Philippinen

Republik Philippinen

Berichtszeitraum 1.1.2024 – 31.12.2024
Englischer Originaltext Philippines

Die letzte der konstruierten Anklagen gegen die Menschenrechtsverteidigerin Leila de Lima wurde fallen gelassen. Die Besorgnis über das gewaltsame Verschwinden weiterer Aktivist*innen wuchs. Die Praxis des sogenannten „Red-Tagging“ (Verunglimpfung) von Menschenrechtsverteidiger*innen, einschließlich junger Aktivist*innen, hielt an, und die Regierung setzte weiterhin Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung gegen humanitäre Helfer ein. Die Tötungen im Zusammenhang mit dem “Krieg gegen die Drogen” gingen weiter. Im Rahmen des landesweiten Programmes zur Behandlung Drogenkranker kam es immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen, wie z.B. der Verletzung des Rechts auf Gesundheit.

Unterdrückung  Andersdenkender

Die Praxis des “Red-Tagging” wurde fortgesetzt. Darunter versteht man die öffentliche Verunglimpfung von Menschenrechtsverteidiger*innen und anderen Zielgruppen und von Einzelpersonen als angebliche Mitglieder und geheime Anwerber*innen der kommunistischen New People’s Army (NPA). Dies geschah trotz eines Urteils des Obersten Gerichtshofs vom Mai, der zufolge das „Red Tagging“ das Leben, die Freiheit und die Sicherheit von Menschen bedroht. UN-Expert*innen, darunter die Sonderberichterstatterin für Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung, forderten die Regierung wiederholt auf, diese Praxis zu verurteilen und unter Strafe zu stellen.

Die Behörden, vor allem der Nationale Arbeitsstab zur Beendigung lokaler kommunistischer bewaffneter Konflikte (National Task Force to End Local Communist Armed Conflict), schufen ein Klima der Angst unter jungen Menschenrechtsverteidiger*innen, indem sie soziale Medien, Fehlinformationen und ein mit Mängeln behaftetes Anti-Terror-Gesetz als Waffen einsetzten. [1]

Die Regierung ging weiterhin mit Anti-Terror-Maßnahmen gegen als „rot“ verunglimpfte Organisationen vor, darunter auch humanitäre Gruppen. Im Mai fror der Rat für Geldwäschebekämpfung die Bankkonten des Leyte Center for Development ein, weil es angeblich “terroristische” Organisationen, darunter die NPA, finanziert hatte. Im selben Monat wurden 27 Entwicklungshelfer*innen, die mit dem Community Empowerment Resource Network, einem Zusammenschluss humanitärer Organisationen, in Verbindung standen, gegen eine Kaution von 200.000 PHP (3.477 USD) pro Person auf freien Fuß gesetzt; das Justizministerium hatte sie der Terrorismusfinanzierung beschuldigt. Mehr als 30 Aktivist*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen wurden im Mai im Zusammenhang mit Terrorismusvorwürfen unter Anklage gestellt. Das Militär hatte sie zuvor beschuldigt, an einer bewaffneten Auseinandersetzung im Jahr 2023 beteiligt gewesen zu sein. Die Anklagen gegen mindestens vier von ihnen wurden im September fallen gelassen.

Im Mai verurteilte ein regionales Gericht einen Mann wegen Mordes, nachdem er angeblich gestanden hatte, den Regierungskritiker und Rundfunksprecher Percival “Percy Lapid” Mabasa im Jahr 2022 getötet zu haben. Der Prozess gegen einen weiteren Verdächtigen lief Ende des Jahres noch. Der mutmaßliche Drahtzieher der Tat, der ehemalige Leiter der Strafvollzugsbehörde, Gerald Bantag, blieb jedoch auf freiem Fuß.

Am 24. Juni wies ein Gericht in der philippinischen Stadt Muntinlupa die letzte noch bestehende Anklage wegen Verabredung zum Drogenhandel gegen die Menschenrechtsverteidigerin und ehemalige Senatorin Leila de Lima ab. [2] Leila de Lima hatte versucht, Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit dem „Krieg gegen Drogen“ unter der Regierung des damaligen Präsidenten Rodrigo Duterte (2016 – 2020) zu untersuchen. Die konstruierten Anklagen gegen sie gehen auf diese Untersuchungen zurück.

Im Juli hob das Berufungsgericht die Anordnung der Börsenaufsichtsbehörde von 2018 auf. Die Behörde hatte damals die Schließung des unabhängigen Nachrichtenportals Rappler angeordnet. Eine Anklage wegen Cyberverleumdung gegen die Rappler-Gründerin und Nobelpreisträgerin Maria Ressa und ihren ehemaligen Kollegen ist jedoch weiter anhängig – eines Vergehens, das mit einer Freiheitsstrafe geahndet wird.

