Demokratische Sozialistische Republik Sri Lanka
Berichtszeitraum | 1.1.2024 – 31.12.2024 |
Englischer Originaltext | Sri Lanka |
Die Regierung unterdrückte weiterhin mittels drakonischer Gesetze die Inanspruchnahme von Meinungs- und Vereinigungsfreiheit. Sie verabschiedete ohne angemessene Konsultation und unter Verletzung internationaler Menschenrechtsnormen.zusätzlich neue Gesetze, um abweichende Meinungen zu unterdrücken, Minderheiten, Aktivist*innen und die Zivilgesellschaft wurden weiterhin eingeschüchtert und schikaniert. Die Regierung erzielte keine nennenswerten Fortschritte in Bezug auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung für die Opfer des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts, der im Mai 2009 endete. Vorschläge zu Gesetzesänderungen mit dem Ziel, die Rechte von LGBTI-Personen und muslimischen Frauen und Mädchen zu garantieren, wurden nicht umgesetzt.
Hintergrund
In der zweiten Jahreshälfte fanden sowohl Präsidentschafts- wie Parlamentswahlen statt. Trotz der Verlängerung eines Kreditrahmens des Internationalen Währungsfonds, der ab 2023 insgesamt 1.333 Millionen Dollar bereitstellt, wird die Armutsquote nach Angaben der Weltbank bis 2026 voraussichtlich über 22 % betragen.
Wirtschaftliche und soziale Rechte
In der zweiten Phase des Sozialhilfeprogramms „Aswesuma“, die im Februar startete, stieg zwar die Zahl der Begünstigten. Diejenigen, die kein Bankkonto besitzen, konnten jedoch keine monatlichen Zahlungen erhalten. Die Regierung wurde dafür kritisiert, dass sie nicht ausreichend über das Programm informiert hatte.
Die tamilischen Teeplantagen-Arbeiter*innen von Malaiyaha lenkten die Ausmerksamkeit darauf, dass die Regierung es versäumt habe die Arbeiter*innen in Kleinbetrieben und auf privaten Ländereien in der Südprovinz angemessen zu schützen, weil es keine ausreichenden Vorschriften und Kontrollen gibt. Zu den Missständen gehörten Zwangsarbeit, Schuldknechtschaft, Einschränkungen der Bewegungsfreiheit und die Weigerung, menschenwürdige Löhne zu zahlen, Urlaubsansprüche zu gewähren und angemessene Unterkünfte bereitzustellen.
Den Beschäftigten in Freihandelszonen, darunter auch denen in der Textilindustrie [, wurde das Recht auf Vereinigungsfreiheit durch übermäßig restriktive Vorschriften vorenthalten. Die Behörden versäumten es, die gewerkschaftlich organisierten Arbeiter in der Textilindustrie ] vor Schikanen der Fabrikmanager zu schützen. Die Regierung umging die vorgesehenen dreigliedrigen Konsultationsmechanismen. .[1]
Meinungs- und Vereinigungsfreiheit
Am 24. Januar verabschiedete das Parlament das Online-Sicherheitsgesetz (OSA). Trotz der Änderungen im August gab es Befürchtungen, dass vage formulierte Straftatbestände und die Gewährung weitreichender Befugnisse für die Behörden zur Einschränkung der Meinungsfreiheit und zur Unterdrückung abweichender Meinungen genutzt werden könnten. Aus der Zivilgesellschaft wurde die Ausarbeitung des Gesetzesentwürfe, da Konsultationen und damit Transparenz fehlten kritisiert. Das OSA wurde ohne die 31 vom Obersten Gerichtshofs geforderten Änderungen verabschiedet: Kkeine der tatsächlich vorgenommenen Änderungen brachte das OSA in Einklang mit internationalen Gesetzen und Standards. Das UN-Menschenrechtsbüro (OHCHR) berichtete im August, dass bereits mindestens zwei Strafverfahren gegen Einzelpersonen und Internetfirmen in die Wege geleitet worden waren.
Im Juni wurde ein Verfahren gegen die Komikerin Nathasha Edirisooriya eingestellt. Sie war im Mai 2023 verhaftet worden, weil sie während einer Stand up-Comedy-Show Bemerkungen gemacht hatte, die angeblich respektlos gegenüber dem Buddhismus waren.
