Südafrika

Republik Südafrika

Berichtszeitraum 1.1.2024 – 31.12.2024
Englischer Originaltext South Africa
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Die geschlechtsspezifische Gewalt war nach wie vor hoch; die Täter*innen blieben straffrei, und der Staatsanwalt stellte fest, dass das Strafrechtssystem die Opfer im Stich ließ. Die Mordrate blieb hoch, und die Fähigkeit der Polizei, diese Verbrechen angemessen zu untersuchen, nahm ab. Die Polizei versäumte es, bedrohte Menschenrechtsverteidiger*innen zu schützen. Das Ministerium für Grundschulbildung hielt nicht sein Versprechen, Grubenlatrinen in Schulen abzuschaffen. Das Gesetz über die nationale Krankenversicherung wurde unterzeichnet und wurde rechtlich angefochten. Es herrschte landesweite Wasserknappheit. Das Kabinett verabschiedete ein Weißbuch, das die Rechte von Geflüchteten auszuhöhlen drohte. Die Polizei wendete weiterhin übermäßige Gewalt an. Die präsidiale Klimakommission stellte fest, dass trotz der festen Zusage, den Klimawandel zu bekämpfen, nur langsam Fortschritte erzielt wurden.

Hintergrund

Bei den Parlamentswahlen im Mai, die 30 Jahre nach dem Ende der Apartheidherrschaft stattfanden, verlor die African National Congress Party ihre Mehrheit. Es wurde eine Regierung der nationalen Einheit gebildet, der 11 politische Parteien angehören, wobei einige Kabinettsposten an andere politische Parteien vergeben wurden.

Vor den Wahlen unterzeichnete Präsident Cyril Ramaphosa das Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Hassverbrechen und Hassreden (Prevention and Combating of Hate Crimes and Hate Speech Bill).

Im Januar stellte der Untersuchungsbericht der südafrikanischen Menschenrechtskommission zu den Unruhen im Juli 2021 fest, dass die Ereignisse inszeniert waren, ohne jedoch die Verantwortlichen oder die Gründe für die Unruhen zu nennen.

Im Oktober reichte die Regierung ihre Eingabe beim Internationalen Gerichtshof (IGH) in ihrem laufenden Völkermordverfahren gegen Israel ein, in dem sie erklärte, sie habe Fakten und Beweise vorgelegt, die belegen, dass Israel im besetzten Gazastreifen einen Völkermord begeht.

Nach den offiziellen Arbeitslosenstatistiken waren 32,1 Prozent der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter arbeitslos; 34,2 Prozent der 15- bis 24-Jährigen waren nicht in Beschäftigung, Bildung oder Ausbildung.

Extreme Wetterereignisse, einschließlich Überschwemmungen, in den Provinzen KwaZulu-Natal, Westkap und Ostkap betrafen in großem Ausmaß marginalisierte Gemeinschaften.

Geschlechtsspezifische Gewalt

Die geschlechtsspezifische Gewalt ist nach wie vor stark verbreitet. Laut der vierteljährlichen Kriminalitätsstatistik für den Zeitraum Juli bis September wurden 12.765 Fälle von Sexualdelikten gemeldet, von denen 10.191 Vergewaltigungen waren. Im gleichen Zeitraum wurden 957 Frauen ermordet, was einem Anstieg von 8,6 Prozent im Vergleich zu 2023 entsprach. Das Gesetz über den Nationalen Rat für geschlechtsspezifische Gewalt und Femizide wurde im Mai unterzeichnet. Mit ihm soll ein Rat eingerichtet werden, der die Umsetzung des Nationalen Strategieplans für geschlechtsspezifische Gewalt und Femizide überwacht,[1]

Die Straflosigkeit für geschlechtsspezifische Gewalt hielt an. Eine im August 2023 beim Amtsgericht von Protea eingeleitete Untersuchung der Morde an Popi Qwabe und Bongeka Phungula hatte noch nicht begonnen, was zum Teil auf fehlende Informationen seitens des Untersuchungsbeamten zurückzuführen war. Die Frauen waren im Jahr 2017 erschossen und ihre Leichen am Straßenrand in Johannesburg abgelegt worden. Bevor die Untersuchung eingeleitet wurde, war die nationale Staatsanwaltschaft aufgrund unzureichender Beweise nicht in der Lage gewesen, Anklage zu erheben. Der Fall wurde an das Justizministerium übertragen, das die Untersuchung einleitete.

