Namibia
Berichtszeitraum | 1.1.2024 – 31.12.2024 |
Englischer Originaltext | Namibia |
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Republik Namibia
Rund 40 Prozent der Bevölkerung litten unter einem hohen Maß an Nahrungsmittelknappheit. Der Zugang zu Verhütungsmitteln und Sexualerziehung war unzureichend. Die Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs unter bestimmten Umständen fand in der Öffentlichkeit breite Unterstützung. Ein Gericht entschied, einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen zu entkriminalisieren. Geschlechtsspezifische Gewalt war weit verbreitet. Indigene Völker versuchten, die Rückgabe ihres Landes auszuhandeln.
Hintergrund
Laut einer Afrobarometer-Umfrage vom Juli glauben fast zwei Drittel der Namibier, dass die Korruption zugenommen hat.
Netumbo Nandi-Ndaitwah wurde bei den Parlamentswahlen im November zur ersten Präsidentin Namibias gewählt. Die Oppositionsparteien behaupteten, dass es Mängel im Wahlablauf gab.
Im Dezember verursachten schwere Regenfälle schwere Überschwemmungen, durch die Menschen in einigen Gebieten vertrieben wurden.
Recht auf Nahrung
Im Mai rief die Regierung nach der schlimmsten Dürre seit 100 Jahren, die durch die Auswirkungen von El Niño noch verschärft wurde, den Notstand aus. Laut der „Integrated Food Security Phase Classification“ IPC (integrierten Klassifizierung der Ernährungssicherheitsphase) waren zwischen Juli und September rund 40 Prozent der Bevölkerung von großer Ernährungsunsicherheit betroffen. Das Ausmaß der Unterernährung war besorgniserregend: 17 Prozent der Kinder unter fünf Jahren wiesen ein verkümmertes Wachstum auf und 48 Prozent litten unter Blutarmut.
Sexuelle und reproduktive Rechte
Einem Afrobarometer-Bericht vom Juni zufolge befürworteten die meisten Namibier zwar einen besseren Zugang zu Verhütungsmitteln und eine umfassende Sexualerziehung, doch die Meinungen zu Schwangerschaftsabbrüchen blieben geteilt. Zweiundsiebzig Prozent befürworteten den Abbruch, wenn das Leben oder die Gesundheit der Mutter gefährdet war. 60 Prozent in Fällen von Vergewaltigung oder Inzest – Umstände, unter denen die bestehende Gesetzgebung die Anwendung erlaubt, wenn sie von Ärzten bescheinigt wird – und 47 Prozent glaubten, dass sie immer/gelegentlich unter allen Umständen gerechtfertigt ist.
Rechte von LGBTI+
Im Juni entschied der Oberste Gerichtshof von Namibia, dass die Gesetzgebung, die einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen verbietet, verfassungswidrig und diskriminierend ist.[1] Im Juli legte die Regierung Berufung gegen die Entscheidung ein.
Geschlechtsspezifische Gewalt
Die Zahl der Fälle von geschlechtsspezifischer Gewalt ist weiterhin hoch. Die namibische Polizei meldete zwischen April 2023 und Januar 2024 4.815 Fälle. In einem aufsehenerregenden Fall wurde eine Frau im April von ihrem ehemaligen Partner mit mehreren Messerstichen getötet.
In einem Bericht des UN-Bevölkerungsfonds vom September wurde festgestellt, dass die tief verwurzelte Ungleichheit zwischen den Geschlechtern und schädliche soziokulturelle Normen Frauen und Mädchen entmachten und sie anfälliger für geschlechtsbezogene Gewalt machen.
Rechte Indigener Völker
Im März forderten die Indigenen Völker der OvaHerero und Nama – Nachfahren von Opfern des Völkermords unter der deutschen Kolonialherrschaft – erneut Gespräche mit der deutschen Regierung über Wiedergutmachung und die Rückgabe von angestammtem Land. In einer gemeinsamen Erklärung der deutschen und namibischen Regierung aus dem Jahr 2021 hatte sich Deutschland für den Völkermord entschuldigt und die Finanzierung von Entwicklungsprojekten in Höhe von 1,1 Milliarden Euro zugesagt. Die betroffenen Indigenen Völker erklärten, dass bei den Verhandlungen zwischen Namibia und Deutschland über eine einvernehmliche Lösung die sinnvolle Beteiligung ihrer Vertreter*innen ausgeschlossen war und die Erklärung keine angemessenen Wiedergutmachungsmaßnahmen, einschließlich der Rückgabe von Land, vorsah. Im November erreichten beide Länder die Endphase der Verhandlungen und einigten sich auf einen Entschädigungsfonds. Bis zur Unterzeichnung des Abkommens wurden die Gespräche fortgesetzt, doch ihr Abschluss wurde durch den Zusammenbruch der deutschen Regierungskoalition im November gefährdet.
Recht auf eine gesunde Umwelt
Im März sicherte sich die Regierung eine 10-Milliarden-Dollar-Investition (ca. 8,48 Mrd. Euro) von Hyphen Hydrogen Energy zur Entwicklung des sogenannten „grünen Wasserstoffs“, unterstützt von Deutschland. Während der Markt an Endabnehmern für den Wasserstoff nicht bestätigt war, wurden Bedenken geäußert, weil die Technologie nicht erprobt sei und erneuerbare Energie aus einem Land abgeleitet werde, in dem viele keinen Zugang zu nachhaltiger Elektrizität haben.
[1] “Namibia: Decision to overturn ‘sodomy’ laws is a victory for human rights”, 21 June