasso, von Dozo-Jägern entführt. Tage später wurden die Leichen von 17 von ihnen entdeckt, so die lokale Organisation Tabital Pulaaku. Am 6. Januar töteten Dozo-Jäger 13 Menschen im Dorf Kalala-Peul in der Nähe von Ségou im südlich-zentralen Mali.

Im Mai töteten mutmaßliche Mitglieder der Groupe de soutien à l‘Islam et aux musulmans (GSIM) neun Jugendliche, die an einem Rekrutierungsprogramm der Armee teilnahmen, auf der Straße zwischen den Dörfern Goundam und Diré in der Region Timbuktu. Im selben Monat töteten mutmaßliche GSIM-Mitglieder nach Angaben von lokalen Quellen und Medien 19 Binnenvertriebene auf ihren Bauernhöfen in der Stadt Diallassagou in der Region Mopti. Nach Angaben der Regierung töteten sie im Juli etwa 23 Menschen in den Dörfern Djiguibombo und Sokorokanda in der Region Mopti und zerstörten Gebäude, darunter ein Gesundheitszentrum. Sie griffen auch das Dorf Dembo, ebenfalls in Mopti, an und töteten 20 Kleinbäuer*innen.

Regierungstruppen

Am 17. März wurden bei zwei Drohnenangriffen der Armee in Amasrakad in der Region Gao mindestens 13 Zivilpersonen, darunter sieben Kinder, getötet und mehr als 12 weitere verletzt.[3] Eine Woche später wurde bei einem weiteren Drohnenangriff eine Bildungseinrichtung im Dorf Douna in der Region Mopti getroffen, wobei 14 Menschen, darunter 11 Kinder, getötet und 9 weitere verletzt wurden.

Am 21. Oktober wurden bei Drohnenangriffen acht Zivilpersonen, darunter sechs Kinder, in Inadiatafane in der Region Timbuktu getötet. [4]

Recht auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung

Am 26. Juni verurteilte der IStGH al Hassan ag Abdoul Aziz wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. Von den Kriegsverbrechen und den Verbrechen gegen die Menschlichkeit der Vergewaltigung, sexuellen Sklaverei und Zwangsverheiratung sowie von dem Kriegsverbrechen des Angriffs auf geschützte Objekte wurde er jedoch freigesprochen. [5] Im November verurteilte ihn der IStGH zu einer Haftstrafe von 10 Jahren.

Keine Fortschritte gab es bei den Ermittlungen der nationalen Justizbehörden zu Kriegsverbrechen, die in der Region Mopti u. a. in den Dörfern Moura (2022), Ogossagou (2019 und 2020) und Sobane-Da (2019) begangen wurden.

Recht auf Bildung

Im Januar teilte der Zusammenschluss humanitärer NGOs Global Education Cluster mit, dass im Jahr 2023 1.657 Schulen aufgrund von Unsicherheit oder humanitären Krisen geschlossen wurden und blieben, wovon 497.100 Schüler*innen und 9.942 Lehrer*innen betroffen waren.

Rechte von LGBTI+

Im Dezember trat ein neues Strafgesetzbuch in Kraft, das einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen unter Strafe stellt, die mit zwei Jahren Haft und einer Geldstrafe geahndet werden.

[1] “Mali: Arbitrarily detained author must be released: Etienne Fakaba Sissoko”, 31 May

[2] “Mali: Arbitrarily detained opposition leaders must be immediately released”, 19 July

[3] “Mali: Drone strikes killed 13 civilians including seven children in Amasrakad”, 27 March

[4] “Mali: Authorities must investigate deaths of at least eight civilians, including six children, after drone strikes in Inadiatafane”, 5 November

[5] Mali: ICC conviction of Al Hassan for war crimes and crimes against humanity provides a measure of justice for victims, 27 June

30. Juli 2025