Thailand

Königreich Thailand

Berichtszeitraum 1.1.2024 – 31.12.2024
Englischer Originaltext Thailand

Das Parlament verabschiedete ein Gesetz zur Gleichstellung der Ehe für lesbische, schwule, bisexuelle, trans und intergeschlechtliche Paare (LGBTI+). Die Behörden gingen weiter hart gegen die Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit vor. Friedliche Demonstrant*innen und Regierungskritiker*innen wurden strafrechtlich verfolgt. Eine führende pro-demokratische politische Partei wurde verboten. Frauen und LGBTI-Menschenrechtsverteidiger*innen wurden gezielt überwacht und Opfer technologiegestützter geschlechtsspezifischer Gewalt. Das Ablaufen der Verjährungsfrist in dem symbolträchtigen Fall rechtswidriger Tötungen im Bezirk Tak Bai im Jahr 2004 hat die Straflosigkeit weiter verfestigt. Ein Gesetzesvorschlag zum Klimawandel bedrohte die Rechte indigener Völker.

Hintergrund

Im August ordnete das Verfassungsgericht die Entlassung von Premierminister Srettha Thavisin und seines Kabinetts wegen “schwerwiegender Verletzung oder Nichteinhaltung ethischer Normen” an. Die Anordnung erfolgte, nachdem der Premierminister eine Person in das Kabinett berufen hatte, die zuvor wegen Bestechungsvorwürfen inhaftiert worden war.

Rechte von Lesben, Schulen, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen (LGBTI+)

Am 18. Juni hat der Gesetzgeber das Gesetz zur gleichgeschlechtlichen Ehe verabschiedet. Es machte Thailand zum ersten Land in Südostasien, das die Ehe für LGBTI-Paare legalisiert hat.[1]

Freiheit der Meinungsäußerung, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit

Die Behörden gingen weiter hart gegen friedliche Demonstrant*innen und Regierungskritiker*innen vor. Die Verfahren gegen Personen, die im Zusammenhang mit den überwiegend friedlichen Protesten der Demokratiebewegung zwischen 2020 und 2023 unter Anklage standen, wurden fortgesetzt. Mindestens 22 Personen wurden im Laufe des Jahres wegen ihres politischen Online- und Offline-Aktivismus neu angeklagt. Die Verfahren gegen 1.256 Personen liefen zum Jahresende noch. Die meisten wurden aufgrund des Strafgesetzbuch wegen Majestätsbeleidigung (Lèse-Majesté – Verleumdung, Beleidigung oder Bedrohung des Monarchen) oder Aufwiegelung angeklagt, aufgrund von Bestimmungen des Gesetzes über Computerkriminalität (Computer Crimes Act) oder aufgrund einer Notverordnung die öffentliche Versammlungen während der Covid-19-Pandemie verbietet, Ende 2022 jedoch aufgehoben worden war.

Zum Jahresende befanden sich noch mindestens 40 Personen in Haft, davon eine Person in Jugendhaft. Sie waren im Zusammenhang mit Protesten oder der Ausübung ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung verurteilt worden oder warteten auf ein entsprechendes Verfahren. .

Nach Angaben der lokalen NGO Thai Lawyers for Human Rights wurden seit 2020 mindestens 1.960 Personen wegen ihrer Teilnahme an Protesten oder wegen anderer Kritik an der Regierung angeklagt.

Im Januar verurteilte ein Berufungsgericht den politischen Aktivisten Mongkol Thirakhot wegen Majestätsbeleidigung zu 22 Jahren Gefängnis, zusätzlich zu den 28 Jahren Haft, die ein vorinstanzliches Gericht 2023 wegen desselben Delikts gegen ihn verhängt hatte. Im März hatten sich drei UN-Expert*innen schriftlich an die Regierung gewandt und ihre Besorgnis darüber zum Ausdruck gebracht, dass die lange Haftstrafe – die längste, die jemals wegen Majestätsbeleidigung verhängt wurde – offenbar eine Vergeltung für Mongkol Thirakhots politischen Aktivismus und seine Kritik an der Monarchie darstellt. Dennoch verurteilte ihn das Berufungsgericht im September zu einer weiteren Haftstrafe von vier Jahren und sechs Monaten, ebenfalls wegen Majestätsbeleidigung.