Im Juni veröffentlichte der Öffentliche Schutzbeauftragte (Public Protector) einen Untersuchungsbericht, in dem er feststellte, dass das Verhalten des Ministeriums für Justiz und Verfassungsentwicklung (DOJ&CD), des südafrikanischen Polizeidienstes (SAPS) und des Ministeriums für soziale Entwicklung einen Missstand in der Verwaltung und ein unangemessenes Verhalten in Bezug auf die Bearbeitung von Angelegenheiten von geschlechtsspezifischer Gewalt im Strafrechtssystem darstellt.

Der Oberste Gerichtshof in Pretoria urteilte im September, dass Teile des Strafrechts (Sexualdelikte und damit zusammenhängende Angelegenheiten) insofern verfassungswidrig seien, als sie eine subjektive Prüfung für strafbaren Vorsatz vorsehen. Demnach ist sexuelle Gewalt nicht strafbar, wenn eine Täter*in fälschlicherweise und unvernünftigerweisedavon ausgeht, dass die Beschwerdeführer*in zugestimmt hat.

Recht auf Leben und Sicherheit der Person

Die Mordrate blieb hoch. Zwischen Juli und September verzeichnete die Polizei 6.545 Fälle. Die Effizienz der Polizei und ihre Fähigkeit, Morde angemessen aufzuklären, auch durch die Erhebung von Anklagen gegen Verdächtige, nahm weiter ab. Die Zahl der aufgeklärten Morde ist in den letzten 12 Jahren um fast 60 Prozent zurückgegangen.

Drohungen und Angriffe gegen Menschenrechtsverteidiger*innen von Abahlali baseMjondolo, einer Bewegung von Hüttenbewohner*innen, hielten an. Die SAPS versäumte es, Schutz zu gewähren und wirksame und gründliche Untersuchungen der Morde an Mitgliedern von Abahlali baseMjondolo durchzuführen.[2]

Die Ermittlungen darüber, wer den Mord an der Whistleblowerin Babita Deokaran in Auftrag gegeben hat, dauern auch drei Jahre nach ihrem Tod noch an. Nach der Aufforderung zur Einreichung von Stellungnahmen zu einem Diskussionspapier im Jahr 2023 unternahm das Ministerium für Justiz und Inneres keine weiteren Schritte zur Verschärfung der Rechtsvorschriften zum Schutz von Whistleblower*innen.

Recht auf Bildung

Einem Bericht des Verwaltungssystems für Bildungsstätten (Education Facilities Management System) zufolge benutzten 1.770 Schulen immer noch Grubenlatrinen und 287 Schulen verfügten ausschließlich über Grubenlatrinen. Dies verletzte die Rechte auf Bildung, Gesundheit, Würde, Sicherheit und Leben und verstieß gegen die wiederholten Zusagen der Regierung, alle Grubenlatrinen in Schulen zu ersetzen.[3] Im April ertrank ein dreijähriger Junge in einer Grubenlatrine in einer Kindertagesstätte in der Provinz Ostkap.