Gewaltsames Verschwindenlassen

Aktivist*innen wurden zunehmend Opfer des gewaltsamen Verschwindenlassens. Im April wurde Berichten zufolge der Arbeitsrechtsaktivist William Lariosa in der Provinz Bukidnon entführt; das Militär bestritt, ihn in Gewahrsam zu haben. Lariosa blieb bis zum Jahresende vermisst.

Im September erließ der Oberste Gerichtshof eine vorläufige Schutzanordnung im Fall der vermissten Aktivisten Gene Roz Jamil de Jesus und Dexter Capuyan. Die Anordnung verbietet es bestimmten Personen, einschließlich Polizei- und Militärbeamten, sich in einem Umkreis von einem Kilometer um die unmittelbaren Familien der beiden Aktivisten aufzuhalten. De Jesus und Capuyan werden seit ihrer gemeldeten Entführung im Jahr 2023 weiterhin vermisst. Ende des Jahres befasste sich das Berufungsgericht weiterhin mit dem Antrag der Familien, die Regierungsbehörden zu verpflichten, die beiden vor Gericht zu stellen, falls sie in Haft sind, oder ihnen Zugang zu Informationen über die beiden zu gewähren.

Die Umweltaktivistin Rowena Dasig wurde vermisst, nachdem sie am 22. August aus der Haft in der Provinz Quezon entlassen worden war; über zwei Monate später wurde sie wohlbehalten wieder aufgefunden. Ebenfalls im August entführten Unbekannte Berichten zufolge bei zwei verschiedenen Gelegenheiten die Freunde und Aktivisten James Jazmines und Felix Salaveria Jr. in Tabaco City, Provinz Albay. Beide blieben bis zum Jahresende vermisst.

Am 28. September wurde die Bauernrechtsaktivistin Fhobie Matias Berichten zufolge von Soldaten gewaltsam in ein Militärlager in der Provinz Laguna gebracht; Wochen später erklärte die philippinische Armee, sie habe sich freiwillig ergeben und zugegeben, Mitglied der New People’s Army (NPA) zu sein.

Straflosigkeit

Die rechtswidrigen Tötungen im Zusammenhang mit dem laufenden “Krieg gegen die Drogen” gingen weiter. Das im Rahmen des Dahas-Projektes durchgeführte Monitoring ergab, dass im Laufe des Jahres mindestens 871 Menschen bei Polizeieinsätzen zur Drogenbekämpfung getötet wurden. 5 Das Projekt ist an der Universität der Philippinen Diliman angesiedelt und hat das Ziel, eine fakten-basierte Intervention in der öffentlichen Debatte auf den Philippinen über das Thema Gewalt und Tendenzen zum Autoritarismus zu ermöglichen, insbesondere im Zusammenhang mit den Todesfällen im Rahmen des „Kriegs gegen die Drogen“.

Sowohl das Repräsentantenhaus als auch der Senat führten Anhörungen durch, um die außergerichtlichen Hinrichtungen im “Krieg gegen die Drogen” zu untersuchen. Die pensionierte Polizeibeamtin Royina Garma gab an, der ehemalige Präsident Duterte und Senator Bong Go hätten ein System von Barzahlungen als Belohnung für diejenigen angeordnet, respektive koordiniert, die Menschen töteten, die des Drogenkonsums oder -handels verdächtigt wurden. Der ehemalige Polizeichef und Senator Ronald Dela Rosa wurde beschuldigt, die Menschenrechtsverteidigerin Leila de Lima fälschlicherweise mit dem illegalen Drogenhandel in Verbindung gebracht zu haben. Sowohl Go als auch Dela Rosa wiesen die gegen sie erhobenen Vorwürfe zurück. Im Oktober gab Duterte gegenüber dem Senat zu, dass er während seiner Zeit als Bürgermeister von Davao City eine “Todesschwadron” unterhalten hatte, um mutmaßliche Kriminelle töten zu lassen. Zuvor hatte Garma enthüllt, dass Duterte sie gebeten hatte, das “Davao-Modell” zu übernehmen, sobald er Präsident sei. Der Begriff „Davao-Modell“ war eine direkte Anspielung auf Todesschwadrone und ungesetzliche Tötungen. Im November richtete das Justizministerium eine Arbeitsgruppe ein, die den “Krieg gegen die Drogen” der Regierung Duterte untersuchen sollte, einschließlich der Möglichkeit, Duterte wegen Verletzung des humanitären Völkerrechts anzuklagen. [3]

Für rechtswidrige Tötungen Verantwortliche wurden nach wie vor nur in Ausnahmefällen zur Rechenschaft gezogen. In mindestens zwei Fällen wurden jedoch Polizeibeamte verurteilt. Am 27. Februar verurteilte ein Gericht einen Polizeibeamten wegen Mordes an dem 17-jährigen Jemboy Baltazar. Baltazar war im August 2023 getötet worden. Vier weitere Polizeibeamte wurden ebenfalls wegen illegalen Schusswaffengebrauchs verurteilt; ein Polizist wurde freigesprochen. Ein anderes Gericht verurteilte vier Polizeibeamte wegen Mordes an Luis und Gabriel Bonifacio. Die beiden – Vater und Sohn – waren während eines Polizeieinsatzes zur Drogenbekämpfung im Jahr 2016 getötet worden.

