Republik Paraguay
Berichtszeitraum | 1.1.2024 – 31.12.2024 |
Englischer Originaltext | Paraguay |
Weitere Online-Dokumente von Amnesty International Deutschland | Paraguay |
Die unzureichende Finanzierung des öffentlichen Gesundheitswesens verursachte Verzögerungen, Engpässe und Kosten für Patient*innen und ihre Familien. Ein neues Gesetz und ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss bedrohten die Vereinigungs- und Meinungsfreiheit von Organisationen der Zivilgesellschaft und der Medien. Die Entscheidungen über 10 Gerichtsverfahren zur rechtlichen Anerkennung der Namen von Transgender-Personen standen noch aus. Geschlechtsspezifische Gewalt gab Anlass zu großer Sorge. Kinder wurden weiterhin sexuell missbraucht und misshandelt, und die Zahl der Schwangerschaften bei Jugendlichen blieb besorgniserregend hoch. Klima- und Umweltkatastrophen sowie Zwangsvertreibungen betrafen in unverhältnismäßiger Weise Indigene Völker.
Hintergrund
Der alarmierende Anstieg der organisierten Kriminalität wurde zu einem dringenden nationalen und internationalen Problem, das eine Ausweitung der militärischen Kräfte für die innere Sicherheit auf vier Departements (Verwaltungsbereiche) zur Folge hatte.
Das Nationale Institut für Statistik meldete, dass 17,2 Prozent der Bevölkerung von mehrdimensionaler Armut betroffen waren, was sich auf ihr Recht auf Arbeit, soziale Sicherheit, angemessenen Wohnraum, Gesundheit, gesunde Umwelt und Bildung auswirkte. Darüber hinaus lebten 22,7 Prozent unterhalb der monetären Armutsgrenze und 4,9 Prozent unterhalb der extremen Armutsgrenze, was ihr Recht auf Nahrung und einen angemessenen Lebensstandard beeinträchtigte. Im Jahr 2024 verdienten die reichsten 10 Prozent der Bevölkerung fast 20-mal mehr als die ärmsten 10 Prozent
Im Februar wurde Eusebio Torres Romero, ein ehemaliger Polizeibeamter, wegen Folterungen, die 1976 während des Militärregimes begangen wurden, zu 30 Jahren Gefängnis verurteilt.
Organisationen der Zivilgesellschaft äußerten sich besorgt über die Verstöße gegen ein ordnungsgemäßes Verfahren beim Ausschluss eines oppositionellen Senators aus dem Nationalkongress.
Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte
Die Regierung stellte nur unzureichende Mittel für das öffentliche Gesundheitssystem zur Verfügung und untergrub damit das Recht auf Gesundheit, insbesondere für diskriminierte Gruppen wie Indigene Völker und Transgender-Frauen.[1] Die Investitionen in das öffentliche Gesundheitswesen beliefen sich auf 4 Prozent des BIP und lagen damit unter den von der Panamerikanischen Gesundheitsorganisation empfohlenen 6 Prozent für eine allgemeine Versorgung.
Die Regierung hat es versäumt, die Steuerprogression zu erhöhen und die medizinische Grundversorgung zu stärken, so dass die Familien 38,4 Prozent der gesamten Gesundheitskosten aus eigenen Mitteln bestreiten müssen, was im Vergleich zu anderen Ländern mit ähnlichem Entwicklungsstand zu den höchsten Out-of-Pocket-Ausgaben gehört.
Die Legislative lehnte einen Gesetzentwurf zur Erhöhung der Tabaksteuer um 6 Prozent zur Finanzierung der Gesundheitsversorgung von Krebspatient*innen ab und verpasste damit eine Gelegenheit, das Recht auf Gesundheit zu verwirklichen.
Im April demonstrierten Studierende und besetzten Universitäten, um gegen die Entscheidung der Regierung zu protestieren, die Finanzierung der kostenlosen Studiengebühren und Stipendienprogramme an öffentlichen Universitäten zu ändern. Sie forderten eine umfassendere Konsultation zu diesem Thema und ein neues Steuerabkommen zur Finanzierung der Sozialpolitik, einschließlich der Hochschulbildung.
Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs- und
Versammlungsfreiheit
Der Kongress verabschiedete ein vages formuliertes Gesetz, das die Vereinigungsfreiheit bedroht und die Kontrolle über zivilgesellschaftliche Organisationen verstärken und zu willkürlichen Einschränkungen, einschließlich der Einstellung ihrer Aktivitäten, führen könnte. [2]
Die paraguayische Journalist*innengewerkschaft berichtete, dass Journalist*innen und Organisationen, die sich kritisch mit der politischen Macht auseinandersetzen, durch Fake News, die von Senator*innen während der Beratungen über dieses Gesetz verbreitet wurden, belästigt und verleumdet wurden.