Das drakonische „Gesetz zur Verhinderung von Terrorismus“ (Prevention of Terrorism Act – PTA) wurde weiterhin gegen Minderheiten, Aktivist*innen und Kritiker*innen der Regierung eingesetzt, obwohl die Regierung ein Moratorium für seine Anwendung zugesagt hatte. Nach Angaben der Menschenrechtskommission Sri Lankas (Human Rights Commission of Sri Lanka, HRCSL) meldeten die Behörden zwischen Januar 2023 und April 2024 insgesamt 46 Fälle von Festnahmen und Inhaftierungen auf der Grundlage des PTA.
Der im Jahr 2023 vorgeschlagene Gesetzentwurf zur Terrorismusbekämpfung liegt dem Parlament weiterhin vor. Es zielt darauf ab, der Polizei, dem Militär und der Exekutive weitreichende Befugnisse einzuräumen und neue Straftatbestände zu schaffen; hierunter fällt z. B. der Versuch, Handlungen des zivilen Ungehorsams zu Terrorakten zu erklären. Die vorgeschlagenen Straftatbestände sind übermäßig weit gefasst und vage , so dass sie willkürlich angewendet und missbraucht werden können. Im Juli schlug die Regierung ein Gesetz zur Reglemtierung von NGOs vor. Es räumt den Behörden einen weiten Ermessensspielraum ein, der auch unzulässige Einschränkungen des Rechts auf Vereinigungsfreiheit beinhalten kann.
Angehörige von Minderheiten, insbesondere Tamilen und Muslime in den nördlichen und östlichen Provinzen Sri Lankas, berichteten über anhaltende Überwachung, Einschüchterung und Repressalien durch Polizei und Geheimdienste. Die Familien von “Verschwundenen“ berichteten über Schikanen, einschließlich nächtlicher Anrufe staatlicher Akteur*innene die sie über ihre Arbeit und ihr Einkommen ausfragten. Mitglieder der Zivilgesellschaft und Journalist*innen, insbesondere diejenigen, die sich mit Landrechten, dem „Verschwindenlassen“ von Personen oder ehemaligen Kämpfern befassen, waren ebenfalls Schikanen und Einschüchterungen ausgesetzt.
Das Parlament verabschiedete am 9. Juli ein Gesetz zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes, obwohl es kaum öffentliche Konsultationen gegeben hatte. Die Zivilgesellschaft und der Oberste Gerichtshof äußerten Bedenken hinsichtlich der Einführung eines vage definierten Straftatbestands im Zusammenhang mit der Telekommunikation, der zur Verletzung der Meinungsfreiheit genutzt werden könnte.
Willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen
Die Regierung leitete die zweite Phase ihrer Anti-Drogen-Initiative „Operation Yukthiya“ ein, die Missbräuchen Vorschub leistet, obwohl die Zivilgesellschaft über Menschenrechtsverletzungen berichtete und die Menschenrechtskommission Sri Lankas (HRCSL) und UN-Expert*innen die Einstellung der Operation forderten. Zu den Verstößen gehörten willkürliche Inhaftierungen (vor allem von Menschen aus sozioökonomischen Randgruppen), Folter und andere Misshandlungen sowie die Verweigerung des Rechts auf ein ordnungsgemäßes Verfahren und einen fairen Prozess. Zwischen Dezember 2023 und Mai 2024 wurden 111.074 Verdächtige festgenommen. Die Polizei berichtete, von 776 festgenommenen Vedächtigen bei 780 Razzien allein am 6. August .
Folter und andere Misshandlungen
Folter und andere Misshandlungen durch Polizei und Sicherheitskräfte gaben weiterhin Anlass zur Sorge. Zwischen Januar 2023 und März 2024 wurden dem HRCSL insgesamt 2.845 Fälle von Folter und 675 Fälle von erniedrigender Behandlung gemeldet. Einige Berichte über Folter und andere Formen der Misshandlung durch Sicherheitskräfte stammten von Tamilen aus der Nordprovinz.
Versammlungsfreiheit
Im Mai nahm die Polizei in der Ostprovinz vier tamilische Personen fest, weil sie vor einer Gedenkfeier für Menschen, die im innerstaatlichen bewaffneten Konflikt getötet worden waren, „kanji“ (ein Reisgericht) serviert hatten. Im August und September erließen Gerichte in den Städten Trincomalee und Vavuniya Anordnungen, die es den Familien der Verschwundenen untersagten, Proteste abzuhalten.
