Turkmenistan
Berichtszeitraum | 1.1.2024 – 31.12.2024 |
Englischer Originaltext | Turkmenistan |
Weitere Online-Dokumente von Amnesty International Deutschland | Turkmenistan |
Die Rechte auf freie Meinungsäußerung und Vereinigungsfreiheit wurden weiterhin stark eingeschränkt, indem Behörden versuchten, den Informationsfluss zu kontrollieren, die Zivilgesellschaft zu ersticken und alle Formen friedlicher Meinungsverschiedenheiten im In- und Ausland zu bestrafen. Frauen, Mädchen und LGBTI-Personen wurden willkürlich in ihren Rechten, Freiheiten und ihrer körperlichen Autonomie eingeschränkt. Es gab weitere Berichte über staatlich verordnete Zwangsarbeit bei der Baumwollernte. Es gab keine nennenswerten Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels.
Hintergrund
Das Land blieb de facto für internationale Menschenrechts-NGOs, UN-Sondermechanismen und unabhängige Medien verschlossen. Dies schränkte zusammen mit der internen Zensur die internationale Aufsicht und Informationsbeschaffung stark ein.
Freie Meinungsäußerung
Der Staat kontrollierte den Informationsfluss, zensierte Berichte über negative Entwicklungen wie wirtschaftliche Schwierigkeiten und schränkte den Zugang zum Internet stark ein. Hunderttausende von Domains, darunter Nachrichten-, Geschäfts- und Social-Media-Seiten, wurden gesperrt. Die Internetgeschwindigkeit gehörte nach wie vor zu den langsamsten und teuersten der Welt, und die Verbreitung des Internets war im internationalen Vergleich gering, was zu einer Benachteiligung der ländlichen Gemeinden, insbesondere der Frauen, führte.
Die Sicherheitsdienste überwachten und blockierten regelmäßig die Nutzung verbotener virtueller privater Netzwerke und schüchterten Nutzer ein, verhängten Geldstrafen oder nahmen sie fest, wenn sie versuchten, die staatlichen Kontrollen zu umgehen.
Unterdrückung von Dissidenten
Lokale zivilgesellschaftliche Organisationen und Aktivisten waren nicht in der Lage, frei und unabhängig zu arbeiten. Diejenigen, die friedlich abweichende Meinungen äußerten oder sich öffentlich kritisch äußerten, waren im In- und Ausland Repressalien bis hin zur Inhaftierung ausgesetzt. Der Menschenrechtsverteidiger Mansur Mingelov und der Blogger Murat Dushemov verbüßten weiterhin ihre Haftstrafen in Gefängniskolonien in der östlichen Region Lebap. Die Behörden unterließen es nach wie vor, ihre Vorwürfe über Folter und andere Misshandlungen in der Haft zu untersuchen. Sie waren wegen politisch motivierter Anschuldigungen zu vier bzw. 22 Jahren Gefängnis verurteilt worden, weil sie Menschenrechtsverletzungen aufgedeckt hatten.
Am 6. Oktober wurde die im Exil lebende Aktivistin Dursoltan Taganova in ihrem Haus in der Türkei von der Polizei festgenommen. Diese behauptete, dass sie eine Gefahr für die nationale Sicherheit darstelle und nach Turkmenistan abgeschoben werde. Sie wurde nach einigen Stunden wieder freigelassen, ist aber weiterhin von der Abschiebung bedroht.
Die Behörden hinderten Aktivisten der Zivilgesellschaft, unabhängige Journalisten und ihre Familien weiterhin daran, ins Ausland zu reisen.
Die Sicherheitsdienste hielten den unabhängigen Rechtsanwalt Pjambergeldy Allaberdyev an der Grenze zum Iran fest, Dorthin wollte er zu einer medizinischen Behandlung reisen, die nach einer zweijährigen Haftstrafe wegen politisch motivierter Anschuldigungen von 2020 bis 2022 notwendig war. Sie teilten ihm mit, dass gegen ihn ein Reiseverbot verhängt worden sei, das ihn daran hindere, ins Ausland zu reisen, auch um sich dort medizinisch behandeln zu lassen, weigerten sich jedoch, Belege vorzulegen.
Verschwindenlassen
Der Oppositionsaktivist Gulgeldy Annaniyazov wurde nach 16 Jahren Haft freigelassen, von denen er 11 Jahre in Isolationshaft verbracht hatte. Er war 2008 inhaftiert worden, als er aus Norwegen zurückkehrte, wo ihm Asyl gewährt worden war. Über das Schicksal und den Verbleib von mehr als 100 Personen, die nach ihrer Verhaftung verschwunden sind, wurden jedoch keine weiteren Informationen bekanntgegeben. Einige von ihnen waren nach einem mutmaßlichen Attentat auf den damaligen Präsidenten Saparmurat Nijasow im November 2002 inhaftiert worden.