Ein dreijähriges gemeinsames Programm der UN und der philippinischen Regierung, das technische Hilfe und Unterstützung für die Philippinen bei der Umsetzung ihrer Menschenrechtsverpflichtungen beinhaltete, endete im Juli. Zivilgesellschaftliche Gruppen forderten eine objektive Bewertung des Programms. Sie wiesen darauf hin, dass es auch mit Hilfe des Programmes nicht gelungen war, die Rechenschaftspflicht für außergerichtliche Hinrichtungen im Zusammenhang mit Drogendelikten voranzutreiben. [4] Nach Abschluss des Programms setzte Präsident Ferdinand Marcos Jr. einen Sonderausschuss für Menschenrechtskoordinierung (Special Committee on Human Rights Coordination) ein, der die Aufgabe hat, Mechanismen zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte zu stärken. Verschiedene Gruppen kritisierten den Ausschuss als überflüssig und fehlerhaft. [5]

Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) setzte seine Untersuchungen zu außergerichtlichen Tötungen fort. Im Juli bestätigte die Regierung, dass der  Ankläger des IStGH um ein Gespräch mit verschiedenen philippinischen Amtsträger*innen gebeten hatte, die als “verdächtig” gelten. Die Regierung wiederholte jedoch, dass sie nicht mit dem IStGH zusammenarbeiten werde.

Recht auf Gesundheit

Im Juli veranstalteten die Vereinten Nationen und die philippinische Regierung ein gemeinsames Gipfeltreffen zur Drogenpolitik. Ziel war die Änderung des Anti-Drogen-Gesetzes des Landes sowie die Identifizierung gesundheitsorientierter Ansätze für die Drogenpolitik.

Nachforschungen von Amnesty International ergaben, dass die Programme der Regierung zur Drogenbehandlung und zur Rehabilitation mit Verstößen gegen die Rechte auf Gesundheit, auf Freiheit, auf Privatsphäre, auf freie und informierte Zustimmung sowie gegen das Recht auf Schutz vor Folter und anderen Misshandlungen einhergehen. Die Recherche zeigte auch im Einzelnen auf, wie Menschen, die des Drogenkonsums beschuldigt wurden, gezwungen wurden, sich einem gerichtlich angeordneten Programm zu unterziehen, das nicht faktenbasiert war und einer willkürlichen Inhaftierung gleichkam. [6]

Rechte von Lesben, Schulen, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen (LGBTI+)

Im Mai wurde mit dem Sexual Orientation, Gender Identity, Gender Expression, or Sex Characteristics Equality Bill der Entwurf zu einem umfassenden Gleichstellungsgesetz für lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen im Plenum des Repräsentantenhauses diskutiert. Fast ein Jahr zuvor war der Gesetzentwurf bereits auf Ausschussebene angenommen worden. Es wurde jedoch nicht in die Liste der vorrangigen Gesetzesvorhaben der Regierung aufgenommen.

Recht auf eine gesunde Umwelt

Im August billigte ein Ausschuss des Repräsentantenhauses einen Gesetzentwurf, der die Unternehmen dazu verpflichten soll,  ihre Treibhausgasemissionen im Einklang mit den Dekarbonisierungsplänen der Regierung zu begrenzen. Bis zum Jahresende stand jedoch noch die Zustimmung beider Kammern des Kongresses sowie des Präsidenten zu dem Gesetzentwurf aus. Beides ist Voraussetzung für eine Verabschiedung als Gesetz.

[1] “Philippines: “I turned my fear into courage”: Red-tagging and state violence against young human rights defenders in the Philippines”, 14 October

[2] “Philippines: Vindication for Leila de Lima as last bogus charge dismissed”, 24 June

[3] “Philippines: Ensure long-awaited accountability for ‘war on drugs’”, 22 November

[4] “Philippines: Oral Statement to HRC: Item 10: Technical assistance and capacity-building”, 9 October

[5] “Philippines: HR super body superfluous, Amnesty urges Marcos to adhere to UN recommendations”, 12 May

[6] “Philippines: ‘Submit and surrender’: The harms of arbitrary drug detention in the Philippines”, 28 November

 

1. Juni 2025