Republik Südkorea
Berichtszeitraum | 1.1.2024 – 31.12.2024 |
Englischer Originaltext | South Korea |
Die Zielvorgaben für Treibhausgas-Emissionen verstießen gegen die Pflicht der Regierung, künftige Generationen zu schützen. Die Behörden unterbanden weiterhin Proteste von Behinderten-Aktivist*innen. Die Gesetze zur nationalen Sicherheit wurden dazu benutzt, Personen zu verfolgen, die ihre Unterstützung für Nordkorea zum Ausdruck brachten. Gleichgeschlechtliche Paare wurden gesetzlich anerkannt und haben Anspruch auf Krankenversicherung. Die zur Bekämpfung technologie-gestützter geschlechtsspezifischer Gewalt ergriffenen Maßnahmen waren unzureichend. Wanderarbeiter*innen waren weiterhin ausbeuterischen und unsicheren Arbeitsbedingungen ausgesetzt.
Hintergrund
Im Dezember verhängte Präsident Yoon Suk-yeol das Kriegsrecht und setzte die Grundrechte, einschließlich des Rechts auf Versammlungsfreiheit, außer Kraft, was jedoch innerhalb weniger Stunden von der Nationalversammlung rückgängig gemacht wurde. Der Präsident wurde daraufhin des Amtsmissbrauchs angeklagt, ebenso wie sein Nachfolger Han Duck-soo, wobei eine endgültige Entscheidung des Verfassungsgerichts noch ausstand. Am Jahresende war die politische Krise noch nicht gelöst, und die Übernahme des Präsidentenamts erfolgte durch den stellvertretenden Premierminister Choi Sang-mok.
Anfang des Jahres nahmen Gruppen nordkoreanischer Überläufer*innen die Aussendung von Anti-Pjöngjang-Flugblättern per Ballon nach Nordkorea wieder auf, nachdem der Oberste Gerichtshof 2023 entschieden hatte, dass ein Gesetz, das solche Aktivitäten verbot, verfassungswidrig ist. Im Gegenzug ließen die nordkoreanischen Behörden mehr als 5.000 mit Exkrementen gefüllte Ballons über der entmilitarisierten Zone in Richtung Südkorea aufsteigen. Einige Ballons waren mit Zeitzündern und Sprengkapseln ausgestattet, die mehrere Brände verursachten und den Flugverkehr unterbrachen.
Recht auf eine gesunde Umwelt
Im August entschied das Verfassungsgericht, dass das Gesetz über die CO2-Neutralität aus dem Jahr 2021 die in der Verfassung verankerten Grundrechte, darunter das Recht auf eine gesunde Umwelt, nicht wirksam schützt und die Zielvorgaben des Gesetzes für Treibhausgas-Emissionen nicht ausreichen, um den Schutz künftiger Generationen zu gewährleisten. Das Gericht wies den Gesetzgeber an, das Gesetz bis März 2026 zu überarbeiten und darin die schrittweise Reduktion der Emissionen in den Jahren bis zum Erreichen des Netto-Null-Ziels 2050 festzuschreiben. Dieser Entscheidung waren im April und Mai Anhörungen in vier Fällen vorausgegangen, in denen rund 200 Personen, darunter mehr als 60 Kinder, den Standpunkt vertreten hatten, dass sie die Regierung nicht ausreichend vor den Folgen des Klimawandels schützt.[1]
Freiheit der Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit
Die Behörden schränkten friedliche Proteste, die sich für einen besseren Zugang von Menschen mit Behinderungen zum Seouler U-Bahn-System und gegen die Beendigung des Beschäftigungsprogramms für Menschen mit schweren Behinderungen richteten, weiterhin ohne rechtliche Grundlage übermäßig ein. Die Behindertenorganisation „Solidarität gegen die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen“ warf der Polizei vor, bei der Auflösung einer Demonstration am 6. Februar übermäßige Gewalt angewendet zu haben. Am 20. April wurden vier Behindertenaktivist*innen bei einer anderen Demonstration festgenommen. Alle wurden wieder freigelassen; aber drei von ihnen mussten am Jahresende noch mit einer Anklage rechnen.
Die Zahl der Strafverfahren auf der Basis des Gesetzes zur nationalen Sicherheit gegen Personen, die beschuldigt werden, Kontakte zu nordkoreanischen Behörden zu unterhalten oder ihre Unterstützung für sie zu bekunden, ist gestiegen. Im März wurde ein Mann für schuldig befunden und zu einer einjährigen Strafe ohne Freiheitsentzug verurteilt, weil er im Internet Kommentare veröffentlicht hatte, die mit Nordkorea sympathisierten. Das Gericht befand, dass die Beiträge die Existenz der Republik Korea und die freiheitliche demokratische Ordnung gefährdeten.
Rechte von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans– und intergeschlechtlichen Menschen (LGBTI+)
Im März entschied die Zentrale Militärkommission, dass eine Soldatin, die 2021 Selbstmord begangen hatte, auf dem Nationalfriedhof beigesetzt werden kann, da sie „in Ausübung ihrer Pflicht“ gestorben sei. Sie starb, nachdem sie nach einer geschlechtsangleichenden Operation aus dem Militärdienst entlassen worden war. Die Kommission hob damit eine frühere Entscheidung auf, derzufolge die Geschlechtsumwandlung von Feldwebel Byun Hui-su eine „Behinderung“ darstellte und ihre Entlassung aus dem Militär daher rechtmäßig gewesen sei und in keinem Zusammenhang mit ihrem Tod gestanden habe.
