Peru

Republik Peru

Berichtszeitraum 1.1.2024 – 31.12.2024
Englischer Originaltext Peru

Die Ermittlungen zu Todesfällen bei Protesten in den Jahren 2022 und 2023 wurden fortgesetzt. Dem Kongress vorliegende Gesetzentwürfe drohten, die Zivilgesellschaft einzuschränken. Waldbrände wüteten in großen Gebieten und verursachten Tod und Zerstörung. Menschenrechtsverteidiger*innen, insbesondere Indigene Führer*innen, waren weiterhin gefährdet, und es fehlte an Schutzmechanismen. Die öffentlichen Gesundheitseinrichtungen waren unzureichend und die Menschen nahmen zunehmend private Dienste auf eigene Kosten in Anspruch. Die Rechte von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans und intergeschlechtlichen Menschen (LGBTI+) wurden missachtet, und Transsexualität wurde zu einer “psychischen Störung” erklärt. Nur der therapeutische Schwangerschaftsabbruch war legal, aber der Zugang dazu war unzureichend. Der Gesetzgeber schlug die Abschaffung einer umfassenden Sexualerziehung vor. Sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt war nach wie vor weit verbreitet. Durch tatsächliche und vorgeschlagene Änderungen der Gesetzgebung besteht die Gefahr, dass frühere Verbrechen gegen die Menschlichkeit straffrei bleiben. Die Behörden wiesen weiterhin Flüchtlinge und Migrant*innen aus, und eine Resolution erschwerte den Zugang zu Visa für Venezolaner*innen und andere.

Hintergrund

Der Kongress hat politische Entscheidungen getroffen, die das Mandat mehrerer staatlicher Institutionen zum Schutz der Menschenrechte schwächen.

Die vom Präsidenten angekündigte Schließung des Ministeriums für Frauen und gefährdete Bevölkerungsgruppen zeigt das mangelnde Engagement der Regierung bei der Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt.

Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs- und
Versammlungsfreiheit

Es liefen strafrechtliche Ermittlungen zu 50 Toten und Hunderten von Verletzten während der Proteste zwischen Dezember 2022 und Februar 2023. [1]  Im Juli leitete die Staatsanwaltschaft Strafverfahren gegen hochrangige Militärs und Polizeiangehörige ein, und der Generalstaatsanwalt reichte eine zweite Verfassungsbeschwerde gegen Präsidentin Dina Boluarte und fünf ihrer ehemaligen Minister*innen ein. Die Ermittlungen zu den Tötungen während der Proteste im November 2020 waren nicht wesentlich vorangekommen.

Dem Kongress wurden Gesetzentwürfe vorgelegt, die die staatliche Aufsicht über zivilgesellschaftliche Organisationen ausweiten, den zivilgesellschaftlichen Raum und die externe Finanzierung einschränken und Verwaltungsdelikte für Handlungen schaffen würden, die die öffentliche Ordnung stören.

Recht auf eine gesunde Umwelt

Zwischen Januar und November zählte das Nationale Institut für Zivilschutz mehr als 241 Waldbrände im Land, bei denen 35 Menschen starben und 285 verletzt wurden. Mehrere Gemeinden und Naturschutzgebiete waren stark betroffen.

Drei Jahre nach der Ölpest vor der Küste von Ventanilla am Rande der Hauptstadt Lima meldete die Umweltbewertungs- und -aufsichtsbehörde, dass 19 betroffene Standorte noch immer Anzeichen von Umweltschäden aufwiesen. Die Behörden versäumten es weiterhin, den von der Umweltverschmutzung betroffenen Gemeinden in der Provinz Espinar im Departement Cusco angemessene Unterstützung zu gewähren.

Im Dezember riefen die Behörden einen 90-tägigen Umweltnotstand aus, nachdem am Strand von Lobitos in der Provinz Talara, Departement Piura, Öl ausgelaufen war, das über 275 Hektar, darunter auch den südlichen Teil des Naturschutzgebiets Mar Tropical de Grau, betraf.

