Nepal
Berichtszeitraum | 1.1.2024 – 31.12.2024 |
Englischer Originaltext | Nepal |
Die Behörden gingen mit rechtswidriger Gewalt gegen Demonstrierende vor und schränkten das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie die Versammlungsfreiheit ein. Ein wichtiger Schritt zur Förderung der Transitional Justice enthielt noch immer erhebliche Lücken, die Straflosigkeit ermöglichen könnten. Gewalt gegen Frauen und Mädchen und Diskriminierung aufgrund der Kastenzugehörigkeit hielten im ganzen Land an. Zwangsräumungen wurden fortgesetzt. Die illegale Anwerbung von Arbeitsmigrant*innen wurde weiter praktiziert.
Versammlungsfreiheit
Die Regierung unterdrückte Kritik, indem sie Proteste einschränkte, unrechtmäßige Gewalt anwandte und Demonstrierende gewaltsam auseinander trieb und festnahm.
Im Januar nahm die Polizei mindestens acht Personen fest, weil sie in einer „Sperrzone“ in Maitighar, einem Viertel in der Nähe wichtiger Regierungsgebäude in der Hauptstadt Kathmandu, protestiert hatten. Am selben Ort wurden im Februar drei Personen festgenommen, weil sie gegen dieses Demonstrationsverbot protestierten. Am 26. Februar löste die Polizei mit Gewalt ein Protestlager in einem öffentlichen Park auf, in dem Opfer von Kredithaien versammelt waren, die barfuß aus ganz Nepal nach Kathmandu marschiert waren. Als Reaktion auf einen anschließenden Protest, bei dem 50 Personen das Parlament betraten, verschärften die Behörden die Protestbeschränkungen, indem sie die Sperrzonen erweiterten. Am 6. März wurden 13 Demonstrierende vor der Residenz des Premierministers, einer Sperrzone, festgenommen und inhaftiert. Im April waren einige Proteste in Maitighar erlaubt, doch die Gebiete um wichtige Regierungseinrichtungen blieben Sperrzonen. Im Mai wurden 11 Studierende, die vor dem Parlamentsgebäude gegen Korruption protestierten, festgenommen, weil sie in einer Sperrzone demonstrierten.
Die Polizei reagierte auf die Proteste mit Tränengas und tödlichen Waffen. Am 5. Januar wurde ein Mann bei einem Protest in der Gemeinde Barahathawa in Sarlahi von der Polizei erschossen. Ein Journalist wurde im Februar in Kathmandu während der Berichterstattung über das brutale Vorgehen der Polizei gegen Straßenverkäufer angegriffen und verhaftet. Im April feuerte die Polizei in Kathmandu Tränengas und Wasserwerfer ab und setzte Schlagstöcke gegen für die Monarchie Demonstrierende ein. Im Mai ging die Polizei in Kathmandu mit rechtswidriger Gewalt gegen einen friedlichen Protest für die Rechte von Menschen mit Behinderungen vor. Die Nationale Menschenrechtskommission berichtete, dass die Polizei 20 Demonstrierende, darunter auch Menschen mit Behinderungen, schlug und festnahm.
Meinungsfreiheit
Journalist*innen, Aktivist*innen und Online-Kritiker*innen waren verschärften Einschränkungen ihrer Meinungsfreiheit ausgesetzt. Zwischen Januar und Dezember verzeichnete die Organisation Freedom Forum 57 Vorfälle von Drohungen, Verhaftungen und Misshandlungen durch lokale Behörden und Mitglieder politischer Parteien, einschließlich geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Journalist*innen.
Im August verhaftete die Polizei drei Personen und hielt sie vier Tage lang fest, weil sie während eines Hindufestes in Kathmandu regierungskritische Parolen ausgerufen hatten.
Online-Kritiker*innen waren Repressalien ausgesetzt, weil sie auf Facebook Politiker*innen kritisiert hatten. Im August wurden zwei Männer wegen ihrer Kritik an dem ehemaligen Premierminister Sher Bahadur Deuba und seiner Frau festgenommen. Am 5. September wurde ein 21-jähriger Mann aus dem Bezirk Bajura nach dem Gesetz über elektronische Transaktionen (Electronic Transaction Act) verhaftet, weil er in einem Facebook-Post Premierminister KP Sharma Oli kritisiert hatte.
Journalist*innen
Am 10. Februar wurden zwei Journalist*innen im Bezirk Kanchanpur verhaftet, weil sie über die Misswirtschaft der Polizei berichtet hatten. Im April meldete die Federation of Nepali Journalists ihre Besorgnis darüber an, dass ein Journalist bedroht wurde, weil er über den illegalen Abbau von Bodenschätzen in Flussbetten berichtete. Im Mai wurde in Kathmandu der Vorsitzende der Kantipur Media Group, Kailash Sirohiya, als Vergeltung für die Korruptionsberichterstattung der Mediengruppe festgenommen und inhaftiert.
Der Gesetzentwurf über den Medienrat (Media Council Bill), der im Mai in die Nationalversammlung eingebracht wurde, enthält weiterhin Bestimmungen aus der vorherigen Fassung, die die Unabhängigkeit der Medien und die Meinungsfreiheit stark einschränken.