Im Juli entschied der Oberste Gerichtshof, dass gleichgeschlechtliche Paare Anspruch auf die gleichen Krankenversicherungsleistungen wie heterosexuelle Paare haben. Mit dem Urteil wurde ein Einspruch des Nationalen Krankenversicherungsdienstes gegen eine frühere Gerichtsentscheidung abgewiesen, der zufolge Kim Yong-min als Angehöriger seines gleichgeschlechtlichen Partners krankenversichert werden sollte. [2] Trotz dieser begrenzten behördlichen Anerkennung der Leistungsansprüche von Personen in gleichgeschlechtlichen Beziehungen wurden gleichgeschlechtliche Ehen durch das Urteil nicht rechtlich anerkannt.
Rechte von Frauen und Mädchen
Dem Ministerium für Gleichstellung und Familie droht weiterhin die Auflösung. Bis zum Jahresende gab es noch keine Nachfolgerin der Ministerin, die im Februar zurückgetreten war.
Geschlechtsspezifische Gewalt
Im August forderte der Präsident die Regierungsbeamten dazu auf, Maßnahmen zu ergreifen, um „Deepfake“-Bilder und -Videos mit sexuellem Inhalt aus den sozialen Medien zu verbannen. Nach Einschätzung von Frauenrechtsaktivist*innen hatte die Erstellung und Verbreitung sexuell eindeutiger, von KI generierter „Deepfake“-Inhalte in Chatrooms das Ausmaß eines „nationalen Notstands“ erreicht und war Teil des tief verwurzelten Sexismus und der Frauenfeindlichkeit im Land.
Social media-Unternehmen ergriffen keine wirksamen Maßnahmen, die den Forderungen von Überlebenden technologie-gestützter geschlechtsspezifischer Gewalt entsprochen hätten, ein Meldesystem für sexuellen Missbrauch im Internet einzurichten, mit dem solche Inhalte sofort entfernt werden können.
Rechte von Migrant*innen
Die zunehmende Angewiesenheit auf ausländische Arbeitskräfte aufgrund des Rückgangs der einheimischen Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter verstärkte die Sorge um die Arbeitsbedingungen der Ausländer*innen. Im Juli kamen bei einem Brand in einer Lithiumbatterie-Fabrik in der Stadt Hwaseong 23 Menschen ums Leben, die meisten von ihnen Arbeiter*innen aus dem Ausland. Den Fabrikbesitzern wurden unzureichende Sicherheitsstandards vorgeworfen.
Frauenrechts- und Arbeitnehmerorganisationen äußerten sich besorgt über die Behandlung philippinischer Hausangestellter, die im Laufe des Jahres im Rahmen eines Pilotprogramms der Stadtverwaltung von Seoul zur Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte ins Land gekommen waren. Ihr Lohn lag anfangs unter dem Mindestlohn. Die Beschäftigten beklagten sich auch über Verzögerungen bei den Lohnzahlungen, fehlende Erholungsmöglichkeiten und die von den Behörden verhängte nächtliche Ausgangssperre.
Recht auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung
Im Juni äußerte der UN-Ausschuss für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau (CEDAW) in seinen abschließenden Bemerkungen zum neunten periodischen Bericht der Republik Korea Bedenken darüber, dass die Regierung eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs von Seoul aus dem Jahr 2023 noch nicht umgesetzt hat, wonach „Trostfrauen“, die vor und während des Zweiten Weltkriegs vom japanischen Militär sexuell versklavt wurden, eine Entschädigung erhalten sollen. Der Ausschuss empfahl der Regierung, den Überlebenden Wiedergutmachung und Entschädigung zukommen zu lassen, einschließlich des Zugangs zu spezieller medizinischer, psychologischer und sozialer Unterstützung für die Schäden, die sie durch ihre Traumata erlitten haben.
Ein im September veröffentlichter Bericht der nationalen Wahrheits- und Versöhnungskommission belegt, dass Zehntausende von Kindern zwischen 1961 und 1987 ohne die Zustimmung ihrer Eltern an ausländische Adoptiveltern vermittelt wurden. Nach Angaben von Nichtregierungs-Organisationen wurden mindestens 200.000 südkoreanische Kinder im Ausland adoptiert; viele von ihnen waren Kinder von Müttern, die im Rahmen der sogenannten „sozialen Säuberungspolitik“ in staatlichen Wohlfahrtszentren festgehalten wurden. Die Kommission empfahl den Behörden, sich offiziell zu entschuldigen und die Opfer zu entschädigen.
Todesstrafe
Im November brachten in der Nationalversammlung 65 Abgeordnete der Opposition einen Gesetzentwurf zur Abschaffung der Todesstrafe ein. Man erwartete nicht, dass er angenommen wird, betrachtete ihn aber als einen wichtigen symbolischen Schritt, um den Druck auf die Regierung mit dem Ziel der Abschaffung der Strafe zu erhöhen.
[1] “South Korea: Climate case before South Korea’s Constitutional Court could set human rights precedent”, 20 May
[2] “South Korea: Supreme Court ruling a historic victory for same-sex couples”, 18 July