Menschenrechtsverteidiger*innen

Im Laufe des Jahres wurden vier Verteidiger*innen von Land, Territorium und Umwelt getötet. Zwei von ihnen wurden in der Pufferzone um das Amarakaeri Communal Reserve getötet, obwohl sie unter Schutzmaßnahmen durch den Intersektionalen Mechanismus zum Schutz von Menschenrechtsverteidiger*innen standen

Das Innenministerium verfügt weiterhin nicht über ein Protokoll, das den Schutz von Menschenrechtsverteidiger*innen mit der Polizei koordinieren soll.

Im April wurden die Täter*innen des 2014 begangenen Mordes an vier Umweltschützer*innen des Indigenen Volkes der Ashéninka verurteilt.

Recht auf Gesundheit

Der Zugang zu einer angemessenen Gesundheitsversorgung wurde durch strukturelle Hindernisse erschwert. [2] Infolgedessen blieb die Selbstmedikation hoch und die Nachfrage nach medizinischer Versorgung in Apotheken, Privatkliniken und Krankenhäusern stieg, was Menschen mit geringem Einkommen unverhältnismäßig stark belastete.

Der peruanische Ärzteverband prangerte die Arzneimittelknappheit in den öffentlichen Gesundheitseinrichtungen und die unzureichende Reaktion der Behörden auf dieses Problem an.

Rechte von LGBTI+ Menschen

Die Rechte von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans und intergeschlechtlichen Menschen wurden weiterhin missachtet, und der Kongress schaffte es nicht, ein Gesetz über die rechtliche Anerkennung des Geschlechts und die Gleichstellung der Ehe zu verabschieden.

Ein Erlass des Gesundheitsministeriums erklärte “Transsexualität” zu einer “psychischen Störung”, was im Widerspruch zu den Leitlinien der WHO (Weltgesundheitsorganisation) steht. Nach Beschwerden stellte das Ministerium klar, dass Transgender-Personen in der Praxis nicht als psychische Störungen behandelt werden sollten, aber der Erlass blieb in Kraft.

Organisationen der Zivilgesellschaft kritisierten einen Gesetzesentwurf zur Lebenspartnerschaft von gleichgeschlechtlichen Paaren, der im Kongress eingebracht wurde. Er wurde als diskriminierend angesehen, konzentrierte sich auf den Schutz des väterlichen Erbes und schloss nicht alle Rechte gleichgeschlechtlicher Paare, wie die Erlangung der Staatsangehörigkeit oder des Wohnsitzes, ein.

Sexuelle und reproduktive Rechte

Hundert Jahre nach der Entkriminalisierung des therapeutischen Schwangerschaftsabbruchs bestehen nach wie vor Hindernisse, die den Zugang zu diesem Grundrecht einschränken. Auch der Zugang zu solchen Schwangerschaftsabbrüchen ist unzureichend. Im Jahr 2024 trugen 1.080 Mädchen unter 15 Jahren ihre Schwangerschaften aus, eines davon war unter 11 Jahre alt.

Der Staat hat es versäumt, die Empfehlungen zu therapeutische Abtreibungen für alle Minderjährigen umzusetzen, wie es der UN-Ausschusses für die Rechte des Kindes empfohlen hatte. Dieser hatte in 2023 im Fall von Camila, einem 13-jährigen Indigenen Mädchen, dem eine Abtreibung verweigert worden war, ein positives Urteil gefällt.

Der Zugang zu den Leitfäden des Bildungsministeriums zur umfassenden Sexualerziehung wurde vorübergehend eingeschränkt, aber nach Beschwerden von Organisationen der Zivilgesellschaft wieder freigegeben. Dennoch brachte der Gesetzgeber im Oktober den Gesetzentwurf 9174 ein, der die Abschaffung einer umfassenden Sexualerziehung vorsieht.

Sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt

Im Jahr 2024 registrierte das Ministerium für Frauen und gefährdete Bevölkerungsgruppen 168.492 Fälle von Gewalt gegen Frauen und andere gefährdete Gruppen. Davon waren 32.388 Fälle von sexueller Gewalt, von denen 22.797 (70 Prozent) gegen Personen unter 17 Jahren gerichtet waren. Das Ministerium für Frauen und gefährdete Bevölkerungsgruppen registrierte 12.924 Fälle von Vergewaltigung gegen Frauen, von denen 65 Prozent (8.416 Fälle) Mädchen und Jugendliche betrafen. Es wurden jedoch nur 2.768 Vergewaltigungskits (Utensilien zur Dokumentation von Vergewaltigungen) abgegeben, was die Frage aufwirft, ob alle Schutzprotokolle für die Opfer sexueller Gewalt umgesetzt worden sind. Im gleichen Zeitraum wurden 162 Femizide registriert. Nach Angaben des Innenministeriums wurden im Jahr 2024 10 278 Frauen und Mädchen als vermisst gemeldet, was 58 Prozent aller vermissten Personen entspricht.

Recht auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung

Im August trat das Gesetz 32107 in Kraft, nach dem Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen verjähren, die vor dem Inkrafttreten des Römischen Statuts im Jahr 2002 begangen wurden. Dies stand im Widerspruch zu den völkerrechtlichen Verpflichtungen Perus, wie dem Übereinkommen von 1968 über die Nichtanwendbarkeit der Verjährungsfristen auf Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Dennoch wendeten die Richter dieses Gesetz in mindestens drei Fällen nicht an, darunter dem Fall Huanta, in dem schließlich doch ein Urteil gegen zwei ehemalige hochrangige Kommandeure der peruanischen Marine wegen der Ermordung von sechs Menschen und des gewaltsamen Verschwindenlassens von mehr als 50 Personen im Jahr 1984 in der Provinz Huanta, Departement Ayacucho, erging. Sowie wegen des gewaltsamen Verschwindenlassens des Journalisten Jaime Alaya während des internen bewaffneten Konflikts. Der Kongress setzte seine Beratungen über den Gesetzentwurf 7549 fort, der eine Amnestie für Angehörige der Streitkräfte, der Polizei und der Regierung vorsieht, die in Fällen, die mit dem Kampf gegen bewaffnete Oppositionsgruppen zwischen 1980 und 2000 zusammenhängen, nicht rechtskräftig verurteilt wurden.

Im Juni fällte die Justiz ein historisches Urteil gegen 13 ehemalige Militärangehörige wegen der Vergewaltigung von zehn Bäuerinnen in Manta y Vilca, Provinz Huancavelica, Departement Huancavelica, in den 1980er Jahren während des internen bewaffneten Konflikts.

Ein Gerichtsbeschluss leitete den Prozess der umfassenden Wiedergutmachung für Opfer von Zwangssterilisationen in den 1990er Jahren ein.

Rechte von Flüchtlingen und Migrant*innen

Die Behörden wiesen weiterhin Migrant*innen im Rahmen des Sonderverfahrens für außergewöhnliche Verwaltungssanktionen aus, ohne die Garantie, dass die Personen von einem anderen Land aufgenommen würden.

Bislang konnten besonders schutzbedürftige Personen wie Kinder, ältere Menschen und chronisch Kranke auch ohne Pass humanitäre Visa erhalten. Im Juli trat eine Resolution in Kraft, mit der diese Befreiung von der Passpflicht aufgehoben wurde. Außerdem wurden gültige Reisepässe für Venezolaner*innen vorgeschrieben, wodurch die Rechte Tausender Menschen mit begrenztem Zugang zu aktuellen Ausweispapieren untergraben wurden.

Im Oktober erließ die Regierung einen Erlass, der Hotels und andere Beherbergungsbetriebe verpflichtet, sich die Reisedokumente von Ausländer*innen vorzeigen zu lassen und diese Informationen den Behörden zu melden.

[1] Who Called the Shots? Chain of Command Responsibility for Killings and Injuries in Protests in Peru, 18 July

[2] Perú: Derecho a la salud, privilegio de pocos

1. Juni 2025