Im August wurde ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss zur Geldwäsche eingesetzt, der gegen Organisationen der Zivilgesellschaft und die Medien ermitteln soll. Die Anhörungen wurden vertraulich behandelt, was Bedenken hinsichtlich der Transparenz dieses neuen Kontrollmechanismus aufkommen ließ.
Drei Aktivist*innen, die im Zusammenhang mit den Protesten während der Covid-19-Pandemie wegen Brandstiftung und Ruhestörung angeklagt waren, wurden nach einem achtmonatigen Prozess freigesprochen.
Rechte von LGBTI+ Menschen
Die Justiz hat noch keine endgültigen Entscheidungen zu zehn Klagen von Transgender-Personen erlassen, die die rechtliche Anerkennung ihrer Namen entsprechend ihrer Geschlechtsidentität anstreben. Zwei der Klägerinnen, die Transgender-Frauen Yren Rotela und Mariana Sepúlveda, die 2016 vor Zivilgerichten auf eine solche Anerkennung geklagt hatten, warteten auf eine Entscheidung des UN-Menschenrechtsausschusses bezüglich eingereichter Mitteilungen, die im Rahmen des Fakultativprotokolls zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) eingereicht wurden.
Rechte der Frauen
Geschlechtsspezifische Gewalt war weiterhin weit verbreitet. Das Frauenministerium meldete 31 Femizide und 52 versuchte Femizide im Jahr 2024, verglichen mit einem Durchschnitt von 37 Femiziden pro Jahr für den Zeitraum 2019-2023.
Alexa Torres, eine Überlebende der sexuellen Belästigung durch einen katholischen Priester, reichte beim CEDAW-Ausschuss (Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau) eine Beschwerde ein, nachdem die Justiz die Verurteilung ihres mutmaßlichen Angreifers aufgrund von Verjährung aufgehoben hatte.
Rechte der Kinder
Die Rechte von Kindern werden weiterhin verletzt. Im Jahr 2024 registrierte die Staatsanwaltschaft 3.524 Anzeigen wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern und 1.679 Anzeigen wegen Misshandlung von Kindern, verglichen mit 3.543 Anzeigen wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern und 1.559 Anzeigen wegen Misshandlung von Kindern im Vorjahr.
Die Zahl der Schwangerschaften bei Heranwachsenden ist nach wie vor hoch, und Kinder, die eine Vergewaltigung überlebt haben, sind aufgrund eines fast vollständigen Abtreibungsverbots weiterhin gezwungen, ihre Schwangerschaften auszutragen. Das Ministerium für öffentliche Gesundheit und soziale Wohlfahrt registrierte 8.578 Geburten bei jugendlichen Mädchen im Alter von 15 bis 19 Jahren, von denen 602 Indigen waren, und 339 Geburten bei Mädchen im Alter von 10 bis 14 Jahren, von denen 82 Indigen waren.
Der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes forderte Paraguay auf, sexuelle und reproduktive Gesundheit und geschlechtsspezifische Aufklärung in den Schulen einzuführen. Der Ausschuss forderte Paraguay außerdem auf, unter anderem sicherzustellen, dass die Strafjustiz in Fällen von Kindesmissbrauch, einschließlich sexueller Gewalt, einen kinderfreundlichen und sektorübergreifenden Ansatz anwendet, um eine erneute Traumatisierung zu vermeiden.
Rechte Indigener Völker
Klima- und Umweltkatastrophen haben die Indigenen Völker unverhältnismäßig stark getroffen. Im Juli berichtete der Koordinator der Indigenen Führer*innen des Bajo Chaco, dass die Trinkwasserreserven in ihren lokalen Gemeinschaften erschöpft wären und sie keine humanitäre Hilfe erhielten. Im September wütete ein Waldbrand im Nationalpark Cerro Chovoreca, dem angestammten Gebiet der Ayoreo-Indigenen, die in freiwilliger Isolation leben.
Die gewaltsame Vertreibung Indigener Völker wurde fortgesetzt. Die Tekoha Sauce Indigenen des Volkes der Avá Guaraní Paranaense warten immer noch auf die Rückgabe ihres angestammten Gebiets, das durch den Itaipú Binacional-Staudamm unter Verletzung ihrer Rechte in Besitz genommen wurde. Die Gemeinschaft war noch immer mit einem ungelösten Räumungsprozess vor einem Berufungsgericht konfrontiert.
[1] Paraguay: Well-being of millions depend on urgently needed improvements to public health system
[2] Paraguay: Veto anti civil society bill