Schweizer Konföderation
Berichtszeitraum | 1.1.2024 – 31.12.2024 |
Englischer Originaltext | Switzerland |
Sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt
Am 1. Juli trat eine Änderung des Strafgesetzbuchs in Kraft. Demnach wird „Sex gegen den Willen einer anderen Person“ als Vergewaltigung anerkannt und damit die veraltete Definition von Vergewaltigung abschafft. In dieser wurde die die Anwendung von körperlicher Gewalt, Bedrohung oder Nötigung vorausgesetzt und nur Frauen wurden als Opfer angesehen.[1]
Im Juni änderte das Parlament das Ausländer- und Integrationsgesetz, um ausländische Opfer häuslicher Gewalt besser zu schützen.
Diskriminierung
In einem bahnbrechenden Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in der Rechtssache Wa Baile vs. Schweiz wurde die Schweiz wegen Racial Profiling bei der Durchsuchung und Bestrafung eines schwarzen Schweizer Bürgers verurteilt.[2]
Das Parlament beauftragte die Regierung mit der Ausarbeitung eines Aktionsplans zur Bekämpfung von Rassismus und Antisemitismus.
Im September stimmte das Unterhaus (Nationalrat) dafür, dem Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten künftig alle Mittel zu streichen. Es forderte die Regierung auf, innerhalb der UNO Maßnahmen zu ergreifen, um das Hilfswerk vollständig zu ersetzen. Dies spiegelt die im Parlament herrschende antipalästinensische Stimmung wider. Der Ständerat verschob die Entscheidung darüber auf das Jahr 2025.
Rechte von Menschen mit Behinderungen
Im September unterzeichneten 108.000 Schweizer Bürger*innen die „Inklusionsinitiative“, mit der die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen in der Verfassung verankert werden soll. Es wird erwartet, dass sie innerhalb der nächsten drei Jahre dem Volk zur Abstimmung vorgelegt wird.
Meinungs- und Versammlungsfreiheit
Das Recht auf Protest wurde in mehreren Kantonen eingeschränkt. Im März stimmten die Einwohner*innen des Kantons Zürich für ein Gesetz, das eine vorherige Genehmigung für öffentliche Demonstrationen vorschreibt und die Polizei anweist, den Organisator*innen von Demonstrationen die Kosten für deren Überwachung in Rechnung zu stellen. Sie lehnten damit aber einen noch extremeren Vorschlag ab. Im April wurde ein Gesetzentwurf vorgelegt, der Demonstrationen in Teilen der Genfer Innenstadt verbieten würde.
Im Mai verhängten akademische Einrichtungen Beschränkungen für Studierendenproteste zur Unterstützung der Palästinenser. Sie wurden verboten, es gab Aufforderungen an die Polizei, die Proteste aufzulösen, und rechtliche Schritte gegen Studierende wurden angedroht und eingeleitet. Politiker forderten restriktivere Gesetze, um künftige Proteste an Universitäten zu verhindern, und die strafrechtliche Verfolgung von Demonstrierenden. Zu Beginn des akademischen Jahres gab es erneut Versuche, Proteste und Veranstaltungen zur Unterstützung der palästinensischen und libanesischen Opfer der israelischen Angriffe durchzuführen.
Recht auf eine gesunde Umwelt
Im April stellte der EGMR in dem bahnbrechenden Fall KlimaSeniorinnen Schweiz und andere vs. die Schweiz eine Verletzung der Artikel 6 und 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention fest. Dem Urteil zufolge habe die Schweiz es versäumt, die besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse zu berücksichtigen, um die globale Erwärmung auf 1,5°C zu begrenzen. Außerdem habe sie keine wirksamen Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels ausgearbeitet und in Kraft gesetzt.[3] Das Parlament und die Regierung kritisierten das Urteil und behaupteten, die Schweiz habe bereits ausreichende Maßnahmen ergriffen. Sie argumentierten, der EGMR habe sein Mandat überschritten.[4] Anträge im Parlament, aus der Europäischen Menschenrechtskonvention auszutreten, wurden abgelehnt. Trotz ihrer Einwände hat die Schweiz dem Europarat einen nationalen Aktionsplan zur Umsetzung des Gerichtsurteils vorgelegt.
Rechte von Flüchtlingen und Migrant*innen
Im Jahr 2023 wurden neue Fälle von Misshandlungen von Kindern, einschließlich körperlicher Gewalt, in Bundesasylzentren bekannt.[5] Die Regierung legte Vorschläge zur Änderung des Gesetzes über die Familienzusammenführung vor. Ein neues Gesetz, das die Inhaftierung von Kindern in Bundesasylzentren ohne angemessene Sicherheitsvorkehrungen ermöglicht, war im Parlament anhängig.
[1] “Switzerland: New sexual criminal law comes into force: An important step forward, but still not enough”, 27 June (French and German only)
[2] “Switzerland: Mohamed Wa Baile wins ethnic profiling case as the European Court of Human Rights unanimously condemns racial discrimination”, 4 March
[3] “Switzerland: Parliament must respect landmark climate case”, 4 June
[4] “Europe: New Amnesty briefing analyzes landmark climate judgments of the European Court of Human Rights”, 21 August
[5] Schweiz: Kinderrechte in Bundesasylzentren müssen besser geschützt werden, 22. Oktober