Straffreiheit
Im August wurde ein Gesetz zur Änderung des “Gesetzes zur Einsetzung einer Kommission für Wahrheit und Versöhnung sowie einer Kommission zur Untersuchung von Fällen des Verschwindenlassens” verabschiedet. Dieses enthält Bestimmungen, die dazu beitragen könnten, Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung für Gräueltaten aus der Konfliktzeit zu fördern. Es enthält jedoch auch schwerwiegende Lücken hinsichtlich der Strafbarkeit, darunter Definitionen von Verbrechen, die nicht den internationalen Standards entsprechen, Strafminderungen für schwere Verbrechen und andere Bestimmungen, die die Verantwortlichen für Verbrechen während des bewaffneten Konflikts vor der Strafverfolgung schützen könnten. [1]
Rechte von LGBTI+
Im Jahr 2024 wurden drei gleichgeschlechtliche Ehen amtlich eingetragen; die Eintragung verleiht jedoch nicht die vollen ehelichen Rechte.
Im Juli entschied der Oberste Gerichtshof zugunsten des Rechts einer Transfrau, ihre Geschlechtsidentität in offiziellen Dokumenten anerkennen zu lassen. Andere Personen, die eine rechtliche Anerkennung ihrer Geschlechtsidentität anstrebten, stießen weiterhin auf Hindernisse.
Gewalt gegen Frauen und Mädchen
Trotz gesetzlicher Verbote von Kinderehen, Kinderarbeit und chhaupadi (Verbannung menstruierender Frauen und Mädchen in Hütten) wurden schädliche Praktiken sowie sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen und Mädchen fortgesetzt. Am 17. Juni wurde ein 16-jähriges Mädchen in einer Menstruationshütte im Bezirk Achham vergewaltigt. Im Juli wurde ein Polizeiinspektor in Untersuchungshaft genommen, weil er ein 10-jähriges Mädchen, das in seinem Haus arbeitete, über drei Jahre lang wiederholt vergewaltigt hatte. Zwischen Juli 2023 und Juni 2024 registrierte die Polizei über 16.000 Fälle von häuslicher Gewalt. Viele Vorfälle wurden aufgrund von Stigmatisierung und systemischen Hindernissen nicht gemeldet.
Diskriminierung
Die Diskriminierung aufgrund der Kastenzugehörigkeit, einschließlich der Praxis der Unberührbarkeit, hielt an. Trotz bestehender gesetzlicher Rahmenbedingungen erschwerte die weit verbreitete Straffreiheit bei Gewalt aufgrund der Kastenzugehörigkeit die Rechtsdurchsetzung für Dalits, insbesondere für Dalit-Frauen und -Mädchen. [2] Im Januar wurde ein Mann wegen des mutmaßlichen Mordes an seiner 15-jährigen Tochter verhaftet, weil diese eine Beziehung mit einem Dalit-Jugendlichen hatte. Am 6. Juni wurde berichtet, dass es in Dalit-Siedlungen in der Gemeinde Mirchaiya-7, Siraha, an grundlegender Infrastruktur wie Trinkwasser und Strom mangelt.
Zwangsräumungen
Hunderte von Familien, die in informellen Siedlungen leben, sind weiterhin von Zwangsräumungen durch die lokalen Behörden bedroht. Obwohl die (im März aufgelöste) Nationale Landkommission im Oktober von der neuen Regierung wieder eingesetzt wurde, hatte die Kommission bis zum Jahresende nichts unternommen, um sicherzustellen, dass Land und Wohnraum an Landlose, Dalits und Menschen, die in informellen Siedlungen leben, vergeben werden.
Im Juli rissen Beamte der Stadt Dhangadhi im Bezirk Kailali die Behelfshäuser von 10 Familien, die in informellen Siedlungen leben, mit Bulldozern nieder und vertrieben die Menschen gewaltsam. Mindestens 500 von den Überschwemmungen betroffene Familien in Kailali wurden im Juli obdachlos, als das Forstamt des Bezirks ihre Unterkünfte abriss und sie dadurch vertrieb. Marginalisierte Tharu- und Dalit-Gemeinschaften waren von der anschließenden humanitären Krise besonders betroffen. [3]
Rechte von (Arbeits-)Migrant*innen
Tausende von jungen Nepalis nahmen weiterhin schwierige und gefährliche Jobs in den Golfstaaten, Malaysia und anderswo an, zahlten illegale Anwerbegebühren und arbeiteten ohne angemessenen Arbeitsschutz (siehe Länderkapitel zu Saudi-Arabien).
Rechte von Inhaftierten
Der Regierung gelang es nicht, Folter zu verhindern und der Straflosigkeit ein Ende zu setzen. [4] Im Juli starb ein Mann nach vier Tagen in Gewahrsam. Im Oktober wurde ein Mann in Polizeigewahrsam tot aufgefunden, ein weiterer am 5. November im Bezirk Kapilvastu. Bei einem Zusammenstoß in einer Jugendstrafanstalt in Banke im Juli flohen 60 Häftlinge aus der Anstalt. Im Juni meldete die Nationale Menschenrechtskommission 55 Untersuchungen von Beschwerden über Folter.
Recht auf eine gesunde Umwelt
Sintflutartige Regenfälle während der Monsunzeit im Juni und September verursachten Sturzfluten und Erdrutsche, bei denen mehr als 300 Menschen in Kathmandu und den angrenzenden Bezirken ums Leben kamen. [5] Nach Angaben der World Weather Attribution Initiative stehen diese Überschwemmungen im Zusammenhang mit der Urbanisierung und dem Klimawandel.
[1] “Nepal: New Transitional Justice Law a Flawed Step Forward”, 20 August
[2] “Nepal: Systemic descent-based discrimination against Dalits needs urgent action”, 10 May
[3] “Nepal: Preliminary findings of the joint monitoring of forced evictions by civil society organisations”, 16 July
[4] “Nepal: Government must fulfil its promise and end the use of torture and other ill-treatment”, 26 June
[5] “South Asia: Devastating Floods Yet Another Reminder for Urgent Human Rights-Consistent Climate Action”, 12 July