Recht auf Gesundheit

Im Mai unterzeichnete Präsident Ramaphosa das Gesetz über die nationale Krankenversicherung (National Health Insurance, NHI). Im Juli erklärte der Oberste Gerichtshof in Pretoria bestimmte Abschnitte des Gesetzes für ungültig, die es der Regierung ermöglichen würden, zu regeln, wo medizinisches Personal praktizieren darf. Weitere verfassungsrechtliche Anfechtungen wurden erwartet. Während das NHI-Gesetz den allgemeinen Zugang zu Gesundheitsdiensten sicherstellen sollte, äußerten Organisationen der Zivilgesellschaft und medizinische Hilfsorganisationen die Befürchtung, dass das Gesetz den Zugang zur Gesundheitsversorgung aufgrund des Risikos einer weit verbreiteten Korruption weiter einschränken könnte. Weitere Bedenken betrafen den Ausschluss von Asylbewerber*innen und Migrant*innen ohne Papiere von der Regelung sowie die Befürchtung, dass das Gesetz nichts gegen den Niedergang des öffentlichen Gesundheitssystems bewirken würde.

Die Ergebnisse der Untersuchung von Life Esidimeni (einer Tochtergesellschaft eines privaten Gesundheitsdienstleisters) zum Tod von 144 psychisch Kranken in der Provinz Gauteng wurden im Juli veröffentlicht. Dabei wurde festgestellt, dass das ehemalige Mitglied des Exekutivrats für Gesundheit in Gauteng und der ehemalige Direktor der Direktion für psychische Gesundheit in Gauteng den Tod von neun Patient*innen durch ihre Nachlässigkeit bei der Beendigung des Vertrags mit Life Esidimeni im Jahr 2016 verursacht haben. Das führte dazu, dass die Patient*innen in schlecht ausgestattete und in einigen Fällen nicht zugelassene NGOs verlegt wurden. In dieser Zeit starben 144 Patient*innen, mehr als 1.400 wurden gefoltert und anderweitig traumatisiert, und 44 wurden vermisst. Es wird erwartet, dass die nationale Anklagebehörde entscheidet, ob sie im Zusammenhang mit den neun Todesfällen ein Strafverfahren einleitet.

Rechte im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit

Die hohe Geburtenrate unter Kindern und Teenagerinnen gibt weiterhin Anlass zur Sorge. Einem Bericht von Statistics South Africa vom September zufolge wurden im Jahr 2023 102.406 Kinder von Mädchen im Alter von 10 bis 19 Jahren geboren,[4] ein leichter Rückgang gegenüber 105.000 Fällen im Jahr 2022.

Recht auf Wasser

Die landesweite Wasserknappheit hielt an. Die Vororte Phoenix und Verulam der Großstadtgemeinde eThekwini in der Provinz KwaZulu-Natal waren zwei Jahre lang von einer Unterbrechung der Wasserversorgung betroffen und auf Wassertankwagen angewiesen. Regierungsbeamt*innen erklärten, dass mutmaßlicher Vandalismus, die schnell wachsende Stadtbevölkerung und die mangelnde Wartung der veralteten Infrastruktur dazu beigetragen hätten. Auch in anderen Gebieten Johannesburgs war die Wasserversorgung teilweise mehr als zwei Wochen lang unterbrochen, da nicht genügend Mittel für die Erneuerung der maroden Infrastruktur zur Verfügung standen. Expert*innen warnten, dass die Provinz Gauteng im Jahr 2029 den „Tag Null“ erleben könnte, was bedeutet, dass es überhaupt keine Wasserversorgung mehr gibt. Präsident Ramaphosa richtete unter der Leitung des stellvertretenden Präsidenten Paul Mashatile ein Wasser-Task-Team ein, um die Herausforderungen zu bewältigen.