Religions- und Glaubensfreiheit
Am 22. August entschuldigte sich die Regierung offiziell für die verordneten Einäscherungen während der COVID 19-Pandemie, die in Widerspruch zu islamischen Glaubensvorstellungen gestanden hatten.
Recht auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung
Am 1. Januar machte die Regierung einen Gesetzentwurf für eine neue Kommission für Wahrheit, Einheit und Versöhnung publik; die überarbeitete Fassung wurde im August veröffentlicht. Am 9. Januar verabschiedete die Regierung das „Gesetz zur Errichtung einer Behörde für nationale Einheit und Versöhnung“ (Office for National Unity and Reconciliation Act). Beide Gesetze waren von Opfergruppen und Vertreter*innen der Zivilgesellschaft abgelehnt worden, weil es von Seiten der Regierung keine ausreichenden Konsultationen oder vertrauensbildende Maßnahmen gegeben hatte. Auch Empfehlungen zähnlicher Körperschaften wurden nicht umgesetzt. Die Gruppen verwiesen darauf, dass inländische Institutionen wie das Büro für Wiedergutmachung und das Büro für vermisste Personen keine greifbaren Ergebnisse erzielt hatten.
Es wurden weitere Massengräber entdeckt, zuletzt am 13. Juli im Hafen von Colombo. Es wurden jedoch kaum sterbliche Überreste identifiziert und an die Familien zurückgegeben.
Die HRCSL forderte eine unabhängige Untersuchung des möglichen „Verschwindenlassens“ eines Mannes aus Anuradhapura im März. In mehreren aufsehenerregenden Fällen der letzten Jahre waren keine nennenswerten Fortschritte zu verzeichnen; in einigen Fällen kam es zu erheblichen Rückschlägen. Zu diesen Fällen gehörten die Ermordung von fünf tamilischen Studierenden in Trincomalee im Januar 2006, der Mord an Lasantha Wickrematunge im Jahr 2009, das gewaltsame Verschwinden von Prageeth Eknaligoda im Jahr 2010 und die Strafverfolgungen im Zusammenhang mit den Bombenanschlägen am Ostersonntag 2019.
Im Oktober verabschiedete der UN-Menschenrechtsrat eine Resolution, mit der ein Mandat des Projekts des UN-Menschenrechtsbüros (OHCHR) zur Rechenschaftspflicht in Sri Lanka um lediglich ein Jahr verlängert wurde. [2]
Die Regierung lehnte die Rolle des OHCHR bei der dBeweisbeschaffung ab. Dies lässt befürchten, dass die tief verwurzelte Straflosigkeit fortbestehen wird. Obwohl die neue Regierung verlässliche innerstaatliche Mechanismen versprochen hat, sind bislang keine Fortschritte zu verzeichnen.
Rechte der Frauen
Im Juli wurde eine Änderung des traditionellen muslimischen Ehe- und Scheidungsgesetzes, das die Heirat und Scheidung von Muslimen in Sri Lanka regelt, dem Generalstaatsanwalt zur Genehmigung vorgelegt. An dem Gesetz wurde Kritik wegen seiner diskriminierenden Bestimmungen gegenüber Frauen und Mädchen geübt, die unter anderem Kinderehen und Polygamie zulassen. Aktivist*innen der Zivilgesellschaft äußerten ihre Sorge über die mangelnde Transparenz des Änderungsverfahrens.
Rechte von LGBTI-Personen
Am 9. Mai legte die Regierung ein Gesetz zur Gleichstellung der Geschlechter vor. Da das Gesetz anschließend vom Obersten Gerichtshof als verfassungswidrig eingestuft wurde, muss es durch ein Referendum oder mit einer Zweidrittel-Mehrheit im Parlament verabschiedet werden.
Der von Parlamentsabgeordneten eingebrachte Gesetzentwurf zur Aufhebung von Abschnitt 365 des Strafgesetzbuchs, der gleichgeschlechtliche sexuelle Beziehungen unter Strafe stellt, wurde nicht angenommen. Obwohl der Entwurf bereits im Jahre 2022 vorgelegt wurde, war sein Status weiterhin nicht ausreichend transparent.
[1] “Sri Lanka: Open Letter to the Government and Parliament of Sri Lanka on the Imminent Labour Law Reform”, 27 May
[2] “Geneva: UN HRC resolution on Sri Lanka underscores continued need for international scrutiny”, 10 October