Am 14. Mai starb die Demokratieaktivistin Netiporn “Bung” Sanesangkhom in einem Gefängniskrankenhaus, nachdem sie aus Protest gegen ihre willkürliche Inhaftierung und die anderer Personen 110 Tage lang in den Hungerstreik getreten war. Die 28-Jährige wurde 2022 wegen Majestätsbeleidigung und Aufwiegelung angeklagt, weil sie eine Meinungsumfrage über Verkehrskontrollen bei königlichen Fahrzeugkolonnen durchgeführt hatte. Der Prozess gegen Netiporn Sanesangkhom war zum Zeitpunkt ihres Todes noch nicht abgeschlossen.[2]

Der prominente Menschenrechtsanwalt Anon Nampa wurde im Laufe des Jahres vom Strafgerichtshof in Bangkok in fünf verschiedenen Verfahren der Majestätsbeleidigung für schuldig befunden. Er wurde zu einer Haftstrafe von 14 Jahren und acht Monaten verurteilt, zusätzlich zu den vier Jahren und zwei Monaten, die er bereits wegen früherer Verurteilungen wegen Majestätsbeleidigung verbüßte. In 37 weiteren Fällen wurde wegen Majestätsbeleidigung sowie anderer Vorwürfe im Zusammenhang mit seiner politischen Tätigkeit Anklage gegen Anon Nampa erhoben.

Am 7. August ordnete das Verfassungsgericht die Auflösung der für demokratische Reformen eintretenden Fortschrittspartei (Move Forward Party – MFP) an und untersagte 11 ihrer führenden Mitglieder die Kandidatur für politische Ämter. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Kampagne der Partei zur Reform des Gesetzes über die Majestätsbeleidigung eine Bedrohung für die konstitutionelle Monarchie Thailands darstellte.

Menschenrechtsverteidiger*innen

Menschenrechtsverteidiger*innen waren Einschüchterungen und rechtswidriger Überwachung ausgesetzt. Recherchen von Amnesty International ergaben Muster technologiegestützter geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen und LGBTI-Menschenrechtsverteidiger*innen, darunter gezielte digitale Überwachung und Online-Belästigung durch staatliche und nichtstaatliche Akteur*innen. [3]

Im Juni äußerten fünf UN-Expert*innen in einem Schreiben an die Regierung ihre Besorgnis über die Überwachung der Menschenrechtsverteidigerinnen Angkhana Neelapaijit und Pranom Somwong durch Bedienstete des militärischen Inlands-Geheimdienstes (Internal Security Operations Command). Die Besorgnis bezog sich auf eine Veranstaltung im März zum Gedenken an die Opfer gewaltsamen „Verschwindens“.

Im November wies das Zivilgericht in Bangkok eine Klage des Pro-Demokratie-Aktivisten Jatupat Boonpattararaksa gegen das Cyberspionage-Unternehmen NSO Group Technologies ab. Er warf dem Unternehmen vor, es versäumt zu haben, zu verhindern, dass deren Spionage-Software Pegasus zum Hacken seines Mobiltelefons verwendet wurde. [4] Das Gericht befand, dass es keine ausreichenden Beweise dafür gab, dass das Mobiltelefon von Jatupat Boonpattararaksa mit der Spionage-Software infiziert war und widersprach damit Ergebnissen forensischer Untersuchungen des Forschungsinstituts Citizen Lab sowie von Amnesty International. [5]

Rechtswidrige Tötungen

Am 26. Juni wurde Roning Dolah im Bezirk Yarang in der südlichen Provinz Pattani von zwei unbekannten Männern erschossen. Roning Dolah arbeitete für eine NGO, die Folteropfer unterstützt.[6] Bis zum Jahresende gab es keine Fortschritte bei den Ermittlungen zu seiner Ermordung.