Rechte von Flüchtlingen und Migrant*innen

Zahlreiche Organisationen der Zivilgesellschaft haben sich gegen das Weißbuch über Staatsbürgerschaft, Einwanderung und Flüchtlingsschutz ausgesprochen: „Towards a Complete Overhaul of the Migration System in South Africa(Auf dem Weg zu einer vollständigen Überarbeitung des Migrationssystems in Südafrika), das im April vom Kabinett verabschiedet wurde. Die Bedenken betrafen unter anderem die negative Darstellung der Migration, falsche Forschungsergebnisse, die zur Rechtfertigung von Migrationsbeschränkungen herangezogen werden, und den Vorschlag, dass Südafrika aus der UN-Flüchtlingskonvention austreten und mit Vorbehalten wieder beitreten solle. Das würde die verfassungsmäßigen Rechte von Geflüchteten erheblich einschränken und wiederum gegen völkerrechtliche Verpflichtungen verstoßen.

Exzessive Gewaltanwendung

Acht der VIP-Schutzbeamt*innen des stellvertretenden Präsidenten wurden mit 12 Anklagen konfrontiert, darunter Körperverletzung mit der Absicht, schwere körperliche Beeinträchtigungen zu verursachen, Körperverletzung durch Bedrohung und Behinderung der Justiz. Die Anklage bezog sich auf den mutmaßlichen Angriff auf drei Angehörige der South African National Defence Force auf einer Landstraße in der Provinz Gauteng im Juli 2023. Die Verhandlung wurde mit weiteren Zeugenaussagen fortgesetzt.

Rechtswidrige Tötungen

Im März untersuchte die Unabhängige Polizeiliche Ermittlungsbehörde (Independent Police Investigative Directorate – IPID) 1.337 Fälle von Todesfällen infolge von Polizeieinsätzen. Darunter waren auch Fälle aus den Vorjahren.

Die Polizei wurde beschuldigt, Thabelo Mbau, einen Studenten der Technischen Universität Tshwane in der Provinz Gauteng, angegriffen zu haben, was zu seinem Tod führte. Das IPID schloss seine Ermittlungen zu der Frage ab, ob die Polizei für seine Ermordung verantwortlich war. Zwei Polizeibeamte wurden wegen Mordes angeklagt, und ihr Fall wurde auf Februar 2025 zur Vorverhandlung vertagt.

Recht auf eine gesunde Umwelt

Im Februar kündigte Präsident Ramaphosa die Einrichtung eines neuen Fonds zur Bewältigung des Klimawandels an – eine gemeinsame Initiative der Regierung und des Privatsektors -, um auf die Auswirkungen des Klimawandels zu reagieren und die Widerstandsfähigkeit zu stärken. Es blieb unklar, ob der Fonds im Einklang mit einer gerechten Energiewende stehen würde.

Im Juli unterzeichnete Präsident Ramaphosa den Climate Change Act, das erste Gesetz Südafrikas, das speziell auf die Auswirkungen des Klimawandels abzielt.[5]

Ebenfalls im Juli veröffentlichte die präsidiale Klimakommission ihre erste Bewertung der Klimamaßnahmen. Darin wird festgestellt, dass trotz starker Verpflichtungen zur Bekämpfung des Klimawandels und zur Erleichterung eines gerechten Übergangs die Fortschritte, einschließlich des Ausstiegs aus fossilen Brennstoffen, nur langsam vorankommen. Das lag ihrer Ansicht nach unter anderem an unzureichenden Finanzmitteln, inkohärenten politischen Maßnahmen und schwachen Leitungsstrukturen.

[1] “South Africa: Signing of the National Council of Gender-Based Violence and Femicide Bill a positive step, but implementation is key”, 24 May 

[2] South Africa: “Our Lives Count for Nothing”: Threats, Attacks, and Killings of Members of Abahlali baseMjondolo (Shack Dwellers) Movement in South Africa’s KwaZulu-Natal Province, 29 July 

[3] “South Africa: Government must be held accountable for eradicating school pit toilets by the end of 2024”, 24 June 

[4] “South Africa: Continued increase in child and teenage pregnancy cannot be ignored”, 1 July 

[5] South Africa: Amnesty International’s Submission on The Climate Change Bill [B98-2022], 29 January 

30. Juli 2025