Vereinigte Arabische Emirate
Berichtszeitraum | 1.1.2024 – 31.12.2024 |
Englischer Originaltext | United Arab Emirates |
Die Behörden kriminalisierten weiterhin die Rechte auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung. Sie führten unfaire Massenprozesse gegen 57 friedlich Demonstrierende aus Bangladesch und 78 emiratische Dissident*innen durch, die zu Verurteilungen und langen Haftstrafen führten. Propalästinensische Äußerungen wurden unterdrückt. Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) weiteten die Produktion von fossilen Brennstoffen aus. Arbeitsmigrant*innen waren unverhältnismäßig stark vom Ausbruch des Dengue-Fiebers betroffen, das durch Überschwemmungen verursacht wurde.
Hintergrund
Die VAE hielten während des bewaffneten Konflikts im Gazastreifen enge Wirtschaftsbeziehungen zu Israel aufrecht, verzichteten jedoch auf öffentlichkeitswirksame Ankündigungen neuer gemeinsamer Handelsabkommen mit Israel.
Der Vorsitz der jährlichen Konferenz der Vertragsstaaten des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (COP) ist vom Vorstandsvorsitzenden der Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC), dem staatlichen Ölkonzern der VAE, auf das neue Gastgeberland Aserbaidschan übergegangen.
Im April führten ungewöhnlich starke Regenfälle zu Rekordniederschlägen und Überschwemmungen in mehreren Städten.
Recht auf friedliche Versammlung
Die Behörden führten Massenfestnahmen und einen überstürzten Massenprozess gegen 57 bangladeschische Staatsangehörige durch, die am 19. Juli in mehreren Städten der VAE friedlich gegen das Vorgehen ihrer Heimatregierung protestiert hatten. Am 20. Juli gab die Staatsanwaltschaft bekannt, dass sie die Proteste als Straftaten untersuche. Am 21. Juli verurteilte das Bundesberufungsgericht in Abu Dhabi drei bangladeschische Staatsangehörige zu lebenslanger Haft und 54 weitere zu Haftstrafen zwischen zehn und elf Jahren.
Nach Angaben der staatlichen emiratischen Nachrichtenagentur „gestanden“ die Angeklagten ihre Beteiligung „an einer Versammlung an einem öffentlichen Ort mit dem Ziel, zu randalieren und die öffentliche Ordnung zu stören, sowie zu solchen Versammlungen und Demonstrationszügen aufgerufen und angestiftet zu haben“. Die von Amnesty International und Human Rights Watch untersuchten Aufnahmen von Protesten an verschiedenen Orten zeigen keinerlei Gewalttaten der Protestierenden, sondern lediglich friedliche Versammlungen, Sprechchöre und Demonstrationen.
Am 3. September meldete die staatliche Nachrichtenagentur, dass Präsident Mohamed bin Zayed bin Sultan Al Nahyan Staatsangehörige aus Bangladesch, die sich “versammelt und randaliert” hatten, begnadigt habe. Er habe zudem angeordnet, dass ihre Urteile aufgehoben und sie nach Bangladesch abgeschoben würden.
Unfaire Gerichtsverfahren
Im Juli endete das Massengerichtsverfahren gegen 78 emiratische Dissident*innen, von denen die überwiegende Mehrheit seit 2013 inhaftiert und zuvor in einem anderen Massenprozess verurteilt worden war. 53 Angeklagte wurden erneut zu Gefängnisstrafen verurteilt, lebenslange Haftstrafen erhielten 43 von ihnen. [1]
Das Verfahren fand im Geheimen statt. Keinerlei Gerichtsunterlagen wurden der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, nicht einmal die Anklageschrift und das Urteil. Ein emiratischer Anwalt, der an dem Prozess beteiligt war, beschrieb, wie die Behörden allen am Verfahren beteiligten Anwält*innen untersagten, Gerichtsunterlagen mit anderen Personen zu teilen, einschließlich ihrer eigenen Mandant*innen. Die Behörden verwehrten den Strafverteidiger*innen eine Kopie des Urteils, das sie nur in den Räumen der Regierungsbehörden einsehen konnten. Die Angeklagten und ihre Angehörigen durften während des Prozesses nicht miteinander kommunizieren. Auch der Zutritt zum Gerichtssaal wurde den Angehörigen verwehrt. Nur Reporter*innen der staatlichen Nachrichtenagentur durften den Gerichtskomplex betreten, um über den Prozess zu berichten.
Auch der Massenprozess gegen 57 bangladeschische Staatsangehörige, die wegen der Teilnahme an Protesten verurteilt worden waren, war grob unfair. Er wurde in weniger als 24 Stunden mit einem einzigen staatlich bestellten Strafverteidiger durchgeführt.