Straflosigkeit

Die Behörden haben es versäumt, im Fall „Tak Bai“ vor Ablauf der Verjährungsfrist am 25. Oktober Verdächtige vor Gericht zu stellen. Fünfundachtzig Menschen starben während und nach Protesten im Bezirk Tak Bai in der Provinz Narathiwat im Jahr 2004. Ein Jahr zuvor, im Oktober 2024, waren Haftbefehle gegen 15 Staatsbedienstete erlassen worden, darunter Militärs, Polizisten und Verwaltungsangestellte. Das Versäumnis, den Fall vor Ablauf der Verjährungsfrist vor Gericht zu bringen drohte, die Straflosigkeit weiter zu verfestigen. [7]

Folter und andere Misshandlungen

Im November veröffentlichte der UN-Ausschuss gegen Folter seine abschließenden Bemerkungen zum zweiten periodischen Bericht Thailands. Er äußerte sich besorgt über die Unvereinbarkeit der Bestimmungen des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Folter und Verschwindenlassen aus dem Jahr 2022 mit internationalen Standards. Der Ausschuss äußerte sich auch besorgt über die unverhältnismäßige Anwendung von Gewalt gegen friedliche Demonstrant*innen sowie über physische und digitale Gewalt gegen Menschenrechtsverteidiger*innen.

Im Februar wandten sich acht UN-Expert*innen schriftlich an die Regierung und äußerten Bedenken, dass die Haftbedingungen von 43 uigurischen Asylsuchenden im Suan Phlu Immigration Detention Centre grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder möglicherweise Folter darstellen könnten. Die 43 gehörten zu einer Gruppe von Uigur*innen aus der autonomen Region Xinjiang in China, die seit ihrer Ankunft in Thailand im Jahr 2014 inhaftiert waren. Mindestens fünf der Inhaftierten, darunter zwei Kinder, sind Berichten zufolge seitdem gestorben.

Rechte von Flüchtlingen und Migrant*innen

Es gab Bedenken hinsichtlich der Rolle der thailändischen Behörden bei der Identifizierung und zwangsweisen Rückführung von Flüchtlingen indigenen Montagnards nach Vietnam, wo ihnen Folter oder andere Misshandlungen drohen. Am 11. Juni verhaftete die thailändische Polizei Y Quynh Bdap, einen Menschenrechtsverteidiger der Montagnards, in seinem Haus in der Hauptstadt Bangkok. Die vietnamesischen Behörden hatten zuvor seine Auslieferung beantragt. Y Quynh Bdap – ein vom UN Hochkommissar für Flüchtlinge (UNHCR) anerkannter Flüchtling – war im Januar von einem Gericht in Vietnam in Abwesenheit des Terrorismus für schuldig befunden worden. [8] Ende des Jahres befand Y Quynh Bdap sich weiterhin in Thailand in Haft.

Rechte indigener Völker

Im Januar begann die Regierung mit öffentlichen Konsultationen zum Klimaschutzgesetz, das rechtsverbindliche Maßnahmen zur Erreichung der thailändischen Klimaziele im Rahmen des Pariser Abkommens vorsieht. Zivilgesellschaftliche Gruppen sprachen sich gegen das Gesetz aus, unter anderem weil es umweltverschmutzenden Unternehmen ermögliche, CO2-Zertifikate für Aufforstungs- und Naturschutzprojekte zu kaufen. Diese Projekte, so die Befürchtung, könnten Zwangsvertreibungen von indigenen und anderen Gemeinschaften zur Folge haben, die in Gebieten leben, die für solche Projekte vorgesehen sind. Bis zum Jahresende war das Gesetz noch nicht verabschiedet.

 

[1] “Thailand: Passing of marriage equality bill a triumphant moment for LGBTI rights”, 18 June

[2] “Thailand: Tragic death of detained activist must be ‘wake-up call’”, 14 May

[3] Thailand: “Being ourselves is too dangerous”: Digital violence and the silencing of women and LGBTI activists in Thailand, 16 May

[4] Thailand: Amicus curiae submitted by Amnesty International to the Bangkok Civil Court in the case of Jatupat Boonpattararaksa vs. NSO Group Technologies Ltd, 3 September

[5] “Thailand: Dismissal of landmark case a critical and alarming setback in fight against unlawful use of spyware”, 21 November

[6] “Thailand: Killing of Malay Muslim human rights defender must be investigated”, 26 June

[7] “Thailand: Authorities must urgently enforce arrest warrants for Tak Bai suspects”, 18 October

[8] “Thailand: Montagnard Indigenous activist must not be extradited to face torture in Viet Nam”, 10 July

 

2. Juni 2025