Gewalt gegen Frauen und Mädchen
Im Februar nahm der CEDAW-Ausschuss das Ergebnis einer nationalen Erhebung aus dem Jahr 2022 zur Kenntnis, wonach jede achte Frau körperlicher und/oder sexueller Gewalt durch einen Intimpartner ausgesetzt ist. Der Ausschuss forderte die Behörden auf, „unverzüglich Rechtsvorschriften zu erlassen, in denen alle Formen geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen, einschließlich häuslicher Gewalt, ausdrücklich definiert und unter Strafe gestellt werden“. Die Behörden haben jedoch keine nennenswerten Fortschritte in dieser Hinsicht gemacht.
Die im März veröffentlichten Änderungen des Familiengesetzes verlangen von den Gerichten, dass sie im Falle einer Scheidung der Versöhnung der Ehepartner Vorrang einräumen, auch wenn häusliche Gewalt im Spiel ist.
Sexuelle und reproduktive Rechte
Der CEDAW-Ausschuss äußerte sich auch besorgt über die Kriminalisierung von Abtreibungen, die nach einer Schwangerschaftsgrenze von fünf Wochen vorgenommen werden – ein Zeitpunkt, an dem die meisten Menschen nicht einmal wissen, dass sie schwanger sind. Der Ausschuss forderte die Behörden auf, die Gesetzgebung zu ändern, um „den Schwangerschaftsabbruch zu legalisieren und in allen Fällen zu entkriminalisieren“, im Einklang mit den WHO-Leitlinien für die Betreuung von Schwangerschaftsabbrüchen aus dem Jahr 2022.
Im Oktober empfahl der UN-Ausschuss für Kinderrechte, dass alle Jugendlichen „vertrauliche und kindgerechte Informationen und Dienstleistungen im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit erhalten sollten, einschließlich des Zugangs zu Verhütungsmitteln und gegebenenfalls zu einem sicheren Schwangerschaftsabbruch.“
Rechte von LGBTI+
Einvernehmliche sexuelle Beziehungen zwischen Männern wurden weiterhin kriminalisiert. Lesbische, schwule, bisexuelle, trans und intergeschlechtliche Menschen (LGBTI+) waren nach wie vor mit Diskriminierung, Gewalt und Missbrauch konfrontiert, wobei die Täter straffrei ausgingen. Die Behörden weigerten sich, die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung ausdrücklich zu verbieten, und beharrten gegenüber dem CEDAW-Ausschuss darauf, dass alle Personen „unabhängig von ihrer sexuellen Ausrichtung, einschließlich lesbischer, schwuler, bisexueller, transsexueller und intersexueller Personen, durch das Gesetz gleichermaßen vor Gewalt, Erpressung und ähnlichen Handlungen geschützt sind“.
Auf die Veröffentlichung eines Dokumentarfilms über Menschenrechtsverletzungen an lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans und intergeschlechtlichen Menschen (LGBTI+) in Turkmenistan am 3. Juli im Ausland folgten Berichten zufolge Polizeirazzien, die sich gegen mutmaßliche lesbische, schwule, bisexuelle, trans und intergeschlechtliche Menschen (LGBTI+) und Personen richteten, die mit LGBTI-Aktivist*innen im Ausland in Kontakt stehen.
Zwangsarbeit
Es wurde weiterhin über Zwangsarbeit bei der Baumwollernte berichtet, obwohl die Regierung in den letzten Jahren offener für eine Zusammenarbeit mit der IAO war und ihr unter anderem regelmäßige Besuche gestattete. In einem im Juli veröffentlichten IAO-Bericht wurde große Besorgnis über die bei einem IAO-Besuch im Jahr 2023 festgestellten Beweise für den fortgesetzten Einsatz von Zwangsarbeit, einschließlich Kinderarbeit, geäußert.
Recht auf eine gesunde Umwelt
Obwohl die Regierung auf der COP28 (Weltklimakonferenz) im Dezember 2023 die Globale Methanverpflichtung unterzeichnete und sich bereit erklärte, mit der US-Regierung bei der Methanreduzierung zusammenzuarbeiten, wurden keine zwingenden Beweise dafür vorgelegt, dass sie wirksame Maßnahmen zur Verbesserung der Erkennung von Lecks und zur Beschleunigung von Abhilfemaßnahmen ergriffen hat. Laut dem Global Methane Tracker 2024 der Internationalen Energieagentur ist Turkmengaz, eines der größten Öl- und Gasunternehmen der Welt, keine öffentlichen Verpflichtungen zur Reduzierung der Methanemissionen eingegangen.