Folter und andere Misshandlungen
In dem Massenprozess gegen emiratische Dissident*innen setzten die Behörden verlängerte Einzelhaft als Zwangs- und Strafmaßnahme ein. Angeklagte – unter ihnen auch der Gewissensgefangene Salim al-Shehhi – erklärten dem Gericht bei Anhörungen Ende 2023 und Anfang 2024, dass die Behörden sie monatelang in Einzelhaft gehalten hätten, um sie zu “Geständnissen” zu zwingen.
Recht auf freie Meinungsäußerung
Die VAE kriminalisierten weiterhin das Recht auf freie Meinungsäußerung durch zahlreiche Gesetze, um tatsächliche oder vermeintliche Regierungskritiker*innen zu bestrafen.
Im April wiesen die Behörden eine palästinensische Lehrkraft am Campus der New York University (NYU) in Abu Dhabi aufgrund politischer Äußerungen gegenüber akademischen Kolleg*innen aus den VAE aus. Im Mai nahmen die Behörden einen ausländischen Studenten fest, der bei der Abschlussfeier der NYU “Free Palestine” gerufen hatte. Nach seiner Inhaftierung schoben sie ihn in sein Herkunftsland ab. Die NYU-Verwaltung verweigerte Studierenden und Lehrkräften die Erlaubnis, Veranstaltungen mit Bezug zu Palästina abzuhalten. Sie unterdrückte propalästinensische Äußerungen bei der Abschlussfeier und warnte die Mitarbeiter*innen, dass sie nach emiratischem Recht bestraft werden könnten, wenn sie die Verwaltung der Universität kritisierten. [2]
Am 2. August gab die Generalstaatsanwaltschaft bekannt, dass sie aufgrund neuer “Geständnisse” neue strafrechtliche Ermittlungen gegen exilierte emiratische Staatsangehörige wegen “direkter Kommunikation mit internationalen Menschenrechtsorganisationen” und anderer “Straftaten” durchführe.
Verantwortungsloser Rüstungstransfer
Amnesty International hat neue visuelle Beweise dafür gefunden, dass von den VAE hergestellte gepanzerte Mannschaftstransporter von den paramilitärischen Einheiten der Rapid Support Forces (RSF) im Sudan eingesetzt wurden. Die RSF sind für Kriegsverbrechen verantwortlich, darunter ethnisch motivierte Angriffe auf Zivilpersonen. [3]
Recht auf eine gesunde Umwelt
Anstatt Maßnahmen zum Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen zu verfolgen, bauten die VAE ihre Ölförderkapazitäten durch ADNOC weiter aus und drängten die Organisation der erdölexportierenden Länder (Organization of the Petroleum Exporting Countries, OPEC), mehr emiratische Exporte zu genehmigen. Der Ausbau der Ölförderkapazitäten wird voraussichtlich bis ins Jahr 2027 fortgesetzt. Das Projekt Climate Action Tracker (CAT) stufte die Klimapolitik und Maßnahmen der VAE zum Klimaschutz angesichts der Gefahr eines katastrophalen Klimawandels als “unzureichend” ein. CAT stellte fest, dass sich die Pläne der VAE zur Emissionsreduzierung trotz Fortschritten weitgehend auf die Kohlenstoffdioxidabscheidung und -speicherung stützten, was die Glaubwürdigkeit ihres Netto-Null-Ziels für 2050 untergräbt.
Ein Bericht der NGO Global Witness von Juni bestätigte, dass das COP-Team der VAE Geschäfte mit fossilen Brennstoffen für den staatlichen Ölkonzern ADNOC in die Wege leitete, während in Dubai die Weltklimakonferenz 2023 stattfand.
Bei der Klimafinanzierung verfolgte die emiratische Regierung den Ansatz, Privatpersonen zu ermutigen, in Klimaanpassungsprojekte in Ländern mit niedrigerem Einkommen zu investieren, wo profitable Renditen zu erwarten waren.
Rechte von Arbeitsmigrant*innen
Die Überschwemmungen im April verursachten einen Ausbruch des Dengue-Fiebers. Einer Untersuchung der Menschenrechtsorganisation FairSquare von Juli zufolge waren Arbeitsmigrant*innen unverhältnismäßig stark betroffen. Zudem war für sie der Zugang zu angemessener Gesundheitsversorgung und Informationen erschwert. FairSquare zufolge hatten die Behörden zwar die Hauptstraßen gereinigt. In den Industriegebieten jedoch, in denen Arbeitsmigrant*innen leben und arbeiten, verblieb monatelang stehendes Wasser, über das sich das Dengue-Fieber ausbreitete.
[1] “UAE: Scores convicted in sham mass trial violating fundamental legal principles”, 10 July
[2] New York University, UAE Authorities Quash Campus Freedom, 22 August